Fünf Prozent des weltweiten Gletschereises sind bereits geschmolzen. Zwischen den Jahren 2000 und 2023 gingen pro Jahr durchschnittlich 273 Milliarden Tonnen (als Zahl: 273'000'000'000) Eis verloren, wie eine am Mittwoch in der Fachzeitschrift «Nature» veröffentlichte Studie zeigt. Im Vergleich ist die Zahl sogar noch eindrücklicher:
Das sagte Studienleiter Michael Zemp von der Universität Zürich (UZH) der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Er rechnete dabei mit einem Wasserverbrauch von drei Litern pro Person und Tag.
Der Gletscherschwund hat sich dabei rapide beschleunigt. So schmolz ab 2012 durchschnittlich 36 Prozent mehr Eis pro Jahr als in der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraums.
Für die Studie hat der an der UZH ansässige «World Glacier Monitoring Service» (WGMS) Daten von Satelliten und Feldmessung aus der ganzen Welt zum Gletscherschwund gesammelt, homogenisiert, kombiniert und analysiert. Obwohl es an sich nicht Neues ist, dass Gletscher schmelzen, sind solche neuen Untersuchungen laut Zemp wichtig, um zu wissen, mit welchen Schäden und Änderungen wir rechnen müssen. «So können wir präzise voraussagen, wo bis wann was passieren wird», sagte der Forscher.
Insgesamt haben schmelzende Gletscher damit den Meeresspiegel seit 2000 um 18 Millimeter ansteigen lassen. Pro Jahr entspricht das etwa 0,75 Millimeter. «Es ist ein kleiner Anstieg, der aber massive Auswirkungen hat», so Zemp. «Mit jedem Millimeter Meeresspiegelanstieg werden bis zu 300'000 zusätzliche Menschen einmal im Jahr überflutet.»
Gletscher seien damit nach der Erwärmung der Ozeane der zweitgrösste Verursacher für den steigenden Meeresspiegel. Das Schmelzen des Grönland-Eisschildes, des antarktischen Eisschildes und die Wasserspeicherung an Land trugen bisher weniger dazu bei.
Besonders schlecht geht es dabei den Gletschern in den europäischen Alpen. Sie haben der Studie zufolge bereits 39 Prozent ihrer Masse verloren. Das deckt sich auch mit den Zahlen zur Schweizer Gletscherschmelze. Die Schweizer Gletscher haben Daten des Schweizer Gletschermessnetzes Glamos zufolge zwischen 2000 und 2024 rund 38 Prozent an Volumen verloren.
Auch die Gletscher im Kaukasus (-35 %), Neuseeland (-29 %), Nordasien (-23 %), Westkanada & USA (-23 %) und die tropischen Gletscher (-20 %) haben hohe Verluste erlitten.
Da es global gesehen bei uns relativ wenig Eis gebe, hätten die europäischen Gletscher aber vergleichsweise wenig zum Meeresspiegelanstieg beigetragen, erklärte Zemp. Für rund einen Millimeter Anstieg seien die europäischen Gletscher verantwortlich. Auf den antarktischen Inseln sei mit zwei Prozent zwar relativ gesehen wenig Eis verloren gegangen. Mit ihren viel grösseren Gletscherflächen seien sie aber trotzdem die Hauptverursacher des Anstiegs des Meeresspiegels.
«In den europäischen Alpen werden die Gletscher bei dieser Schmelzrate das Jahrhundert nicht überstehen», stellte Zemp klar. «Der Schaden ist angerichtet», so der Forscher. «Selbst wenn wir das Klimaproblem heute lösen würden, würden die Gletscher weiterschmelzen». Denn Gletscher reagieren laut dem Forscher mit einer Verzögerung auf Klimaveränderungen. Bis 2050 werden laut Zemp weitere 10 bis 20 Prozent des Gletschereises verloren gehen.
In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts jedoch hänge das Ausmass des weiteren Gletscherschwunds stark von unserem Handeln ab. Ohne wirksame Klimaschutzmassnahmen könnten bis zum Jahr 2100 bis zu 50 Prozent des Gletschereises verschwunden sein. Mit entschiedenen Gegenmassnahmen könnte dieser Wert auf etwa 25 Prozent begrenzt werden, so Zemp. «Da zählt jedes Zehntelgrad», betonte der Forscher. (leo/sda)