Bei einer anhaltenden Schönwetterlage mit viel Sonnenschein und heissen Temperaturen kann es vorkommen, dass die Grenzwerte von Ozon praktisch in der ganzen Schweiz überschritten werden. Das kam in diesem Jahr unter anderem wegen des sehr sonnigen und warmen Juni wesentlich häufiger vor als in den letzten paar Jahren. Im Schnitt etwa doppelt so viel wie im vergangenen Jahr.
Während andere Luftschadstoffe wie Schwefeldioxid und Kohlenmonoxid in der Schweiz seit Mitte der 1980er-Jahre stetig abnehmen, gilt das für Ozon nicht. Der gesundheitlich unbedenkliche Grenzwert - 120 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft - wird regelmässig und teilweise erheblich überschritten.
Anders als vielleicht vermutet, sind die Ozonwerte auf dem Land nicht tiefer als in den Innenstädten. Die höchsten Werte werden häufig gar am Stadtrand und den angrenzenden ländlichen Gebieten gemessen. «Das liegt daran, dass die Ozonvorläuferstoffe durch Wind aufs Land getragen werden», erklärt Meltem Kutlar Joss, Umweltepidemiologin und Projektleiterin bei der Dokumentationsstelle Luft und Gesundheit am Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) in Basel. «Nicht transportiert werden hingegen die frischen Autoabgase der Städte, die durch eine chemische Reaktion das Ozon abbauen.»
Bis hoch in die Berge vermag der Wind allerdings nicht viele Vorläuferstoffe zu tragen. Deshalb ist die Ozonbelastung an Orten wie dem Jungfraujoch vergleichsweise niedrig.
Ausgeprägt ist der Unterschied zwischen Alpennord- und Alpensüdseite: Wegen des Einflusses der industrialisierten Region rund um Mailand ist die Ozonbelastung südlich der Alpen höher.
Gemäss der Basler Forscherin spüren ab einem Ozonwert von 180 µg/m³ rund zehn Prozent der Bevölkerung die Auswirkungen des Reizgases. Je grösser die körperliche Anstrengung ist, desto stärker fallen die Reaktionen aus. Dazu gehören Reizungen der Schleimhäute wie Augenbrennen, Kratzen im Hals, Druckgefühl in der Brust und Schmerzen beim tiefen Einatmen. Zudem kann eine hohe Ozonbelastung die Empfindlichkeit der Luftwege auf andere Reize wie Feinstaub, Pollen oder Hausstaub erhöhen. Auch die Konzentrationsfähigkeit nimmt ab.
Diese Auswirkungen sind meist nur kurzfristig und verschwinden rasch wieder, wenn die Ozonbelastung sinkt. Die langfristigen Auswirkungen sind schwierig zu untersuchen, aber man geht davon aus, dass sie die Sterblichkeit erhöht.
Das Reizgas Ozon gefährdet vor allem Asthmatiker und Menschen mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung, wie die Epidemiologin Kutlar Joss sagt. Wie eine Übersichtsarbeit in «Environmental International» zeigte, nehmen bei Ozonüberschreitungen die Spitaleintritte dieser Personengruppen zu. Eine gemeinsame Auswertung der Daten aus zwanzig Ländern legt zudem dar, dass die Sterblichkeitsrate mit dem kurzfristigen Anstieg der Ozonbelastung steigt. Das hängt womöglich auch damit zusammen, dass hohe Ozonwerte mit einem höheren Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko einhergehen.
Ja, das zeigen Untersuchungen bei Schulkindern, Erwachsenen und auch Leistungssportlern. Für Letztere hat der amerikanische Umwelt- und Gesundheitsökonom Jamie T. Mullins fast 700'000 Wettkampfergebnisse von Leichtathletinnen und Leichtathleten analysiert. So zeigte sich beispielsweise beim 5000-Meter-Lauf der Männer: Im Durchschnitt absolvierten die Läufer die Distanz bei hohen Ozonwerten eine halbe Minute langsamer - was bei Wettkampfzeiten von rund 15 Minuten viel ist.
Mit Leistungseinbussen konfrontiert waren allerdings nur die Athleten auf den langen Distanzen, weil die durchs Ozon eingeschränkte Lungenfunktion sich erst dann negativ auswirkt. Sprintdisziplinen und Kraftdisziplinen wie Kugelstossen waren nicht betroffen.
