Während und kurz nach der Pandemie war sich die Branche einig: Die Zeit der Billigpreise für Flugtickets ist vorbei. Überkapazitäten im Markt werde es bis auf längere Sicht nicht mehr geben. Zu gross sei Schock der grössten Krise in der Geschichte der Luftfahrt. Sprich: Ökonomische und ökologische Vernunft würden sich durchsetzen.
Und nun dies. Die Swiss wirbt auf mehreren Kanälen für Flüge ab Zürich in die USA zu Preisen, die aufhorchen lassen. Einmal nach New York und wieder zurück gibt es ab 404 Franken. Über den Atlantik und über das ganze Land bis an die Westküste nach San Francisco und Los Angeles: Gerade mal ab 504 und 544 Franken ist man dabei.
Und auch die anderen US-Ziele sind über Monate hinaus spottbilig zu haben. Chicago-Reisen gibt es ab 411 Franken, Flüge nach Boston ab 413, nach Miami ab 493 Franken. In die kanadische Metropole Montreal fliegt man ab 403 Franken – alles inklusive Rückflug. Der Mindestaufenthalt beträgt sechs Tage.
Ein Koffer kann bei diesen Tickets nicht aufgegeben werden – zumindest nicht zu diesem Ticketpreis, da es sich um die «Economy Light»-Kategorie handelt. Allerdings lässt sich ein Check-in-Gepäckstück ab 70 Franken dazubuchen. Auch in diesem Fall bleiben die Preise somit überdurchschnittlich tief. So kostete ein Direktflug von Zürich nach San Francisco vor der Pandemie in der Economy gut und gerne 1200 Franken. Oder mehr. Was zudem auffällt: In der Business Class sind derartige Preisaktionen nicht zu finden.
André Lüthi, Mitinhaber der Globetrotter Group und Vorstandsmitglied des Schweizer Reiseverbands, sagt, er sehe grundsätzlich viel Positives an der Swiss. Mit der neusten Preisoffensive habe er aber Mühe: «Bei diesen Preisen erhält man den Eindruck, als ob die Branche nichts aus der Krise gelernt habe.» Anstatt die Kapazitäten anzupassen, würden die Airlines wieder versuchen, ihre Flugzeuge mit Dumpingpreisen zu füllen.
«Diese Entwicklung ist irgendwie bedauerlich», sagt Lüthi, «und sie lässt sich nur schwer vereinbaren mit dem Ziel der Branche, nachhaltiger zu werden.» Denn Billigpreise wie diese würden die Wertigkeit einer Flugreise untergraben. «Bei rund 500 Franken werden sich viele Leute verständlicherweise denken, wieso fliegen wir nicht rasch nach San Francisco für ein paar Tage? Das sind Flüge, auf die man sonst vielleicht verzichten würde und somit der entsprechende CO₂-Ausstoss nicht verursacht würde.»
Kommt hinzu, dass die Swiss damit eine Spiralwirkung in Gang setze:
Swiss-Sprecher Mike Pelzer sagt auf Anfrage, die Anzahl verfügbarer Tickets zu diesen Preisen sei begrenzt und variiere von Flug zu Flug. Es handle sich nicht um eine reine Preiskampagne, sondern man wolle generell auf das US-Streckennetz aufmerksam machen und etwas Reiselust wecken. Aktuell fliegt die Swiss insgesamt viermal täglich nach New York und zweimal täglich nach Boston und Chicago. Dazu kommen mindestens eine tägliche Verbindung nach Miami sowie Flüge nach Los Angeles und San Francisco. Die Kampagne laufe seit einem Monat und voraussichtlich bis Mitte November.
Auf die Frage, wie derart tiefe Preise für Langstreckenflüge mit der Nachhaltigkeitsstrategie der Swiss vereinbar seien, antwortet Pelzer: «Es handelt sich hier nicht um neue Preise, sondern um die jeweils günstigste Ticketkategorie, wie sie je nach Strecke aktuell bereits besteht.» Ob einzelne Tickets zu den günstigsten Preisen für sich allein kostendeckend sind, sagt er nicht. «Entscheidend ist die Gesamtrechnung eines Flugs.» Diese setze sich aus verschiedenen Ticketkategorien und Buchungsklassen zusammen. (bzbasel.ch)