In Dänemark wird bald einmal die letzte reguläre Poststelle geschlossen. Auch die A-Post soll gestrichen werden. Briefe werden nur noch mit mehrtägiger Verzögerung zugestellt. Mit diesen knallharten Massnahmen reagiert die dänische Post auf die Digitalisierung, die ihr Kerngeschäft unrentabel macht und ihr hohe Defizite beschert.
Von derartigen Zuständen sind wir in der Schweiz weit entfernt. Die hiesige Post schreibt satte Gewinne und kann ein vergleichsweise grosses Filialnetz betreiben. Obwohl die Digitalisierung auch bei uns nicht aufzuhalten ist, bietet kaum ein anderes Land ein so gutes Service-Public-Angebot, sowohl im öffentlichen Verkehr wie bei Post und Telekommunikation.
Damit steigt aber auch die Anspruchsmentalität. Anders lässt sich die während langer Zeit hohe Zustimmung zur Volksinitiative «Pro Service Public» kaum erklären. Noch in den letzten Umfragen wurde eine relative Ja-Mehrheit verzeichnet. Viele Menschen empfinden die Schliessung von Poststellen und Bahnschaltern nicht als notwendigen Umbau, sondern als Abbau.
Die Gegner haben die Initiative lange unterschätzt – kein einziger Parlamentarier im Bundeshaus hatte dafür gestimmt. Ihre Kampagne begann spät, dafür umso intensiver, und sie hatte Erfolg. Auf der Zielgeraden kam es zu einem massiven Stimmungsumschwung und zu einem Nein, das in dieser Deutlichkeit kaum zu erwarten war. Auch die Randregionen waren klar dagegen.
Den Ausschlag gab wohl das Hauptargument des Nein-Lagers: Mit einem Ja zur Initiative wird kein Zugs-WC sauberer und keine geschlossene Postfiliale wieder eröffnet. Tatsächlich war das Volksbegehren aus der «K-Tipp»-Küche eine Missgeburt der direkten Demokratie. Wenn Initiant Peter Salvisberg ständig betonen musste, er wolle weder Gewinne noch Quersubventionierungen verbieten, widersprach er dem eigenen Initiativtext.
Wären die Initianten ehrlich gewesen, dann hätten sie die Rückumwandlung der «verselbständigten» Unternehmen SBB, Post und Swisscom zu reinen Bundesbetrieben fordern müssen. Oder das Gegenteil, die totale Privatisierung und damit mehr Wettbewerb. Aber dazu hatten sie anscheinend nicht den Mumm, also fabrizierten sie ihre vermurkste Initiative. Die Abfuhr durch das Stimmvolk ist wohl verdient.
Der Unmut, der in den Umfragen manifest wurde, wird jedoch nicht verschwinden. Es geht dabei nicht nur um die hohen Managerlöhne. Die Schweizerinnen und Schweizer sind bereit, ein gewisses Mass an Einkommensungleichheit zu tolerieren. Aber sie reagieren sehr empfindlich, wenn sie das Gefühl bekommen, sie würden ungleich behandelt – vor allem bei jenen Dienstleistungen, die sie als Service Public verstehen.
Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, wenn ältere und digital überforderte Menschen und Bewohner von Randregionen sich benachteiligt und abgehängt fühlen. Wir Schweizer sind verwöhnt, könnte man argumentieren. Aber die Schweiz ist nicht Dänemark. Deshalb ist Übermut angesichts des klaren Neins nicht angebracht. Die im Parlament hängige Forderung nach einer Privatisierung der Swisscom etwa könnte an der Urne eine genauso deutliche Abfuhr erleiden wie die missglückte Initiative.
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