
Berset erklärt den Prämienanstieg.Bild: keystone
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Die Krankenkassen-Prämien steigen im Mittel um 8,9 Prozent, gab Alain Berset am Dienstag bekannt. Das waren die wichtigsten Aussagen.
26.09.2023, 10:0926.09.2023, 16:04
Die schlechte Nachricht
Gesundheitsminister und Bundespräsident Alain Berset redete am Dienstag vor die Medien nicht lange um den heissen Brei. Gleich zu Beginn sagte er:
«Schlechte Nachrichten für die bereits teuerungsgeplagten Haushalte.»
Zum letzten Mal in seiner Karriere gab er eine Erhöhung der Krankenkassenprämien bekannt: Sie steigen 2024 um 8,7 Prozent.
Das Schweizer Gesundheitssystem sei gut, habe aber seinen Preis. Dabei seien die Versicherten den Prämienanstiegen «nicht einfach ausgeliefert». Im Gesundheitswesen sei bereits gespart worden und werde weiter gespart.
Höchste Priorität: Kosten senken
Das Wachstum der Gesundheitskosten zu bremsen, hat für den Bundesrat höchste Priorität. Das sagte Berset in Bezug auf die Erhöhung der Krankenkassenprämien. Dafür müssten alle Akteure zusammenarbeiten und Lösungen suchen.
Der Anstieg der Kosten zeige klar, dass weitere Massnahmen nötig seien, sagte Berset am Dienstag. Die Steuerung des Gesundheitssystem sei jedoch zersplittert. In der Verantwortung seien das Parlament, Ärzte und Patienten sowie Kantone und Krankenversicherer. Sie alle müssten zusammenarbeiten, so Berset. Er sagt weiter:
«Es müssen sinnvolle Reformen sein, die die tiefsten Einkommen nicht noch mehr belasten»
Der Bund nehme eine grosse Verantwortung wahr, indem er für das kommende Jahr mehr als 3,3 Milliarden Franken für Prämienverbilligungen bereitstelle.
Tadel für das Parlament
Bei seiner letzten Vorstellung der Krankenkassenprämien für ein kommendes Jahr ist Berset mit dem Parlament hart ins Gericht gegangen. Jedem kostendämpfenden Vorschlag des Bundesrats ziehe das Parlament die Zähne.
Die Kostendämpfungsmassnahmen würden sich zu langsam entwickeln, sagte der Gesundheitsminister. So sei zwar das Monitoring von Leistungen in National- und Ständerat durch gekommen. Gleichzeitig hätten die Räte sich aber geweigert, die Erkenntnisse aus dem Monitoring in existierende Tarifsysteme einzubringen. Genau das hätte aber kostendämpfende Wirkung entwickelt. Berset bilanziert:
«Überall wo es wirksam gewesen wäre, nahm das Parlament die wirksamen Elemente weg.»
Verantwortung übernehmen – bloss, wer?
Mehrfach betonte Berset während der Medienkonferenz:
«Ich bin nicht verantwortlich.»
Die Prämien würden den Kosten des Gesundheitswesens folgen. «Ich schicke die Leute nicht ins Spital», so Berset weiter. Seine Aufgabe sei es, das Kostenwachstum mit den Mitteln zu bekämpfen, die ihm zur Verfügung stehen.
Auffällig war aber, dass Berset konkret einen Akteur tadelte: «Auch die Ärzte müssen ihren Teil leisten, sie zeigten sich in der Vergangenheit stur bei Sparmassnahmen», so der Gesundheitsminister.
Verantwortlich sei aber auch die Bevölkerung. Als Privatperson solle man sich fragen, ob ein Besuch beim Arzt wirklich notwendig sei oder nicht. Weiter:
«Und wenn ein Arztbesuch notwendig ist, dann muss es ja vielleicht nicht direkt der teure Spezialist sein, sondern erst einmal der Hausarzt.»
Berset will keine Revolution
Das Gesundheitssystem brauche keine Revolution, aber Fortschritte, denen sich viele Kräfte entgegenstemmen würden. Die zersplitterten Akteure müssten sich auf Lösungen einigen. Berset:
«Wir haben ein sehr gutes System – das ist zentral. Mit Ausnahme von 1848 war ich nie ein Anhänger von Revolutionen. Eine solche braucht es auch jetzt nicht. Stattdessen müssen weitere Massnahmen geprüft werden.»
