In der Debatte über das Medienpaket geht ein wichtiger Aspekt vergessen: Wenn wir vom Journalismus sprechen, dann geht es nicht nur um irgendeine Wirtschaftsbranche, die Artikel, Berichte und Recherchen in Stückzahl «produziert». Medien haben in den vergangenen zwei Jahrhunderten eine wichtige Rolle als Chronisten der Gesellschaft eingenommen.
Wer schon mal in seinem Leben recherchiert hat, weiss was damit gemeint ist: Wer wissen will, wie sich etwas in der Politik oder Wirtschaft entwickelt hat, konsultiert die Archive der Zeitungen. Die Schweizer Mediendatenbank (mit rund 40 Millionen Texten seit 1780) wurde dank der Vorarbeit meiner Vorgängerinnen und Vorgänger zum Lieblingswerkzeug von Journalistinnen und Historikern. In der Zürcher Zentralbibliothek liegen viele alte Tageszeitungen zudem auf Mikrofilm vor.
Wer sich in den Untiefen dieser Archive schon mal verirrt hat, weiss: Der Journalismus früher war nicht perfekt. Es gab die Parteizeitungen, die Presseethik war noch nicht so weit entwickelt. Sie produzierten auch mal schwergradigen Blödsinn. Dazwischen gab es aber wirkungsmächtige Recherchen. Diese chronistische und investigative Arbeit macht den Journalismus zur vierten Gewalt innerhalb des Staates.
Jetzt haben wir aber das Problem, dass es dieser Branche nicht gut geht. Die Digitalisierung schuf zwar sehr viele Möglichkeiten, von denen auch Medien wie watson profitierten. Die negativen Auswirkungen spürt man aber sowohl bei klassischen Zeitungen, als auch bei Online-Medien: Die Werbeeinnahmen werden kleiner. Die Politik erkannte das als Problem an, weil Zeitungen verschwanden und weitere Umbrüche drohen. Die Furcht ist nicht unbegründet: In den USA gibt es heute Regionen und Städte, über die keine Journalistin und kein Journalist mehr berichtet.
Nun stimmen wir am 13. Februar über ein Mediengesetz ab, das aus Ideen und Bedürfnissen der Verlegerinnen und Medienunternehmer – ohne aber eine grosse Mitwirkung der eigentlich direkt betroffenen Journalistinnen und Journalisten – entstand.
So überrascht es nicht, was der Abstimmungskampf bislang lieferte: Verleger verteidigen das Mediengesetz als Rettung des «unabhängigen Journalismus» – ja gar als Sicherung der «Meinungsfreiheit». Nur haben ihre Argumente am Ende wenig mit der tatsächlichen redaktionellen Arbeit zu tun: Die erhofften staatlichen Gelder werden zweckgebunden sein oder nur als Bruchteil bei den Redaktionen landen. Um wirklich den Journalismus zu fördern, bräuchte es bessere Massnahmen. Die Digitalisierung liefert dazu unendliche Möglichkeiten – sie wurde jedoch von vielen Verlagen verschlafen oder nicht für den Journalismus eingesetzt.
Wir Journalisten tragen hier eine Mitverantwortung: Wir hielten uns mit Kritik oder Vorschlägen an unseren Chefinnen und Chefs zurück. Und schweigen nun mehrheitlich im Abstimmungskampf über das mittelmässige Mediengesetz, das seine Vor- und Nachteile hat. Die Konsequenz: Die Debatten werden einmal mehr von Verlagschefs und Medienunternehmerinnen dominiert, die kaum jemand kennt und dementsprechend kein grosses Vertrauen bei der Bevölkerung geniessen.
Auf der Gegenseite stehen selbsternannte «Journalisten» wie Ex-«Weltwoche»-Vize Philipp Gut oder «Nebelspalter»-Chef Markus Somm. Ihre Interessen sind jedoch dieselben wie jene der SVP, deren Vertreter wie Roger Köppel oder Christoph Blocher ihre Art des «Journalismus» als politisches Werkzeug betrachten. Als scharfzüngige Rhetoriker schaffen sie es, die Abstimmungsdebatte mit Steve Bannons Strategie «Flood the Zone with Shit» zu dominieren.
Bei dieser Konstellation haben Journalistinnen und Journalisten, welche dieser Bezeichnung tatsächlich würdig sind, das Nachsehen: Unsere Arbeit als Chronistinnen und Rechercheure der Bevölkerung wird nicht einfacher. Gibt es wider Erwarten ein «Ja», bleiben am Ende für uns bloss Brotkrumen übrig. Zudem bleiben viele Fragen zur Zukunft unseres Jobs unbeantwortet. Bei einem «Nein» ist offen, ob sich das Parlament auf ein besseres Gesetz einigen kann.
Wir hätten etwas gegen diese Konstellation tun können: Hinstehen und mitreden. Als Profis wissen wir schliesslich, wie das geht: Wir berichten jeden Tag mit unserem Namen öffentlich über unsere Arbeit – und geniessen damit in der Regel grosses Vertrauen in der Bevölkerung. Die Selbstkasteiung bei uns selbst betreffenden politischen Stellungnahmen mag zwar zum Berufsethos gehören. Bei der Debatte zum Mediengesetz schadet sie aber.
Nur hätte so ein Leitartikel vor 1,5 Jahren erscheinen müssen während dem Gesetzgebungsprozess zum neuen MedienGesetz. Und zwar möglichst unterzeichnet von vielen namhaften Journalisten aus allen Landesteilen und Zeitungen.
Nun gilt es zu hoffen, dass das wahrscheinliche Nein zum Mediengesetz nicht falsch gedeutet wird (was ich befürchte).
Ihr Journalisten und wir Bürger sollten alles daran setzen, dass ein wirklich ausgewogenes und zukunftorientiertes Gesetz entstehen kann, welches in erster Linie dem Journalismus dient.