Anfang März beendete Hertha BSC offiziell die Idee vom «Big City Club». Präsident Kay Bernstein ging eine Partnerschaft mit der Firma 777 Partners als neuem Investor ein. Der Ära um Unternehmer Lars Windhorst als Anteilseigner wurde damit endgültig ein Ende gesetzt. Die Weichen für den neuen «Berliner Weg» wurden gesetzt.
Mit Pal Dardai kehrte nach der Entlassung von Sandro Schwarz nun auch ein Trainer mit Stallgeruch zurück zur «alten Dame». Für den Ungarn ist es bereits die dritte Amtszeit auf der Bank des Hauptstadtklubs, der sich seitdem Dardai 2015 zum ersten Mal die Geschicke übernahm, massiv gewandelt hat.
Der Ungar prägte damals die erfolgreichste Ära der Berliner der letzten zehn Jahre, als er Hertha 2015/16 und 2016/17 in die Europa League führte. Danach stürzte der Klub immer weiter ab und steckte in den letzten Spielzeiten immer wieder im Abstiegskampf fest. In der vergangenen Saison konnte Felix Magath das Team erst in der Relegation vor dem Gang in die zweite Liga bewahren.
Mit dem Einstieg von Lars Windhorst als Investor im Jahr 2019 und dem Engagement von Jürgen Klinsmann als Trainer wollten die Berliner in neue Sphären vordringen. Im folgenden Transferfenster wurde erstmals gross investiert. Lucas Tousart wurde von Lyon für 25 Millionen Euro, Krzysztof Piatek für 24 Millionen Euro von der AC Milan, Matheus Cunha für 18 Millionen Euro von RB Leipzig und Santiago Ascacibar für 10 Millionen Euro vom VfB Stuttgart verpflichtet.
Ein Transferfenster, das im Rückblick sinnbildlich für die Investitionen von Lars Windhorst steht. Nur der Franzose Tousart ist aktuell noch im Klub. Windhorsts investierte über 300 Millionen Euro in den Verein, welche sich nicht als besonders ertragreich heraustellten.
Jürgen Klinsmann war insgesamt lediglich 76 Tage Trainer bei Hertha BSC, bevor er am 11. Februar 2020 sein Amt niederlegte. Nachdem Klinsmann sein Abenteuer bei der Hertha beendete, veröffentlichte die «Sport Bild» wenige Tage später Protokolle, die der Weltmeister von 1990 über das Training bei den Berliner führte.
Darin zog er unter anderem eine sportliche Bestandsaufnahme: «Mannschaft in einem katastrophalen körperlichen wie mentalen Zustand. Die Planung der Vorbereitung auf die Rückrunde, für die Michael Preetz verantwortlich ist, ist eine Katastrophe.»
Nach einer Niederlage gegen die Bayern zu Beginn der Rückrunde schrieb Klinsmann: «Es gibt keinerlei Lobbyarbeit des Vereins bei den Schiedsrichtern, nur niveaulose Beleidigungen während des Spieles von der Bank von Michael Preetz.»
In seinen Protokollen schrieb der einstige deutsche Nationaltrainer auch seine Meinung zu den einzelnen Spielern im Kader nieder. Er sortierte die Spieler hier vor allem nach ihren zukünftigen Mehrwerten für den Klub.
Wie sich im Nachhinein herausstellte, sollte Klinsmann mit vielen seiner Befürchtungen Recht behalten. «Der Klub ist in seiner Struktur immer noch ein riesiger Tanker, der jeden Tag die gleiche Route fährt, unabhängig von Wind und Wetter, während die Konkurrenz aus lauter Schnellbooten besteht. Jahrelange katastrophale Versäumnisse von Michael Preetz in allen Bereichen, die mit Leistungssport zusammenhängen (Trainingsmöglichkeiten, Strukturen, Verträge, Logistik, Personal).»
Nach seinem Rücktritt erklärte Klinsmann in einem Facebook-Live-Video die Gründe für seinen Abschied. Gleichzeitig erläuterte er seine Kritik an den internen Strukturen.