Gleich vorneweg: Masken schützen nicht vor hoher Ozonbelastung. Anders als Feinstaub oder Viren handelt es sich bei der Substanz nämlich um ein Gas, das sich mit Hygienemasken nicht abschirmen lässt.
Aber: «Hohe Ozonwerte im Sommer sind für gesunde Menschen kein Grund, auf Outdoor-Sport zu verzichten», betont Epidemiologin Kutlar Joss. Denn die positiven Auswirkungen von Bewegung überwiegen die negativen Folgen von hohen Ozonwerten klar. Auch kleinen Kindern sollte man wegen hoher Ozonbelastung nicht verbieten, draussen zu spielen.
Dennoch rät sie, wenn immer möglich den Sport und körperlich anstrengende Arbeiten in den Vormittag zu verlegen, bis etwa 11 Uhr sei die Ozonbelastung auch bei schönem Wetter meist tief genug. Das liegt daran, dass sich das am Tag zuvor gebildete Ozon in der Nacht schnell abbaut. Auch ein Tag mit Bewölkung oder Regen wäscht das Ozon aus der Luft aus. Bei schönem Wetter ist die Belastung am späten Nachmittag am höchsten.
Personen mit Atemwegserkrankungen und Allergien empfiehlt Kutlar Joss zudem, ihre Notfallmedikamente dabeizuhaben, weil die hohen Ozonwerte einen Anfall auslösen können.
Zwar sind die maximalen Ozonbelastungswerte in den letzten paar Jahren zurückgegangen. «Die richtig hohen Spitzen von Werten jenseits der 250 µg/m³ Ozon erleben wir heute nicht mehr», sagt Meltem Kutlar Joss. Dies, weil die Verschmutzung mit den Ozonvorläuferstoffen abgenommen hat, aber offenbar nicht stark genug. Denn die Anzahl Tage mit Grenzwertüberschreitungen sind nicht zurückgegangen.
Dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) zufolge kann jeder und jede Einzelne zu deren Reduzierung beitragen. Dazu gehört, beim Auto oder Töff auf Elektromotor umzusteigen, im Hobby- und Gartenbereich elektrische Geräte zu benutzen statt solche mit Benzinmotor sowie lösungsmittelfreie oder -arme Farbe, Lacke und Reinigungsmittel zu verwenden.
Weil die Ozonbelastung teilweise auch auf die aus den Nachbarländern stammende Luftverschmutzung zurückzuführen ist, braucht es internationale Bemühungen. Die EU revidiert derzeit ihre Luftqualitätsrichtlinien. «Ich hoffe, dass die Vorschriften strenger werden. Denn davon würde auch die Schweizer Luftqualität profitieren», sagt Kutlar Joss.
Das «gute» Ozon wird in der Stratosphäre gebildet. Dort, auf 15 bis 35 Kilometern Höhe, entsteht es, wenn die kurzwellige UV-Strahlung auf O2-Sauerstoffmoleküle trifft. Bei diesem Prozess bildet sich die bekannte Ozonschicht, die die Erde von schädlicher Sonnenstrahlung abschirmt.
Das unerwünschte und bodennahe Ozon bildet sich in der Troposphäre (0 bis 15 Kilometer Höhe), indem Sonnenlicht auf flüchtige organische Kohlenwasserstoffe trifft, die unter anderem in Lösemitteln vorkommen, oder auf Stickstoffdioxid, das vor allem aus dem motorisierten Strassenverkehr stammt. Je mehr dieser Vorläuferstoffe also in der Luft sind und je stärker die Sonne scheint, desto mehr Ozon wird gebildet. Hohe Temperaturen beschleunigen zudem die chemische Reaktion.
Seit 1750 ist die durchschnittliche Ozonkonzentration in der Troposphäre hauptsächlich aufgrund der menschlichen Emissionen um gut einen Drittel angestiegen. Und wie Studien zeigen, wird die Klimaerwärmung die Ozonbildung in vielen Teilen der Welt weiter erhöhen. Eine Modellierung für den Osten der USA legt beispielsweise nahe, dass durch den Klimawandel die Anzahl Tage der Ozongrenzwertüberschreitungen um zwei Drittel ansteigen könnte bis 2050.
Ozon selbst ist nach CO2 und Methan das drittwichtigste anthropogene Treibhausgas, das den Klimawandel antreibt.
Yep. Hatte man:
19.03.2004 NATIONALRAT
Bekämpft. Diskussion verschoben
07.10.2005
Abgeschrieben, weil nicht innert zwei Jahren abschliessend im Rat behandelt