Für die Bestimmung eines Härtefalls bei Landesverweisungen von in der Schweiz aufgewachsenen Ausländern gibt es keine fixen Altersvorgaben. Dies hat das Bundesgericht entschieden. Ein 28-jähriger Chilene, der mit 13 Jahren einreiste, muss das Land verlassen.
Der junge Mann absolvierte die Oberstufe in der Schweiz und machte anschliessend eine Kurzlehre als Hilfsgärtner. Danach arbeitete er nie besonders lange an einem Ort und liess sich von Dritten aushalten, wenn er kein Einkommen erzielte. Dies geht aus einem am Montag veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts hervor.
Im Frühling 2017 schlug der Chilene bei einer Auseinandersetzung einem Mann mit dem Fuss gegen den Kopf. Das Opfer sackte bewusstlos zusammen und schlug ungebremst mit dem Kopf auf dem Kopfsteinpflaster auf. Es erlitt eine Gehirnerschütterung, eine Prellung und verschiedene Wunden.
Bereits früher war der Chilene wegen verschiedenen Straftaten wie mehrfachen Diebstahls und mehrfacher Sachbeschädigung verurteilt worden.
Das Zürcher Obergericht verurteilte ihn für den letzten Vorfall wegen versuchter schwerer Körperverletzung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 36 Monaten. Zudem verwies das Obergericht den Verurteilten sieben Jahre des Landes.
Das Bundesgericht hat eine Beschwerde des Chilenen nun abgewiesen. Es präzisiert anhand des vorliegenden Falls seine Rechtsprechung zur Härtefallregelung bei der Landesverweisung.
Grundsätzlich sind Ausländer automatisch des Landes zu verweisen, wenn sie eine der in Artikel 66a Strafgesetzbuch aufgeführten Katalogtaten begehen. Dazu zählt auch die schwere Körperverletzung.
Allerdings kann bei einem schweren persönlichen Härtefall von der Landesverweisung abgesehen werden, wenn die privaten Interessen des Betroffenen die öffentlichen Interessen überwiegen. Das Gesetz sieht weiter vor, dass der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen ist, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind.
Das Bundesgericht musste bisher keinen Fall von einer in der Schweiz aufgewachsenen Person beurteilen, für welche eine Landesverweisung ausgesprochen worden war. Es ist zum Schluss gelangt, dass es keine starre Altersvorgabe oder eine bestimmte Aufenthaltsdauer gibt, bei der automatisch von einem Härtefall ausgegangen werden kann. Das Gesetz sehe keine solche vor.
Die Härtefallprüfung sei deshalb nach den gängigen Integrationskriterien durchzuführen. Zwar würde eine längere Aufenthaltsdauer in der Schweiz eher für einen Härtefall sprechen, als eine kurze. Entscheidend seien aber auch die berufliche Integration, die soziale Verankerung und damit der Leumund.
Im konkreten Fall hat das Bundesgericht das Vorliegen eines Härtefalls verneint. Es erachtet die in der Schweiz verbrachten Schul- und Ausbildungsjahre als prägend. Dies sei jedoch die in Chile verbrachte Primarschulzeit ebenfalls gewesen.
Die soziale Integration des Chilenen bezeichnet das Bundesgericht als «unterdurchschnittlich bis normal». Ob er sich in der Schweiz dauerhaft in den Arbeitsmarkt eingliedern wird, betrachtet es aufgrund des bisherigen Erwerbsverlaufs als unwahrscheinlich. Zudem ist der Betroffene perfekt zweisprachig und sein Vater und weitere Geschwister leben in Chile.
Weil kein Härtefall vorliegt, konnte gemäss Bundesgericht auf eine Interessenabwägung verzichtet werden. (Urteil 6B_690/2019 vom 04.12.2019) (aeg/sda)