Die Netflix-Produktion «Wednesday» brach vor drei Jahren Zuschauerrekorde. Von der Mystery-Serie erhofft sich auch der US-Schmuckhändler Claire’s viel. Er hat pünktlich zum Beginn der zweiten Staffel Anhänger, Socken und Schreiber im Look der makabren Addams Family ins Sortiment genommen. Doch während Netflix zuletzt Rekordgewinne schrieb, sieht es bei Claire’s trotz der Bemühungen, Anschluss an die Popkultur zu finden, düster aus. Vergangene Woche musste der Händler in den USA Insolvenz anmelden.
Es ist das zweite Mal seit 2018, dass Claire’s ein Sanierungsverfahren nach dem sogenannten Chapter 11 beantragt. Dieses hat Ähnlichkeiten mit der hiesigen Nachlassstundung und ermöglicht es dem Unternehmen, sich zu reorganisieren, während es vor Forderungen von Gläubigern geschützt ist.
Dass Claire’s dieses Mal eine zukunftsfähige Lösung findet, ist allerdings zweifelhaft. Zwar hat das Management angekündigt, 700 der über 2700 Läden weltweit in 17 Ländern schliessen zu wollen und so profitabler zu werden. Zudem seien Gespräche mit Investoren im Gang.
Doch die Probleme sind gross: Claire’s hat zwischen 1 und 10 Milliarden US-Dollar Schulden, wie aus den Insolvenz-Unterlagen hervorgeht. Per Ende Jahr muss die Firma ein Darlehen von 496 Millionen US-Dollar (etwa 400 Millionen Franken) zurückzahlen.
Nun kommen noch die Importzölle hinzu, die US-Präsident Donald Trump für verschiedene Länder verhängt hat – etwa für China, von wo Claire’s einen grossen Teil seiner Ware bezieht. Die Ringe, Piercings oder Haarspangen, die Claire’s verkauft, dürften damit teurer werden, was die junge, preissensitive Kundschaft kaum goutieren dürfte. Wer bei Claire’s einkauft, sucht Schnäppchen. So gibt es hierzulande zwei künstliche Wimpern für 8 Franken, ein Set Haargummis für 7.90 Franken oder Armreifen für 11.90 Franken. Der Schweiz-Aufschlag ist allerdings happig und beträgt gegenüber dem Euro-Preis über 60 Prozent. Claire’s lockt zudem oft mit Aktionen wie «Kaufe 3, bekomme 3 gratis».
Im wichtigsten Markt, den USA, hat Claire’s noch ein weiteres Problem. Die Stimmung der Konsumenten ist düsterer als im Vorjahr, auch wenn sie sich zuletzt aufhellte. US-Konsumentinnen und -Konsumenten rechnen mit einer hohen Inflation. Das führt zu Unsicherheit und Zurückhaltung bei nicht notwendigen Käufen. Zu den Opfern dieser Trends gehört auch der US-Einzelhändler Forever 21, der vor kurzem Insolvenz anmelden musste und wie Claire’s stark auf Läden in US-Einkaufszentren setzte.
Gegen einen weiteren Trend sind Händler wie Claire’s zudem fast machtlos: Die Konsumentinnen und Konsumenten kaufen immer öfter direkt bei chinesischen Online-Plattformen wie Shein und Temu ein, die ebenfalls Accessoires und Schmuck im Billigbereich verkaufen.
Wie hart diese Konkurrenz ist, musste in der Schweiz der Händler Coop erfahren. Er lancierte im Frühling 2024 das südkoreanische Konzept «Blingbox» als hiesiger Lizenznehmer, unter anderem mit einem Laden an bester Lage an der Zürcher Bahnhofstrasse. Das Konzept: Schmuck und Accessoires im «Einstiegspreissegment» an «junge oder jung gebliebene Kundinnen und Kunden» zu verkaufen – eine Kampfansage an Claire’s.
Schon nach wenigen Monaten zog Coop wieder den Stecker. Ende 2024 wurden die Läden geschlossen. Sie seien von Anfang an als Pilotprojekt konzipiert gewesen, teilte Coop damals mit. Die definierten Kennzahlen seien nicht erreicht worden.
In der Schweiz dominiert weiterhin Claire’s das stationäre Geschäft mit günstigem Schmuck und Accessoires. Hierzulande betrieb der Händler im Jahr 2024 laut Zahlen des Marktforschers GFK 15 Läden. Noch im Jahr 2015 waren es allerdings 55 gewesen. Die Schweizer Ableger sind trotz Insolvenz regulär geöffnet und gut besucht, wie ein Augenschein von CH Media in zwei Zürcher Filialen am Montag zeigt. Selbst neues Personal wird derzeit rekrutiert.
Wie es mit den Läden in der Schweiz weitergeht, ist offen. Claire’s reagierte am Montag nicht auf eine Anfrage von CH Media. Denkbar sind verschiedene Szenarien – etwa, dass ein Teil davon geschlossen wird, dass sich Claire’s ganz aus der Schweiz zurückzieht oder einen Investor für das hiesige Geschäft findet.
Zur Konkurrenz von Claire’s gehören hierzulande die australische Kette Lovisa oder die britische Kette Accessorize, die beide Läden beispielsweise in Zürich, Bern und Luzern betreiben. Auch Online-Händler wie Zalando verkaufen günstigen Schmuck und Accessoires, genauso wie stationäre Kleiderhändler wie Chicorée. (aargauerzeitung.ch)
Da hat der Insolventsverwalter aber ganz genau gerechnet...
Und dann bitte auch noch den Gratisversand aus China für die Schweizer Post kostendeckend machen.