Sie nerven wieder: Lügende Anrufer, die einen Termin für einen Kassenwechsel vereinbaren wollen. Schlecht ausgebildete Vermittler, welche diese Termine kaufen, um hohe Provisionen zu ergattern. Auch Krankenversicherer wissen, dass dieses dreiste Gebaren von Callcenter-Mitarbeitern und Vermittlern der Reputation schadet. Deshalb lancieren die im Verband Curafutura zusammengeschlossenen Kassenkonzerne CSS, Helsana, KPT und Sanitas verbindliche «Qualitätsstandards für die Zusammenarbeit mit Vermittlern und das Telefonmarketing».
Sie sollen im kommenden Herbst «erste Wirkung» zeigen, wie der Verband gestern mitgeteilt hat. Die Standards seien öffentlich zugängig, so CSS-Sprecher Christian Schönbächler: «Jeder Krankenversicherer kann sie umsetzen, auch Nichtmitglieder von Curafutura.» Auch Angehörige des Konkurrenzverbands Santésuisse seien eingeladen, dies zu tun.
Verzichten wollen die Curafutura-Konzerne insbesondere auf die «Kaltakquise» im Grund- und Zusatzversicherungsgeschäft. Das heisst: Vermittler dürfen keine Termine von Callcentern kaufen, welche Kunden ohne deren vorherige Zustimmung anrufen. Daher werde sich die Generierung von Kontakten in Zukunft auf Online-Kampagnen oder soziale Medien verlagern, sagt Sanitas-Sprecherin Isabelle Vautravers: «Die Bevölkerung sollte daher weniger durch Werbeanrufe belästigt werden.»
Auch Assura, Swica, Sympany und Visana verlangen gemäss Sprechern, dass Callcenter-Mitarbeiter und Vermittler sowohl bei Abschlüssen von Grund- oder Zusatzversicherungen die gleichen Qualitätsstandards einhalten und auf Kaltakquise verzichteten. Ihr Verband Santésuisse ist laut einem Sprecher nur für die Grundversicherung zuständig, deshalb gilt die von ihnen unterschriebene Branchenvereinbarung für das Verbot von «unerwünschten Anrufen» nur dort. Die Grundversicherung ist in den meisten Fällen der Anknüpfungspunkt, um Kunden zu akquirieren. Daher wird das Verbot unerwünschter Anrufe wohl weiter unterlaufen. Um dies zu unterbinden, will Santésuisse einen Vorstoss lancieren, um das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb mit einem generellen Verbot von Kaltakquise per Telefon zu ergänzen.
Für Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz, ist und bleibt das «grösste Ärgernis» das Telefonmarketing: «Das hören wir auch von Konsumenten, die sich bei uns melden.» Um zu Kundenkontakten zu kommen, würden Kassen halt in Zukunft vermehrt Wettbewerbe lancieren: «Wer teilnimmt, gibt sein Einverständnis dazu, kontaktiert zu werden, oft ohne den entsprechenden Hinweis im Talon bemerkt zu haben.»
Zudem würden Callcenter versuchen, weiter Anrufer zu Gesprächen mit Vermittlern zu überreden, auch solche, die dies mit einem Sterneintrag ausgeschlossen haben: «Daher fordern wir, dass Krankenkassen auf Telefonmarketing verzichten. Nur das ist eine saubere Lösung.»
Das geht Curafutura-Direktor Pius Zängerle zu weit: «Telefonmarketing gehört zum Vertrieb. Problematisch ist für ihn, wenn Vermittler Termine wahrnehmen, die sie von Internetplattformen oder Adresshändlern kaufen und damit auf die Pirsch gehen: «Diese Kunden haben oft kein Einverständnis gegeben, angerufen zu werden, oder dies gar mit einem Sterneintrag im Telefonbuch ausgeschlossen.»
Zudem haben die Curafutura-Mitglieder vereinbart, in Zukunft nur noch mit qualitativ geschulten Vermittlern zusammenzuarbeiten. Dazu sagt Helsana-Sprecher Stefan Heini: «Die Vereinbarung soll dazu beitragen, dass unseriöse Vermittler vom Markt verschwinden.»
Allerdings wolle Curafutura es nun besonders gut machen und verlange, dass Kunden von Vermittlern ein Beratungsprotokoll unterschreiben, sagt Sara Stalder: «Wir hingegen raten, abgesehen vom Versicherungsvertrag, grundsätzlich keinerlei Unterlagen von Vermittlern zu unterschreiben.» Denn Vermittler hätten immer wieder versucht, mit der Vorspiegelung falscher Tatsachen zu Abschlüssen zu kommen: «Zum Beispiel, indem sie behauptet haben, der Kunde müsse eine Offertanfrage unterschreiben, die in Tat und Wahrheit ein Versicherungsantrag war.»
(trs)