Mit dem russischen Oligarchen Gavril Yushvaev hätte sich Lars Windhorst wohl nicht anlegen sollen. Nun muss ihm der deutsche Investor mit Schweizer Wohnsitz nach einem noch nicht rechtskräftigen Urteil des Zuger Kantonsgerichts 58,6 Millionen Franken überweisen. Zuzüglich laufender Zinsen von jährlich 25 Prozent.
Die Geschichte beginnt so. Lars Windhorst stand im Sommer 2022 einmal mehr massiv unter Druck. Durch eine Reihe eher wertloser Beteiligungen, die er in den Fonds H2O eingebracht hatte, stand dieser Fonds vor dem Kollaps. Bekanntes Bespiel dafür ist die italienische Dessousfirma La Perla. Doch auch die deutsche Medtech-Firma Avatera, die Robotersysteme zur minimalinvasiven Chirurgie entwickelt, hat diesen Weg genommen.
Die Versuche, die Firmenbeteiligungen wieder zu verramschen, um Geld für die ungeduldigen H2O-Investoren frei zu machen, schlugen reihenweise fehl. Doch Windhorst gilt nicht nur als Houdini unter den Finanzspekulanten, die sich auch aus brenzligen Situationen zu befreien wissen. Er ist auch ein Menschenfänger.
Über dessen Sohn nahm Windhorst Kontakt mit Gavril Yushvaev auf. Der russisch-israelische Milliardär hatte in seiner Heimat in den 1990er-Jahren zunächst mit einem Molkerei-Konzern, dann mit der Polyus-Goldmine am russischen Monopoly teilgenommen, das ihm gemäss «Forbes» ein Vermögen von 1,6 Milliarden Dollar einbrachte. Bald investierte Yushvaev in westliche Firmen, etwa in den Mitfahrdienst Lyft, in Biotech oder in Softwarefirmen. Gemäss dem vorliegenden Urteil des Zuger Gerichts lebt Yushvaev, gegen den keine Sanktionen verhängt sind, in der Schweiz.
Windhorst schlug Yushvaev in einem E-Mail ein «100 Prozent sicheres und komplett wasserdichtes Geschäft» vor, das «komplett risikofrei ist und mit dem unmittelbar ein substanzieller Profit realisiert werden kann». Der Deal: Yushvaev soll über seine zypriotische Firma PTC Trustees GY aus dem Bestand der H2O für rund 65 Millionen Euro Aktien der Avateramedical kaufen. Dies ist die niederländische Holding der Avatera. Drei Tage später werde ihm Windhorst das Aktienpaket zum praktisch gleichen Preis abkaufen. Der Gewinn der darauffolgenden Weiterverwertung solle geteilt werden.
Yushvaev war angetan und schlug nur einen Monat nach dem ersten Kontakt ein. Zur Abwicklung stand die österreichische European American Investment Bank (Euram) bereit. Diese bestätigte, dass Windhorst seinen Kaufbetrag hinterlegt habe. Yushvaev kaufte die Aktien, doch Windhorst zahlte nicht. Erst ein halbes Jahr verspätet überwies Windhorst in drei Tranchen immerhin 15 Millionen, wofür ihm anteilsmässig Avateramedical-Aktien überschrieben wurden.
Für die falsche Beglaubigung, da Windhorst doch keine Millionen hinterlegt hatte, wurde Euram von einem Wiener Gericht verurteilt, 1 Million Euro an Yushvaev zu zahlen. Mittlerweile hat die österreichische Finanzmarktaufsicht die Bank aber ganz stillgelegt; sie hat dabei «gravierende Mängel bei der Geldwäscheprävention» festgestellt.
Die Hängepartie zwischen H2O, Yushvaev und Windhorst bedeutete allerdings auch das Aus für die Medtech-Firma Avatera. Dabei sei der Durchbruch angeblich kurz bevorgestanden; die Technologie des Operationsroboters sei weit gereift und an ersten Kliniken erprobt. Doch selbst mögliche Sanierungspläne waren blockiert. 250 Mitarbeitende verloren ihren Job.
Windhorst hatte gemäss Medienberichten rund 250 Millionen Euro in die 2011 gegründete Firma investiert, bevor er seine Anteile für ein Aufgeld in die H2O einbrachte. Auf die Insolvenz der Avatera war er offensichtlich vorbereitet. Aus der Insolvenzmasse übernahm er jedenfalls die Roboter und die Patente des Systems. Oder wie die Insolvenzverwalterin gegenüber dem «Handelsblatt» ausführte: Windhorst habe «100 Prozent des Unternehmens für einen Betrag erhalten, der früher nicht diskussionswürdig gewesen wäre».
Als Käuferin ist Windhorsts Zuger Firma Tennor International aufgetreten. Gehalten werden die Assets von der neuen Berliner Tochterfirma Avatera Robotics. Als deren Geschäftsführer liess Windhorst gegenüber einem Amtsgericht eine Gewährleistung abgeben. Demnach ist er ein untadeliger Geschäftsmann, der zumindest in den vergangenen fünf Jahren nicht rechtmässig wegen unsauberer Geschäfte verurteilt worden sei. Was wohl korrekt ist; seine Verurteilung wegen Veruntreuung liegt weiter zurück.
Für Windhorst schien die Rechnung aufgegangen zu sein. Sein anfängliches Avatera-Investment hat er sich zuerst durch H2O versilbern lassen und dank Yushvaevs unfreiwilliger Hilfe ist er wieder günstig in Besitz der Patente gekommen. Yushvaev sieht sich dafür doppelt geprellt. Windhorst hat ihn nicht nur auf Aktien sitzen gelassen, diese sind durch die Insolvenz auch noch wertlos geworden. Damit will er sich nicht abfinden.
Gerichtlich will er nun erzwingen, dass Windhorst das geschuldete Geld überweist – samt Zinsen. Windhorsts Anwälte versuchten vergeblich, mit formalen Gründen die Klage abzuweisen. Unsittlich sei aber vor allem die geforderte Verzinsung von jährlich 25 Prozent. Das Zuger Kantonsgericht hat dagegen jedoch keinen Einwand. Schliesslich seien die Konditionen von Windhorst selbst vorgeschlagen worden. So kommen zur offenen Hauptforderung von 51 Millionen Franken bereits 7,7 Millionen Franken, die an Schuldzinsen aufgelaufen sind. Und täglich werden es mehr.
Um sich zu befreien, wird Windhorst alle Houdini-Künste aufwenden müssen. Schliesslich brennt sein Haus nicht nur an dieser Ecke. Auch andere Investments wie Norddeutsche Schiffswerfte mussten kürzlich Konkurs anmelden. Und erst vergangene Woche hat Lord Nathaniel Rothschild in London Klage eingereicht, weil Windhorst einen kurzfristig gewährten, persönlichen Kredit nicht zurückbezahlt habe. Doch in einem Porträtfilm, den die «Financial Times» Ende 2024 mit Windhorst gedreht hat, lässt sich dieser nichts anmerken: Er stehe kurz davor, in der Geschäftswelt grössere Erfolge zu erzielen. (aargauerzeitung.ch)
Auch bei Windhorst ticken die Uhren immer lauter.