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Tee-Trinken mit Superreichen und Schlange-Stehen mit Armutsgefährdeten

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Tee-Trinken mit Superreichen und Schlange-Stehen mit Armen – das hat Spuren hinterlassen

Vor Kurzem verbrachte ich einen Tag mit Millionären in ihren Villen und wartete am nächsten mit über 400 Mittellosen auf die kostenlose Essensausgabe. Diese zwei Extremen haben Spuren hinterlassen.
18.10.2023, 20:0219.10.2023, 12:26
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An einem Ort gab es Sirocco-Tee und dazu frisch gebackene Kekse. Am anderen Ort gab es Konservendosen zum Mitnehmen.

Für zwei verschiedene Storys habe ich diese Extreme erlebt: Ich interviewte Millionäre in ihren Zürichsee-Villen, da ihnen die Enteignung für einen durchgehenden Uferweg droht.

Und ich sprach mit Armutsgefährdeten und Mittellosen, die in Zürich in der Warteschlange für die Gratis-Essens- und Kleiderausgabe warteten.

Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Ich glaube, sie würden sich gut verstehen, die Millionärin und die Verarmte. Obwohl die eine auf tausenden Quadratmetern lebt und die andere auf der Strasse.

«Die eine lebt, die andere überlebt. Doch trotz ihrer Verschiedenheiten haben sie auch Gemeinsamkeiten.»
Video: watson

Die Unterschiede zwischen ihnen fallen jedem auf. Während die eine ihre eigene Haushälterin hat, ist die andere auf Gratis-Essensausgaben angewiesen. Die eine lebt, die andere überlebt. Doch trotz ihrer Verschiedenheiten haben sie auch Gemeinsamkeiten.

Würden sie miteinander reden, würden sie erfahren, dass sie beide Tiere lieben. Die eine füttert die Vögel in ihrem Garten. Die andere beobachtet nachts die Marder im Stadtpark.

Sie würden erfahren, dass sie beide die Natur lieben. Das Gefühl der Morgensonne auf ihrer Haut. Die frische Brise, die ihnen durch die Haare windet. Oder der langersehnte Regen nach einem Hitzetag.

Alles oder nichts

Sie würden realisieren, dass sie eigentlich für dasselbe leben: die Sicherheit, sein zu dürfen, wie sie wollen. Nur bedeutet Sicherheit für die Millionärin, dass sie so weitermachen kann, wie sie es sich gewohnt ist und für die Verarmte bedeutet Sicherheit, dass sich alles ändert. Damit sich für die Mittellose alles ändert, müsste ein Wunder geschehen. Damit für die Millionärin alles gleich bleibt, muss gar nichts passieren. Wer hat wohl die besseren Chancen?

Video: watson
«Es geht nicht um Arm gegen Reich, sondern um Mensch mit Mensch.»

Die eine hat den Sechser im Lotto gezogen, die andere sucht nach der Nadel im Heuhaufen. Fair ist das vielleicht nicht, doch es ist das Leben. Es ist die Realität, die wir uns aufgebaut haben.

Es bleibt an uns allen zu entscheiden, wie wir das in Zukunft machen wollen. Doch um Lösungen zu finden, müssen wir miteinander reden und uns nicht nur gegenseitig die Schuld zuschieben. Es geht nicht um Arm gegen Reich, sondern um Mensch mit Mensch. Es ist an der Zeit, endlich etwas zu unternehmen – denn ich will nicht irgendwann über 4000 Mittellose berichten müssen, die in Zürich für kostenloses Essen oder Kleidung anstehen.

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Sie sind vermögend, wohnen am Zürichsee und wollen keinen Uferweg auf ihrem Grundstück
Video: watson
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74 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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ingmarbergman
18.10.2023 20:13registriert August 2017
Tax the rich!
In der Schweiz ist genug Geld da, damit für alle ein Mindestmass an würdigem Leben möglich ist.
Und den Superreichen bliebe immernoch mehr als genug, um damit weiterhin ihrer Dekadenz zu fröhnen.
Umverteilung muss nicht bedeuten dass alle gleich viel haben - nur dass niemand weniger hat als ein würdiges Minimum.
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Paul De Meo
18.10.2023 20:54registriert Juli 2017
«Mehr als 200 Millionäre und Milliardäre haben in einem offenen Brief die Regierungen weltweit aufgefordert, "uns, die Ultrareichen, sofort zu besteuern". Damit solle den Milliarden Menschen geholfen werden, die Schwierigkeiten haben, ihre Lebenshaltungskosten zu stemmen. Andernfalls könnten soziale Spannungen eine Gefahr für Demokratien werden. Die Gruppe gibt es seit 2010.» (n-tv, 23.01.23)

Aber keine Regierung ist dem Aufruf gefolgt.
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Der Eggu
18.10.2023 21:29registriert Januar 2017
Das Problem ist, dass die Reichen (-im Gegensatz zu den "Normalos"-) ungezählte Möglichkeiten haben, ihr wahres Einkommen und ihr wahres Vermögen zu verschleiern oder schöner ausgedrückt zu vermindern. Mithilfe von gut bezahlten Steuerberatern und Rechtsanwälten. Unser Steuersystem ist daher total ungerecht und es geht in manchen Fällen soweit, dass Schwerreiche noch Krankenkassenzuschüsse und für ihre Jungmannschaft Stipendien für das Studium erhalten. Wenn die Reichen im Verhältnis zu ihrem WAHREN Einkommen gleichviel Steuern zahlen müssten wie wir Normalos, dann hätten wir weniger Probleme.
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