Die Freiheit schrumpft von links und rechts – ausgerechnet Roger Köppel könnte uns retten
Kaum war die Tat verübt, kippte in Amerika die Stimmung: Wer sich spöttisch über die Ermordung des rechten Aktivisten Charlie Kirk äusserte, musste plötzlich mit Repressionen rechnen. Universitäten warfen Studenten raus, Arbeiter verloren ihre Jobs. Der Fernsehsender ABC setzte wegen eines Kommentars zum Attentäter die Show des bekannten Satirikers Jimmy Kimmel ab – nachdem die Regulierungsbehörde FCC Druck auf den Sender ausgeübt hatte.
Der republikanische Vizepräsident blies gar zur Jagd auf linke Stimmen, die abfällig über Kirk sprachen. Dabei war es JD Vance selbst, der vor wenigen Monaten Europa belehrte, was Meinungsfreiheit sei. Nun ist es seine eigene Regierung, die kritische Äusserungen mit der Gewalt des Staates bestraft. Ein Land, das einst stolz auf die ungefilterte Debattenkultur war, reagiert auf verbale Entgleisungen mit einem Klima der Einschüchterung.
Die Schieflage ist keine rein amerikanische – und beschränkt sich auch nicht auf die Rechten. In Europa wird der Drang zum Maulkorb ebenfalls grösser. In Deutschland verlor die junge Journalistin Julia Ruhs ihre Sendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Ihr Vergehen? Sie vertritt eine konservative Weltsicht. In ihrem TV-Format berichtete sie kritischer über Migration als der Rest des politisch links verorteten Imperiums um ARD und ZDF. 250 Kolleginnen und Kollegen mobbten sie daraufhin per Protestbrief aus dem Programm.
Parallel dazu verschärfen EU-Regeln den Druck auf Social-Media-Plattformen. Im Zweifel löschen diese dann nicht nur strafbare Aussagen, oder auch kontroverse Beiträge, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sind.
In Grossbritannien reicht schon ein unbedachter Post in den sozialen Medien, um ins Gefängnis zu wandern. Ein deutscher Rentner bekam Besuch von der Polizei, weil er den Grünen Robert Habeck einen «Schwachkopf» nannte. Auch Online-Beleidigungen gegen Kanzler Friedrich Merz führten schon zu Hausdurchsuchungen.
Beide politischen Lager bedienen sich derselben Reflexe. Die Linke rechtfertigt Sprachkontrolle mit Minderheitenschutz. Die Rechte missbraucht Machtinstrumente, um Gegner mundtot zu machen. Der Effekt ist derselbe: ein schmaler werdendes Fenster dessen, was öffentlich sagbar ist.
Die Schweiz als letzter freier Marktplatz der Ideen?
Dabei ist Meinungsfreiheit das Fundament jeder Demokratie. Sie lebt vom Streit über das, was andere für falsch, empörend oder geschmacklos halten. Dass die US-Regierung von Donald Trump nun wegen genau solcher Einlassungen gegen Andersdenkende vorgeht, ist vor allem deshalb alarmierend, weil Trump mehrfach bewiesen hat, dass er sich in seiner Politik an keine Grenzen gebunden fühlt. Aussagen seines wichtigen Vordenkers Stephen Miller lassen dabei Böses erahnen: Die Demokratische Partei bezeichnet dieser mittlerweile öffentlich als «extremistische Organisation».
Für den demokratiefeindlichen Weg, den politischen Gegner nicht mehr mit Argumenten zu stellen, sondern einfach zu verbieten, haben sich die deutschen Grünen bereits entschieden. Sie werben mal wieder für ein AfD-Verbotsverfahren. Auch die SPD liebäugelt mit dem Antrag. Laut einer aktuellen Umfrage befürworten 42 Prozent der Deutschen ein Verbot. Die AfD gewinnt derweil bei jeder Umfrage weiter an Stimmen.
Hierzulande ist der Meinungskorridor zum Glück noch breiter. Die Schweiz mit ihrer offenen Diskussionskultur wirkt bisweilen gar wie der letzte verbliebene echte Marktplatz der Ideen. Doch auch dieser ist in Gefahr. Das bekam etwa die Grüne Meret Schneider zu spüren, als sie eine stärkere Regulierung und notfalls Sperrung von Social-Media-Plattformen forderte – und daraufhin ein beispielloser Shitstorm über sie hereinbrach. Diesen befeuerte damals auch Roger Köppel, der wiederum selbst mehrfach wegen seiner politischen Meinung zum Ziel von Angriffen wurde.
Ausgerechnet Köppel schickt sich nun an, die Streitkultur der Schweiz zu verteidigen. Denn auch bei uns zögen sich die Leute immer mehr in Blasen von Gleichgesinnten zurück, sagt der «Weltwoche»-Verleger. Deshalb geht er jetzt auf Tour. An Universitäten will er, nach dem Vorbild von Charlie Kirk, das Gespräch mit Andersdenkenden suchen.
Sein Vorhaben ist, ganz unironisch, ein echter Dienst an der Demokratie. Denn öffentliche Debatte ist ihr Wesenskern. Köppels Format könnte dabei sogar zum Exportschlager werden: für all jene Länder, die verlernt haben, jemanden ausreden zu lassen, auch wenn er Unsinn erzählt. (aargauerzeitung.ch)