Schweiz
Leben

Vor Ort an der Besichtigung des Lego-Jahrhundertfundes

1 / 24
Zu Besuch beim Lego-Jahrhundertfund
Aufregung in der Schweizer Lego-Szene: Das Konkursamt Uster traf bei der Räumung eines Nachlasses vor wenigen Tagen auf eine riesige Lego-Sammlung.
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Warum ich nach dem Besuch beim Lego-Schatz von Uster einen Sammler-Ärger verstehen kann

Zum ersten Mal konnten Liebhaber, Händler und Sammler den Lego-Jahrhundertfund aus Uster besichtigen. Auch watson war für einen Augenschein vor Ort und hat sich mit Lego-Nostalgikern über die kuriose Entdeckung und ihre Leidenschaft für die bunten Plastiksteine unterhalten.
10.11.2023, 05:0010.11.2023, 12:58
Ralph Steiner
Folge mir
Mehr «Schweiz»

«Als ich das gesehen habe, dachte ich: ‹Ach du Scheisse, das ist ja ein völliger Chabis›. Da ist durch den Medienhype ein Fantasiepreis entstanden, komplett fernab der Realität.» Reto ärgert sich ein wenig darüber, dass das Lego-Set 236 aus dem Jahr 1956 – Garage mit automatischem Tor – fälschlicherweise als das erste Lego-Set überhaupt die Runde gemacht hat. Auch besonders selten sei diese Garage nicht.

Die Garage mit automatischem Tor.
Die Garage mit automatischem Tor.bild: watson

Ab 1932 habe Lego Holzspielzeug produziert, das erste Lego-Set aus Plastik stamme aus dem Jahr 1949, erklärt mir der 25-Jährige aus dem Effeff, mit echtem Namen möchte er nicht in den Medien erscheinen. Im Moment (Stand, Donnerstagabend, 21 Uhr) beträgt das Höchstgebot für die Lego-Garage 1560 Franken, ein realistischer Betrag liegt für Reto zwischen 30 und 60 Franken.

Einer der allerersten Lego-Steine überhaupt. Produziert ab 1949/1950. Aus den verschiedenfarbigen Plastikresten des Spritzgussverfahrens wurden neue Steine gegossen und aufgrund des speziellen Aussehe ...
Einer der allerersten Lego-Steine überhaupt. Produziert ab 1949/1950. Aus den verschiedenfarbigen Plastikresten des Spritzgussverfahrens wurden neue Steine gegossen und aufgrund des speziellen Aussehens günstiger verkauft. Damals handelte es sich um sogenannte B-Ware, heute sind die Steine aufgrund ihrer Seltenheit heiss begehrt und mehrere hundert Franken wert – pro Stein.bild: zvg

«Das Interesse ist enorm»

Mit der S6 fahre ich vom Zürcher Hauptbahnhof nach Otelfingen. Gleich neben dem Bahnhof, in einem kühlen, alten Bürogebäude, befindet sich der Jahrhundertfund. Rund 600 originalverpackte Lego-Sets, mit Jahrgängen von 1956 bis 2021, grossmehrheitlich ungeöffnet. Darunter einige echte Perlen, wahre Sammlerstücke, die – wenn überhaupt – nur noch selten zu haben sind.

Beim Räumen eines von den Erben ausgeschlagenen Nachlasses ist das Konkursamt Uster auf diesen Lego-Schatz gestossen, die ersten 150 Sets werden aktuell versteigert. «Das Interesse ist enorm, eine Auktion wie jede andere ist das definitiv nicht», sagt Manfred Fuchs, Geschäftsführer der Fuchs Liquidationen GmbH. «Wir haben sogar Angebote von Privatpersonen, die uns ihre Sets verkaufen wollen, weil sie meinen, wir seien ein Legohändler.»

Damit sich Interessierte ein Bild von den Raritäten machen können, bot Fuchs am Donnerstag auf Voranmeldung einen zweistündigen Besichtigungstermin an. Am nächsten Montag zwischen 13 und 18 Uhr enden die Auktionsfristen für die ersten 150 Sets.

Liquidator Manfred Fuchs präsentiert eines der rund 600 Lego-Sets.
Liquidator Manfred Fuchs präsentiert eines der rund 600 Lego-Sets.bild: watson

Vor Ort in Otelfingen schauen nur rund zehn Lego-Fans vorbei, darunter aber echte Liebhaber und Sammler. Einer von ihnen ist Daniel Wüthrich. Der 46-Jährige ist im Bernbiet zu Hause, musste aber einen geschäftlichen Termin in Dübendorf wahrnehmen, deswegen habe es mit der Besichtigung gerade gepasst. «Hat so sein müssen», sagt er und lächelt verschmitzt.

