Gewisse Kinder bringen ihre Eltern mit ihrem frechen Verhalten regelmässig auf die Palme.bild: pixabay
Dauerstreit, Schimpftiraden oder Hyperaktivität: Manche Eltern sind mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert. In gewissen Städten und Kantonen wird in solchen Fällen eine «Super Nanny» aufgeboten.
05.06.2017, 11:2705.06.2017, 18:13

Folge mir
«Weisst du, dass Mama oft weint wegen dir?» – «Halt mal die Fresse hier»: diesen Schlagabtausch zwischen zwei Brüdern konnten die Zuschauer in der RTL Doku-Soap die «Super Nanny» mitverfolgen. Familienschreck Lukas (5) terrorisierte seine ganze Familie, beschimpfte seine Mutter auch gerne als «dumme Fotze».
Kommt es in Haushalten der Städte Genf, St.Gallen, Zürich oder den Kantonen Basel-Stadt und Luzern zu solchen Szenen, kann auch hier eine «Super Nanny» eingreifen. Denn diese schicken Erziehungsberater zu den Familien oder coachen die Eltern auf ihren Wunsch hin an ihrem Wohnort.
Katharina Saalfrank beriet als RTL-«Super-Nanny» zahlreiche Eltern in der Erziehung ihrer Kinder. Die Sendung wurde 2011 eingestellt. Bild: RTL
Die Erziehungscoachings bei den Familien stellen für viele überforderte Eltern nebst Therapien und Beratungsgesprächen ein willkommenes Angebot dar. So steige die Anzahl Anfragen in Genf stetig, schreibt die Zeitung «Tribune de Genève». Auch Lehrer, die das Verhalten eines Schülers als unangemessen empfinden, könnten dies beim Schulsozialarbeiter melden und so anregen, dass eine «Nanny» zu den Eltern nach Hause geht.
Ziel: Kostspielige Massnahmen vermeiden
In Genf besuchen die «Super Nannys» ihre Schützlinge zwei Stunden pro Woche, dies im Normalfall über sechs Monate hinweg. Finanziert werden die personalisierten Beratungen von den jeweiligen Gemeinden.
Die Direktorin der zuständigen Stelle «L’Action Préventive en Milieu Familial» (dt. in etwa: Vorbeugende Massnahme im familiären Umfeld), Sybille Gallandat Crevoiserat, sagte gegenüber der Zeitung kürzlich: «Das Ziel unserer Abteilung ist es, den betroffenen Familien die nötige Unterstützung anzubieten, damit sie sich selbständig und mit besseren Zukunftschancen weiterentwickeln können.» Es soll vermieden werden, dass sich die Situationen verschlimmern und «schwerfällige, stigmatisierende und teurere Massnahmen wie gar eine Fremdplatzierung» nötig werden, erklärte sie weiter.
Eine typische Problemfamilie gibt es gemäss der ausgebildeten Sozialarbeiterin nicht. «Wir betreuen Einelternfamilien, armutsgefährdete und isolierte Familien, aber auch wohlhabende Familien.»
«Es geht keinesfalls darum, die Sorgeberechtigten von familiären Aufgaben zu entlasten»
In der Stadt Zürich nennt man die Coachings bei den Familien «sozialpädagogische Familienbegleitungen». Die Sprecherin der Sozialen Dienste, Beatrice Henes, sagt: «Das Ziel dieser zeitlich beschränkten erzieherischen Hilfen ist es, die Kompetenzen der Sorgeberechtigten zu fördern. Es geht keinesfalls darum, letztere von familiären Aufgaben zu entlasten.»
Die besagte Unterstützung werde in den meisten Fällen freiwillig zusammen mit den den Sorgeberechtigten beschlossen, könne aber auch durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) angeordnet sein. In beiden Fällen werden die Eltern aber zur Kasse gebeten: Die Kosten für das Angebot sind in Zürich einkommensabhängig. Anders sieht es in der Stadt St.Gallen und dem Kanton Luzern aus. Hier gibt es ähnliche Angebote, diese sind für die betroffenen Familien aber kostenfrei.
