Klimaaktivistinnen und Klimaaktivsten würden von der Zürcher Justiz schlechter behandelt als andere Demonstranten. Dies haben die Anwälte der neun Beschuldigten am Freitag am Zürcher Obergericht kritisiert.
Als Beispiele von Demonstranten, die nicht kriminalisiert würden, nannten die Anwälte etwa Freiheits-Trychler, die Teilnehmerinnen des Frauenstreiks oder Fussballfans an Fanmärschen. Diese hätten im Gegensatz zu einer Sitzblockade vor einer Bank aber wirkliche Auswirkungen auf Passanten oder den Verkehr.
«Aber während sie alle nichts zu befürchten haben, werden Klimaaktivisten bis zu zwei Tage in Untersuchungshaft gesteckt», sagte eine Anwältin. «Hier wird offenbar mit anderen Massstäben gemessen.» Die Justiz versuche, Klimaaktivisten mundtot zu machen.
Ein weiterer Anwalt betonte, dass die Sitzblockade «wohl das kleinste Problem ist, das die Credit Suisse derzeit hat». Die Anwälte fordern für alle neun Beschuldigten einen Freispruch.
Die Klimaaktivistinnen und -aktivisten haben sich in den Befragungen wortkarg gezeigt. Alle verweigerten die Aussage. Die acht Beschuldigten, einer fehlte wegen eines Arzttermines, machten teilweise nicht einmal zu ihrer Person Angaben. Die Befragungen der Aktivistinnen und Aktivisten, die meisten davon stammen aus der Region Genf, waren deshalb rasch erledigt.
Die Beschuldigten beantragten zu Beginn noch, dass Klimaexperten als Zeugen angehört werden. Der Richter lehnte den Antrag jedoch ab. «Um zu merken, dass sich das Klima erwärmt, genügt ein Thermometer», sagte er. Weil der Prozess deshalb im Eiltempo fortschreitet, dürfte das Obergericht das Urteil bereits am Nachmittag eröffnen.
Nach der Mittagspause folgt noch das Plädoyer des Staatsanwaltes, der die Aktivistinnen und Aktivisten wegen der Sitzblockade vor der Credit Suisse im Juli 2019 verurteilt sehen will. Er fordert bedingte Geldstrafen wegen Nötigung und Hausfriedensbruchs.
Das Bezirksgericht Zürich war seinen Anträgen beim erstinstanzlichen Prozess im Mai 2021 noch gefolgt und verurteilte alle neun wegen Nötigung und teilweise auch wegen Hausfriedensbruchs. Der Bezirksrichter zeigte damals auch Verständnis für die Aktion. Sie verstosse jedoch trotzdem gegen das Strafgesetzbuch.
Das Obergericht wird das Urteil voraussichtlich am Freitagnachmittag eröffnen.
Die neun Klimaaktivistinnen und -aktivisten hatten im Juli 2019 den Eingang zur Credit Suisse am Paradeplatz blockiert, um gegen klimaschädliche Aktivitäten der Bank zu demonstrieren.
Das Bezirksgericht hatte die neun Beschuldigten im Mai 2021 alle wegen Nötigung und teilweise auch wegen Hausfriedensbruch zu bedingten Geldstrafen verurteilt. Diese Schuldsprüche akzeptierten sie jedoch nicht, weshalb der Fall ans Obergericht kommt.
Die neun Aktivistinnen und Aktivisten, die meisten aus der Westschweiz, waren Teil einer Sitzblockade. Dabei verstellten sie die Eingänge mit Velos und Pflanzenkübeln und ketteten sich aneinander. Die Polizei verhaftete 64 Personen und steckte diese bis zu zwei Tage in Untersuchungshaft. (sda)