Das Elternhaus als Lego-Lager

Seine Faszination im Lego-Universum sei die Ritterwelt, erzählt Wüthrich. Angefangen habe alles als Kind, dann kam ein Unterbruch, im Teenager-Alter waren andere Sachen wichtiger, «ich sage dem immer die Flegel-Jahre.» Irgendwann kam es dann zurück, das Fieber. Ein separates Lego-Zimmer in der Wohnung gehöre heute natürlich dazu.

Daniel Wüthrich (links) mit seinem Lego-Freund Stefan Bommeli.
Daniel Wüthrich (links) mit seinem Lego-Freund Stefan Bommeli.bild: watson

Auch Stefan Bommeli, Mitglied des Schweizer Legovereins SwissLUG und mit Wüthrich befreundet, erwähnt seine Kindheit, erzählt von den ersten Lego-Sets, die ihm die Eltern geschenkt hatten. Irgendwann sei man zu alt dafür, «2014, als mein Sohn auf die Welt kam, war dann aber wieder Legospielen angesagt». «Ausser der 12-Volt-Eisenbahn war alles noch da, eingelagert im Keller der Eltern», fährt der 47-Jährige fort.

Heute sei er für seinen Legoverein hierher gekommen. «Einige Mitglieder wollten wissen, was in der zweiten Phase der Versteigerung zu haben ist», verrät Bommeli. Anders als online auf der Auktionsplattform, konnte man in Otelfingen am Donnerstag viel mehr als nur die momentan verfügbaren Sets begutachten.

Lego-Sets, so weit das Auge reicht.Video: watson

Bommelis Einsatz dürfte sich gelohnt haben, für die zweite Tranche des Jahrhundertfundes – mindestens 150 weitere Sets – können ab dem 22. November Gebote abgegeben werden. Er selbst habe bei einigen der aktuellen Lego-Sets mitgeboten, «ich werde aber ganz klar nicht Höchstbietender sein, da hat es Leute mit mehr Geld.»

Einmalig und wertmässig sehr interessant

Für einen Laien wie mich ist die Szenerie, das Eintauchen in diese Welt der Lego-Raritäten eine faszinierende Erfahrung. Es wird über Jahrgänge, Setnummern, Preise und Verfügbarkeiten gefachsimpelt («das ist jetzt ein VW 1500») – die Lego-Liebhaber sind voll in ihrem Element.

Stefan Bommeli, Daniel Wüthrich und ein weiterer Besucher beim Betrachten des höchst begehrten Futuron Monorail Transport System. Aktuell liegt das Höchstgebot bei über 2000 Franken.
Stefan Bommeli, Daniel Wüthrich und ein weiterer Besucher beim Betrachten des höchst begehrten Futuron Monorail Transport System. Aktuell liegt das Höchstgebot bei über 2000 Franken.bild: watson

Je länger ich die einzelnen Sets anschaue, desto mehr kann ich die Lego-Nostalgie der anwesenden Mittvierziger nachvollziehen. Nur schon die Verpackung, vorwiegend die der älteren Exemplare, ist in ihrer Schlichtheit und Ästhetik wunderschön.

Auf diejenigen Sets, die vor 1970 produziert wurden, hat es auch Reto abgesehen. Der 25-Jährige sammelt seit 15 Jahren Lego-Sets, seit 9 Jahren betreibt er damit zusätzlich Handel. Auch er hat zu Hause ein Lego-Zimmer.

Eine Sammlung in diesem Umfang stelle an sich keine Seltenheit dar, erklärt mir Reto, dass so viele der Exemplare aber ungeöffnet seien, mache den Fund einmalig und wertmässig sehr interessant. Der Unterschied zwischen geöffneten und noch neuen Lego-Sets sei riesig. Ist die Perforierung eines Sets noch zu, liegt der Preis rund zehnmal höher.

Dies zeigt sich auch, wenn man die Webseite der Auktionsplattform konsultiert. Für zahlreiche der bislang 150 verfügbaren Lego-Sets liegt der Preis bereits bei deutlich über 100 Franken.

Eine Lego-Garage, über 60 Jahre alt

1 / 6
Eine Lego-Garage, über 60 Jahre alt
Eine Lego-Garage, produziert Ende 1950er-Jahre. Die Bilder stammen von einem Besucher der Besichtigung und wurden watson freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Die darauf abgebildeten Sets sind nicht Teil der Auktion.
quelle: zvg
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Pro Tag investiere er mindestens eine Stunde in sein Hobby, erzählt mir Reto, der Konkurrenzkampf bei Raritäten sei riesig, deswegen verbringe er viel Zeit auf Online-Auktionsplattformen. «Etliche Leute sind dauerhaft am Schauen, was es Neues gibt. Bei einem Sofortkaufangebot ist ein Schnäppchen innerhalb von Sekunden oder Minuten weg.» Immer wieder verkauft Reto ein Set, die Lego-Community agiere weltweit, da verschicke er auch mal ein Paket in die USA oder nach Australien.