«Mit Fernsehserien à la Super-Nanny hat der Alltag nicht allzu viel zu tun»
Im Kanton Basel-Stadt werden «sozialpädagogische Familienbegleitungen» (SPF), jeweils vom Kinder- und Jugenddienst indiziert. Gemäss dem Kommunikationsleiter des Erziehungsdepartements, Simon Thiriet, haben diese Beratungen unter anderem zum Ziel, Familien in der Bewältigung ihrer alltäglichen Aufgaben zu unterstützen und elterliche Kompetenzen zu erweitern. Mit Fernsehshows «à la Super-Nanny» habe der Alltag nicht allzu viel zu tun. «Da geht es schon wesentlich seriöser zu und her.»
Dass die Begleitperson mehrere Stunden pro Woche in der Familie verbringt und so direkte Hilfe vor Ort geleistet wird, sei ein wesentlicher Faktor der Wirksamkeit einer SPF, so Thiriet. Denn damit werde ein sehr praktisches Coaching möglich. Ende 2016 gab es im Kanton Basel-Stadt 258 laufende sozialpädagogische Familienbegleitungen.
«Das Coaching als eine Art Babysitter zu nutzen, ist sicher ein No-Go»
Nicht alle Politiker sind gleich begeistert vom Angebot. SVP-Nationalrat Sebastian Frehner sagt zum Thema: «Kriselt es zwischen Nachwuchs und Eltern, ist es in erster Linie Sache der Eltern, das auszuhalten.» Das Coaching als eine Art «Babysitter» zu nutzen, sei sicher ein No-Go. Das Angebot sollte deshalb auf schwerwiegende Fälle beschränkt sein, so Frehner.
Liessen sich mit den Coachings Fremdplatzierungen oder andere tiefgreifende oder kostspielige Massnahmen verhindern, seien solche Beratungen aber eine gute Sache. «Besonders wenn die Coachings auf freiwilliger Basis erfolgen.»
«Eine solche Unterstützung hilft nur, wenn sie von Seiten der Eltern auch gewollt ist»
SP-Nationalrätin Chantal Galladé spricht sich hingegen gar für einen Ausbau des Angebots aus: «Ich finde, solche Erziehungscoachings sollten allen Eltern gratis zur Verfügung stehen.» Denn seien die Eltern überfordert, erhöhe sich das Risiko, dass es zu Kindsmisshandlungen kommt.
Werden die Erziehungs-Coachings jedoch gegen den Willen der Eltern verordnet, sei das heikel, findet auch Galladé. «Eine solche Unterstützung hilft nur, wenn sie von allen Seiten auch gewollt ist.»
So sei es sicher auch sinnvoller, wenn ein Lehrer, der sich am frechen Verhalten eines Schülers stört, sich als Erstes an dessen Eltern wendet. «Und nicht direkt zum Schulsozialarbeiter geht und ein Erziehungs-Coaching zur Sprache bringt.»
Wenn du diese Spielplätze siehst, wünschtest du dir, du wärst ein dänisches Kind
1 / 54
Wenn du diese Spielplätze siehst, wünschtest du dir, du wärst ein dänisches Kind
In Dänemark gibt es definitiv die coolsten Spielplätze der Welt. Verantwortlich dafür ist vor allem die Firma Monstrum und ihre speziellen Designs.
bild: monstrum.dk Das könnte dich auch interessieren:
Das könnte dich auch noch interessieren:
Das Bistum Basel stufte früher jeden zwanzigsten Priester als Problem ein und legte deren Akten in einem Geheimarchiv ab. Die Dokumente erzählen die Geschichten der gescheiterten Geistlichen.
Im Keller des Bischofssitzes in Solothurn steht der «Giftschrank». Er ist grün, aus Metall und hat ein Schloss. In den Schubladen deponierte das Bistum Basel vor allem zwischen 1935 und 1980 die Personaldossiers von Priestern mit Skandalpotenzial. Die Kirchenoberen stuften diese Akten als geheim ein. Nicht einmal alle Mitarbeiter hatten Zugang. Der Archivar wachte über den Schlüssel.