Im Januar 2021 trennte sich die Hertha schliesslich auch vom Geschäftsführer Sport Michael Preetz. Sein Nachfolger wurde im Juni 2021 Fredi Bobic, der wie sein Vorgänger ebenfalls bereits als Stürmer bei den Berliner aktiv war. Man erhoffte sich, dass Bobic den Klub, ähnlich wie er es zuvor bei Eintracht Frankfurt getan hatte, nach oben bringt.
Doch anders als bei der Eintracht hatte der einstige deutsche Nationalstürmer in Berlin kein glückliches Händchen bei den Transferentscheidungen. Keine seiner Neuverpflichtungen schlug wirklich ein. Auch Wunschtrainer Sandro Schwarz, den Bobic vor der laufenden Saison verpflichtete, hatte nur wenig Erfolg.
Fredi Bobic und der neue Hertha-Präsident Kay Bernstein waren von Anfang an kein Herz und eine Seele. Bernstein, der ehemalige Berliner Ultra, setzte sich von Beginn an das Ziel, den Klub wieder mehr mit der «Hertha-DNA» auszustatten. Als Anfang des Jahres Gerüchte um einen Wechsel von Bobic zum DFB aufkamen und dieser einem Angebot nicht abgeneigt schien, entschied der Klub sich zur Trennung vom Sportchef.
Bernstein sagte zur Entlassung von Bobic, es habe sich «in den Gremien der Eindruck gefestigt, dass insbesondere mit Blick auf die Transferbilanz und die sportliche Entwicklung insgesamt das Vertrauen in eine erfolgreiche Arbeit in dieser personellen Konstellation geschwunden ist.» Mit Benjamin Weber und Andreas «Zecke» Neuendorf beförderte Bernstein zwei weitere Herthaner in das Management des Klubs, die sich nun um die Aufgaben Bobics kümmern.
Ein weiterer Weg zurück zur «Hertha-DNA» ist auch der Trainerwechsel von Sandro Schwarz zum Ex-Spieler Pal Dardai. Dieser verkörpert wohl wie kein zweiter Trainer der vergangenen Jahre die Identität des Klubs. Unter dem Ungarn debütierten in den beiden Amtszeiten zuvor schon insgesamt 13 Spieler, welche der eigenen Nachwuchsabteilung entstammten.
Insgesamt gilt Dardai ohnehin als grosser Jugendförderer. Eine Strategie, die nur wenige Trainer in der Vergangenheit bei der Hertha konsequent verfolgt haben. Und das, obwohl die Berliner in den letzten Jahren eine hervorragende Jugendarbeit leisteten.
Seit dem Jahr 2000 schafften es 75 Spieler aus dem eigenen Nachwuchs zu Einsätzen in der 1. oder 2. Bundesliga. 2018 wurde die U19 der Berliner zuletzt deutscher Meister und die U17 konnte diesen Titel bereits fünfmal gewinnen. Mit Jessic Ngankam ist ein Spieler aus dem Meisterteam von 2018 aktuell ein Leistungsträger in der Elf der Berliner.
Und mit Teoman Gündüz hält der Nachwuchs auch bereits das nächste vielversprechende Talent bereit. Er erzielte in der abgelaufenen Junioren-Bundesliga-Saison in elf Spielen 13 Treffer – und das als zentraler Mittelfeldspieler.
Ob der eingeschlagene «Berliner Weg» am Ende von Erfolg gekrönt ist, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Dardai hat zumindest noch sechs Spiele Zeit, um die Hertha entweder direkt vor dem Abstieg zu retten oder sich mit der Relegation zwei weitere Endspiele zu verschaffen. Wer dann ab Sommer in der Hauptstadt auf der Trainerbank sitzt, bleibt offen, da der Vertrag des Ungarn zunächst lediglich bis zum Saisonende gültig ist.
Werder Bremen (h)
Bayern München (a)
VfB Stuttgart (h)
1. FC Köln (a)
VfL Bochum (h)
VfL Wolfsburg (a)
Es ist wirklich ein Wahnsinn, wie wenig die Hertha aus ihrem theoretischen Potenzial herausholt.
Das perfekte Gegenbeispiel findet sich ja nur unweit östlich von Westend, in Köpenick (Union)