«Brutal zusammengewürfelt»

Interessant ist die Diversität unter den Lego-Interessierten. Es gebe Personen, die Lego ausschliesslich sammeln würden, andere wiederum bauten nur Sets zusammen oder nur eigene Konstruktionen, erzählt mir Szene-Kenner Stefan Bommeli.

Raritäten aus dem Lego-Fund von Uster.
Raritäten aus dem Lego-Fund von Uster.bild: watson

Ganz anders die Sammlung aus Uster, da erkenne er keinerlei Logik, sie sei «brutal zusammengewürfelt». «Es sieht mehr danach aus, als hätte hier jemand die Lego-Sets nicht hergeben können.» Die Exklusivität der Sammlung sei aber dennoch gegeben, «die vielen sehr alten Sets machen den Fund aus», so Bommeli.

Eines der moderneren Sets, es lässt sich mit dem Smartphone steuern.
Eines der moderneren Sets, es lässt sich mit dem Smartphone steuern.bild: watson

Der Frust der Sammler

Der Lego-Fund kostet die Fuchs Liquidationen GmbH deutlich mehr Zeit als andere Auktionen, erst am Donnerstagmorgen vor der Besichtigung habe man die letzte Schachtel mit Lego-Sets aus dem Nachlass geleert, sagt Geschäftsführer Manfred Fuchs.

Sind alle Sets versteigert, werde man sich mit dem Konkursamt Uster zusammensetzen und einen für beide Seiten fairen Preis vereinbaren. Mit den Einnahmen des Konkursamtes werden zunächst die (nicht allzu hohen) Schulden des Verstorbenen beglichen, danach dürften die Erben trotz der Ausschlagung des Nachlasses einen Teil des Lego-Vermögens erhalten.

Plötzlich sind über zwei Stunden vorbei. Zum Schluss berichten die Sammler noch über den Frust, dass Lego-Sets unvorsichtig verpackt und verschickt würden. So werde manchmal die Adressetikette auf die Originalverpackung geklebt, «da frage ich mich, was das für Leute sind. Die haben einen Horizont, der ist winzig.»

Auch werde beim Öffnen eines Kartons teilweise mit dem Messer in die Packung des Lego-Sets geschnitten. «Es ist immer noch eine Nische, die Leute haben wenig Ahnung, da gehen sie halt mit den Sachen so um.»

Ich kann ihren Ärger nach dem heutigen Besuch verstehen.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
So sehen Fussball-Legenden als Lego-Figuren aus
1 / 22
So sehen Fussball-Legenden als Lego-Figuren aus
Ein englischer Grafiker gestaltet Kultspieler im Lego-Stil. Auf «brickballers.com» kannst du sie als Poster und T-Shirt bestellen.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Lego baut Bugatti Chiron in Originalgrösse nach
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
53 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Gluehwuermchen
10.11.2023 06:55registriert Dezember 2021
Ich frage mich gerade, welches Lego Set mehr wert hat:
a) das, das ein Sammler gekauft hat und ungeöffnet bleibt
b) das, das ein Kind mit glänzenden Augen öffnet und unzählige glückliche Stunden damit verbringt
25022
Melden
Zum Kommentar
avatar
Tsherish De Love aka Flachzange
10.11.2023 06:44registriert September 2020
Ein Leben lang leidenschaftlich gesammelt und in der Familie interessiert sich niemand dafür. Irgendwie traurig. Und es zeigt wie vergänglich unser Leben ist.
1336
Melden
Zum Kommentar
avatar
So oder so
10.11.2023 07:45registriert Januar 2020
Pirateninsel hatte ich auch. Habe ich immer noch aber zerlegt in Tausend Teile in einer Grossen Kiste .
241
Melden
Zum Kommentar
53
Das Kondom alleine reicht nicht: Dieser Test des Bundes zeigt, ob du «ready!» für Sex bist
Mit einer neuen Kampagne will das Bundesamt für Gesundheit auf die sexuellen Risiken aufmerksam machen. Erst nach einem Online-Fragebogen sei man «ready!» für Sex.

Spätestens seit Polo Hofer 1987 «Im Minimum en Gummi drum» gesungen hat, war klar, im Kampf gegen Aids und sexuelle Krankheiten hilft vor allem eines: das Kondom. «Ohne Dings kein Bums», wie ein anderer prägnanter Slogan lautete, war die Devise. Die Kampagnen des Bundes waren immer darauf ausgelegt, dass sich möglichst viele Männer beim Sex ein Kondom überziehen.

Zur Story