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Kindswohl schlägt Bundesgericht

Kinder auf dem Schulweg (Symbolbild)
Erlebnis Schulweg: Zwei Kinder laufen miteinander in die Schule. Bild: Shutterstock

Kindswohl schlägt Bundesgericht

Eine eigenartige Posse um einen Schulweg nimmt eine überraschende Wende. Mia und Noa dürfen die Schule definitiv im luzernischen Meggen anstatt im schwyzerischen Merlischachen besuchen.
22.08.2021, 10:24
Kari Kälin / CH Media
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Das Verdikt kam von höchstrichterlicher Stelle: Mia und Noa Pfulg müssen Kindergarten und Primarschule im Dorf Merlischachen, Bezirk Küssnacht, Kanton Schwyz besuchen – obwohl der etwa 3 Kilometer lange Schulweg, gespickt mit 130 Höhenmetern, unbestrittenermassen unzumutbar ist. Obwohl der Kindergarten in Meggen im Kanton Luzern bloss rund einen Kilometer weit entfernt vom Haus der Familie Pfulg liegt und zu Fuss bestens erreichbar ist.

Die Krux an der Geschichte ist eine spezielle geografische Konstellation. Die Zufahrtstrasse zum Haus der Familie Pfulg im Gebiet Bärgiswil liegt auf Luzerner, das zehn Meter entfernte Haus auf Schwyzer Boden – was die Schulwegfrage zuungunsten der Familie entschied.

Bärgiswil liegt an der Grenze zwischen den Kantonen Luzern und Schwyz.

«Das Urteil des Bundesgerichts zieht uns den Boden unter den Füssen weg», sagten damals die Eltern Sonja und René Pfulg der «Zentralschweiz am Sonntag». Das Verdikt, ergangen nach mehrjährigem Rechtsstreit, löste weitherum ungläubiges Kopfschütteln aus.

Jetzt, zweieinhalb Jahre später, hat sich das Blatt gewendet. Im Hinblick auf das neue Schuljahr vereinbarten der Bezirk Küssnacht und die Gemeinde Meggen, dass Mia und Noa Kindergarten und Schule definitiv in Meggen besuchen dürfen. Damit bestreiten die Kinder den Schulweg zu Fuss zusammen mit Gspändli, der auch ökologisch fragwürdige Einsatz des Schulbusses wird hinfällig. «Ich schätze es sehr, dass der Bezirk Küssnacht mit Meggen eine Lösung im Sinne des Kindswohls gefunden hat, obwohl er nach dem Bundesgerichtsentscheid nicht dazu verpflichtet gewesen wäre», sagt Vater René Pfulg.

Für die 7-jährige Mia beginnt am Montag die Primarschule. Der zwei Jahre jüngere Noa wird in einem Jahr das im Kanton Luzern obligatorische Kindergartenjahr starten. Mia durfte trotz Bundesgerichtsentscheids das freiwillige und obligatorische Kindergartenjahr in Meggen absolvieren. Der Bezirksrat teilte der Familie Pfulg mit, er mache für Mia eine Ausnahme. Sobald aber Noa ebenfalls in den Kindergarten kommen würde, müsse die Schule gewechselt werden.

Dank der neuen Vereinbarung zwischen dem Bezirk Küssnacht und Meggen kommt es nicht so weit. Auch Noa darf den Kindergarten und die Primarschule in Meggen besuchen. Die Primarschule in Meggen befindet sich auch rund 3 Kilometer vom Wohnhaus der Familie Pflug entfernt. Die 300 Meter bis zur Busstation marschiert Mia mit Nachbarskindern.

Sorgen um das Wohlbefinden der Kinder

«Wir sind erleichtert», sagt René Pfulg. Die Eltern hatten sich um das Wohlbefinden ihrer Kinder gesorgt. Ihre Spielkameraden leben in Meggen, fast das ganze Sozialleben der Familie spielt sich in der Luzerner Gemeinde ab. Eine Extrawurst erhält die Familie Pfulg keineswegs. Sie konnte mit Recherchen belegen, dass seit den 1970er-Jahren mindestens 17 Kinder aus dem Gebiet Bärgiswil in Meggen lesen, rechnen und schreiben lernten, obwohl sie auf Schwyzer Boden lebten. Die Beschulung in Meggen entsprach einer langjährigen Praxis. Der Bezirksrat Küssnacht stellte sie 2017 auf den Kopf, als er das Gesuch der Familie Pfulg um die Einschulung ihrer Kinder in Meggen ablehnte.

Seither kam es zu einigen Personalrochaden. Begleitet von Misstönen trennte sich der Bezirksrat per Ende November 2019 vom Rektor der Küssnachter Schulen. Dieser war verantwortlich für den Schulwegentscheid. Zudem trat der fürs Schulwesen zuständige Bezirksrat Emil Gnos (CVP) aufgrund der Wirren um die Schulleitung vorzeitig zurück. Im Juni 2020 wurde Parteikollegin Sibylle Hofer an dessen Stelle gewählt. Sie und der neue Rektor Marc Dahinden beurteilten das Gesuch der Familie Pfulg neu.

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16 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Fisherman
22.08.2021 11:55registriert Januar 2019
Endlich. Die Vernunft hat gesiegt.
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Hansueli_4
22.08.2021 15:03registriert Februar 2019
Krass wie Entscheide immer wieder auf einzelne Verhinderer zurückzuführen sind.
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Goon
22.08.2021 16:47registriert Juni 2021
Ist bei uns auch so. Unsere kinder dürfen in die Nachbargemeinde zur Schule. Den ca. 800 Meter lange Weg können sie problemlos zu Fuss bewältigen. Der Weg in die Gemeindeschule wäre für sie nicht alleine machbar. (Viel weiter, überquerung einer verkehrsreichen Hauptstrasse) Zum Glück haben sich die Behörden bereits vor Jahrzenten darauf geeinigt, seitdem ist das im Schulreglement so festgehalten.
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