Mehr Geld für die AHV ist populärer als ein höheres Rentenalter. Auf diesen simplen Nenner kann man die Resultate der beiden AHV-Vorlagen bringen, über die wir heute abgestimmt haben. Die Zusatzfinanzierung via Mehrwertsteuer wurde komfortabel angenommen. Selbst das bei dieser Vorlage notwendige Ständemehr war kein Problem.
Ultra knapp aber war das Ja zur eigentlichen Reformvorlage, der AHV 21. Es ist aus mehreren Gründen erfreulich. Erstmals seit 27 Jahren wurde wieder eine Reform der Altersvorsorge angenommen. Einen weiteren Stillstand konnte sich die Schweiz nicht leisten. Die Bürgerlichen bemühten sich zudem um eine ausgewogene Vorlage.
So erhalten neun Übergangsjahrgänge eine Kompensation für das Frauenrentenalter 65. Diese Anpassung war schlicht überfällig, denn gerade in der AHV sind die Frauen alles andere als benachteiligt. Sie zahlen weniger ein als die Männer und beziehen die Mehrzahl der Rentengelder, und das dank der höheren Lebenserwartung erst noch länger.
Dennoch dürfte eine deutliche Mehrheit der Frauen – sowie der Romands und Tessiner – die AHV 21 abgelehnt haben. Dazu haben nicht nur «egoistische» Gründe beigetragen. Die Gleichstellung der Frauen im Berufsleben ist und bleibt in der Schweiz ein Trauerspiel. Man kann es den Frauen nicht verdenken, dass sie den Stimmzettel als Denkzettel benutzten.
Das ist auch ein Wink an links. Das Nein-Lager führte eine Kampagne mit fragwürdigen bis unwahren Argumenten, zum Rentenalter 67 und zu angeblichen finanziellen Verlusten der Frauen. Mit einer klügeren Kampagne, die sich auf die reale Benachteiligung der Frauen konzentriert hätte, wäre ein Sieg angesichts des knappen Ergebnisses realistisch gewesen.
Für die Bürgerlichen bedeutet dies, dass sie sich auf ihren Erfolg über die Linke nichts einbilden dürfen. Von einer Zeitenwende, die etwa der Gewerbeverband heraufbeschwört, kann keine Rede sein. Spätestens wenn sie eine allgemeine Erhöhung des Rentenalters anpeilen, etwa mit der Volksinitiative der Jungfreisinnigen, droht ihnen eine kalte Dusche.
Die erste Bewährungsprobe ist die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG), die im Parlament blockiert ist. Es besteht Absturzgefahr, auch wenn die Bürgerlichen treuherzig erklären, die strukturellen Verbesserungen für Beschäftigte mit tiefen Löhnen, und das sind zum grossen Teil Frauen, seien unbestritten. Ein Scheitern der Reform wäre jedoch fatal.
Man kann es nicht oft genug betonen: Die Frauen werden nicht in der ersten, sondern in der zweiten Säule benachteiligt. Ihre Gesamtrente ist im Durchschnitt rund ein Drittel tiefer als jene der Männer, weil sie häufig nur geringe oder gar keine Beiträge in die Pensionskasse einzahlen können. Die Bürgerlichen sind in der Pflicht, diesen Missstand zu beseitigen.
Der Knackpunkt bei der Pensionskassen-Reform aber ist die Kompensation für den tieferen Umwandlungssatz. Die Lehre aus der heutigen Abstimmung ist, dass sich die Bürgerlichen nicht lumpen lassen dürfen. Sonst könnte die Linke Auftrieb erhalten für ihre Bestrebungen, die AHV zulasten der beruflichen Vorsorge zu stärken und massiv auszubauen.
Je länger wir diese Reformen hinausschieben, desto schmerzhafter werden sie für die, die sie dann betreffen.