Wir werden immer älter und beziehen immer länger eine Rente. Das bringt die AHV, unser populärstes Sozialwerk, in finanzielle Schieflage, auch weil weniger Junge in die Arbeitswelt nachrücken. Seit 27 Jahren ist jedoch keine Reform der Altersvorsorge mehr gelungen. Alle Anläufe scheiterten entweder im Parlament oder in der Volksabstimmung.
Vor fünf Jahren misslang der ambitionierte Versuch, die erste und die zweite Säule mit der Altersvorsorge 2020 gleichzeitig zu reformieren. Nun wird am 25. September über eine neue Vorlage abgestimmt, die AHV 21. Sie ist bescheidener angelegt und umfasst nur die erste Säule. Im Zentrum steht die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre.
Die Linken bekämpfen die von den Bürgerlichen geprägte Reform mit dem Referendum. Ihnen ist die Angleichung des Frauenrentenalters an jenes der Männer ein Dorn im Auge. Ein wichtiges Argument ist der Verweis auf die Ungleichheit bei den Renten. Tatsächlich erhalten Frauen im Durchschnitt rund ein Drittel weniger als die Männer.
Das ist keine Kleinigkeit, und doch ist die Verknüpfung mit der AHV-Reform zumindest fragwürdig. Denn bei genauer Betrachtung ist nicht die erste Säule das Problem. Dort waren die Frauen früher in der Tat krass benachteiligt, vor allem jene, die sich jahrelang um den Haushalt und die Kinder gekümmert und nichts in die AHV-Kasse einbezahlt hatten.
Kam es in späteren Jahren zur Scheidung, erhielten die Frauen kaum mehr als die Minimalrente. Dieses Manko wurde mit der 1995 vom Stimmvolk angenommenen 10. AHV-Revision ausgebügelt. Das Frauenrentenalter wurde sogar um zwei Jahre erhöht, von 62 auf 64 Jahre. Als «Gegenleistung» wurden substanzielle Verbesserungen eingeführt.
Dazu gehörten das Einkommens-Splitting sowie Erziehungs- und Betreuungsgutschriften, die in erster Linie den Frauen zugutekamen. Heute gibt es bei den AHV-Renten kaum noch einen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Die Frauen profitieren unter dem Strich sogar, wegen der höheren Lebenserwartung und weil die Männer mehr einzahlen.
Wo also liegt das Problem? Selbst die Gegner der AHV 21 räumen im Kleingedruckten ein, dass die um ein Drittel tieferen Frauenrenten auf dem Gesamtsystem basieren, also AHV, BVG und dritter Säule. Das Hauptproblem sind die Pensionskassen. Die zweite Säule benachteiligt strukturell Menschen mit tiefen Einkommen, und das sind vor allem Frauen.
Das liegt am sogenannten Koordinationsabzug. Er beträgt derzeit 25'095 Franken, was sieben Achteln der AHV-Maximalrente entspricht. Dies reflektiert die Vorgabe, dass die berufliche Vorsorge die AHV ergänzen soll. Weshalb aus dem Einkommen minus dem Koordinationsabzug der im BVG-Obligatorium versicherte Lohn berechnet wird.
Das ist ziemlich «technisch», aber letztlich liegt es auf der Hand, dass Menschen mit tiefen Einkommen deshalb keine Chance haben, ein substanzielles Pensionskassenvermögen aufzubauen. Gerade typische Frauenberufe sind häufig schlecht bezahlt. Frauen arbeiten zudem oft Teilzeit, was das Problem zusätzlich verschärft und zu einer tiefen Rente führt.
An sich hat die Politik das Problem erkannt. Die Reform der beruflichen Vorsorge befindet sich in den Mühlen der parlamentarischen Beratung. Der Nationalrat hat sie in der letztjährigen Wintersession behandelt. Er hat den Koordinationsabzug auf 12'443 Franken halbiert und das Eintrittsalter in die zweite Säule von 25 auf 20 Jahre gesenkt.
Derzeit steckt die Reform im Ständerat fest, worüber sich die bürgerliche Frauenallianz ärgert, die sich für die AHV 21 einsetzt und im Hinblick auf die Abstimmung gerne etwas Greifbares vorgezeigt hätte. Ihre Vertreterinnen können sich vorstellen, dass der Koordinationsabzug ganz abgeschafft oder prozentual an Teilzeitpensen angepasst wird.
Einige Arbeitgeber machen dies schon heute von sich aus. Die Linke wird sich mit solchen Korrekturen kaum begnügen. Wenn sie die AHV-Reform mit Verweis auf die geringeren Frauenrenten bekämpft, schlägt sie den Sack, meint aber den Esel der gesamten Altersvorsorge. Denn viele haben ein grundsätzliches Problem mit den Pensionskassen.
Die AHV ist wegen der «gedeckelten» Maximalrente eine veritable «Gleichmacherin». Grossverdiener wie Sergio Ermotti oder Severin Schwan zahlen viel mehr ein, als sie jemals daraus beziehen werden, selbst wenn sie den 100. Geburtstag feiern können. In der Pensionskasse aber sparen alle für sich. Ein hohes Einkommen führt zu einer hohen Rente.
Ein Teil der Linken möchte das BVG-System deshalb zurückbauen und die AHV stärken. Oder die erste und die zweite Säule zu einer «Volkspension» verschmelzen, ein alter Traum von SP und Gewerkschaften. Das ist in absehbarer Zeit nicht realistisch, also setzt man auf andere Wege wie die Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente.
Der Kampf gegen die AHV 21 mit Verweis auf die ungleichen Renten aber bleibt zweifelhaft. Das rotgrüne Frauenkomitee, das am nächsten Montag vor die Medien tritt, rückt deshalb ein weiteres Argument ins Zentrum, die fehlende Gleichstellung von Mann und Frau in der Berufswelt. Es ist ein berechtigtes Anliegen, aber auch eine Baustelle für sich.
Sehr viele Leute waren und sind beratungsresistent.
Viel zu viele interessieren sich nicht wirklich um unser Sozialsystem und wie es funktioniert.
Schwierig ist es nämlich nicht - "man" müsste sich nur ernsthaft darum interessieren.
Für das A stimmt das, beim H werden Männer krass benachteiligt (nur bis Kinder 18 jährig). Alles in allem erhalten Frauen im Schnitt dadurch bereits heute mehr AHV als Männer.