Das Bezirksgericht Zürich hat einen 26-jährigen Schweizer wegen versuchter vorsätzlicher Tötung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Er wurde auch wegen der Verbreitung rassistischer Botschaften im Internet verurteilt.
Das Strafmass ist mit einer Freiheitsstrafe von neun Jahren deutlich höher als im ersten Urteil des Bezirksgerichts Zürich in dieser Sache. Das Gericht hatte den Angeklagten im Juli 2022 zu einer Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt. Das Obergericht hob das Urteil später wegen Verfahrensmängeln auf und wies den Fall an das Bezirksgericht zurück.
Der Verurteilte hatte im Juni 2020 beim Zürcher Einkaufszentrum Sihlcity einen damals 18-jährigen Schweizer im Streit mit einem Messer schwer verletzt. In der Verhandlung vom vergangenen Freitag verlangte der Beschuldigte einen Freispruch, weil er in Notwehr gehandelt habe. Das spätere Opfer und seine beiden Begleiter hätten ihn geschlagen, er habe Angst um sein Leben gehabt.
Die Staatsanwaltschaft forderte eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren, unter anderem weil sich die Tat an der Schwelle zu einem versuchten Mord befinde.
Das Gericht hielt die Schilderungen des Angeklagten für weniger glaubwürdig als die Aussagen unbeteiligter Zeugen, wie der Richter bei der Urteilsbegründung sagte. Zudem konnten bei dem Angeklagten nach der Tat keine Verletzungen festgestellt werden, die seine Version stützen würden.
Der Beschuldigte kann sich laut dem Gericht nicht auf Notwehr berufen, weil er erst zugestochen habe, als seine Kontrahenten die Auseinandersetzung beenden wollten und sich bereits von ihm abgewandt hatten. Anstatt den Ort des Geschehens zu verlassen, habe er auf seinen Gegner eingestochen und dabei dessen Tod in Kauf genommen.
Der Messerattacke war ein Streit über das T-Shirt des Täters vorausgegangen. Das spätere Opfer hatte die Aufschrift «White Lives Matter» auf dem T-Shirt zusammen mit zwei Kollegen als rassistisch kritisiert. Nach einem Handgemenge griff der Angeklagte zu einem Messer, das er unmittelbar zuvor gekauft hatte, und stach fünfmal auf seinen Kontrahenten ein. Dieser erlitt lebensgefährliche Verletzungen.
Die Tat ereignete sich wenige Wochen nach der Tötung von George Floyd durch Polizeibeamte im US-amerikanischen Minneapolis, die dort zu Unruhen und in der Folge zur «Black Lives Matter»-Bewegung führte.
Im Internet kommentierte der junge Mann, der damals an der Universität Zürich studierte, die Ereignisse mit zum Teil drastischen Worten. So wünschte er sich, dass möglichst viele Plünderer in Minneapolis erschossen würden, oder er äusserte sich generell abfällig über dunkelhäutige oder homosexuelle Menschen. Für viele dieser Äusserungen wurde er auch vom Gericht verurteilt.
Zudem wurde er wegen Sachbeschädigung verurteilt, weil er zusammen mit seinem Bruder, der ebenfalls vor Gericht stand, Bäume in Zürcher Parkanlagen mit Macheten beschädigt hatte.
Die beiden Brüder sind Kinder von zwei bekannten Zürcher Kulturschaffenden und haben auch an einem ihrer Projekte mitgewirkt. Vor der ersten Verhandlung vor dem Bezirksgericht Zürich verbot das Gericht den Medienschaffenden, darauf hinzuweisen. Das Obergericht hob dieses Verbot später auf.
Auch das Opfer des Messerangriffs sowie seine beiden Begleiter mussten sich vor Gericht verantworten. Ihnen warf die Staatsanwaltschaft Beteiligung an einem Raufhandel vor. Das Gericht sprach sie von dem Vorwurf frei.
Der Verurteilte muss dem Opfer des Messerangriffs eine Genugtuung von 30'000 Franken zuzüglich Zinsen bezahlen. Zudem muss er die Gerichtskosten von 10'000 Franken sowie weitere Kosten übernehmen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann an das Zürcher Obergericht weitergezogen werden. (dab/sda)