(jaw/sda)
Der Liveticker zum Nachlesen:
Diese würden vom Bundesrat abgelehnt. Berset sehe aber mehr Zustimmung.
Durch Prämienverbilligungen gebe es bereits Rücksicht auf die Einkommen.
Die kantonalen Kosten seien ausschlaggebend für die kantonalen Unterschiede.
Was wir jetzt hätten, sei kein Aufbau der Reserven.
Dort sei wenig gegangen, das sei ein Misserfolg, gibt Berset zu.
Berset habe nicht das Gefühl, dass der Einsatz der letzten Jahre ein Versagen sei.
Man habe den Eindruck bekommen können, die Situation sei in den letzten Jahren ruhig gewesen. Das sei jedoch nicht der Fall gewesen.
Berset wolle keine Gruppe isoliert betrachten. Es sei nicht immer einfach gewesen, Lösungen zu finden.
Berset: «Wir haben ein sehr gutes Gesundheitssystem und einen sehr guten Zugang für alle.» Das dürfe man nicht demontieren, so der Gesundheitsminister.
Die Prämienlast für Familien, für Menschen ohne Verbilligungen, sei in der Tat ein Problem. Es gebe einen guten Zugang zu Prämienverbilligungen für jene, die sie brauchen.
Berset habe sich immer bemüht, als «Diener» dabei zu sein, damit sich das System am besten entwickle.
Es brauche eine sehr starke Erhöhung der Transparenz.
Ziele für alle Akteure könnten festgelegt werden. So würden sich alle einmal im Jahr an einem Tisch finden. Dieser Vorschlag sei aber stark verwässert worden. Es brauche keine Revolution.
Berset weicht der Frage aus und antwortet allgemein. Er betont, es sei ihm immer wichtig gewesen, die gleichen Leistungen anbieten zu können.
Von externen Expertinnen durchgeführt.
Laut Anne Lévy, Direktorin des Bundesamts für Gesundheit (BAG), ist der starke Prämienanstieg ein Warnsignal an alle. Künftig müssten Kosten im Gesundheitsbereich gesenkt werden und unnötige Behandlungen verhindert werden, sagte sie am Dienstag vor den Medien in Bern.
«Wir müssen den Kostenanstieg besser verstehen und die Konsequenzen daraus ziehen. Es gibt nicht den einen Kostentreiber», sagte Lévy. Die Gründe für den Prämienanstieg seien vielschichtig. Zu den Kostentreibern gehöre die erfreuliche Nachricht, dass wir alle länger leben, sagte Lévy. Weiter nehme der medizinische Fortschritt zu.
Die Unterschiede bei den Kantonen ist laut Lévy stark auf das Spitalangebot zurückzuführen. Zudem würden die Angebote mehr genutzt, etwa die Physiotherapie. Ein Teil des Kostenanstiegs sei jedoch nicht erklärbar. Die Gründe für die Steigung der Kosten müssten deshalb noch genau eruiert werden, so Lévy.
Bezüglich der Reserven der Krankenversicherer sagte Lévy, dass diese momentan zwar noch über genügend Reserven verfügten. «Aber das Polster ist weg.» Die Solvenz der Versicherer sei also gesunken. (sda)
Ambulante Behandlungen, Medikamente, Physiotherapie.
Spannungsverhältnis: Gesundheitswesen funktioniert gut, ohne lange Wartezeiten. Dies hat jedoch seinen Preis.
Mehr Krankheiten können diagnostiziert und behandelt werden.
Prozentual am stärksten in den Kantonen Tessin und Zug, am schwächsten in Appenzell Innerrhoden und Basel-Stadt.
Die Reserven konnten zwar die Verluste von 2022 decken, aber die Polster seien weg. «Wir können nicht einfach zur Normalität übergehen», sagt Anne Lévy. Die Prämien würden vielen Haushalten zu schaffen machen.
Alle Akteure müssen miteinander an Reformen arbeiten, so Berset.
Der Bund nehme eine grosse Verantwortung wahr. Mehr als 3,3 Miliarden Franken würden bereitgestellt. Mehr als 300 Millionen mehr als im Vorjahr. Diese Mittel gehen an die Kantone.
Es gibt im Parlament Möglichkeiten zur Kostendämpfung.
Die Ärzte sind jetzt an der Reihe. Diese hätten wenig Bereitschaft zur Kostendämpfung gezeigt.
Alle sollen sich fragen: Ist der Besuch bei einer Ärztin nötig? Muss ich zur Spezialistin oder reicht der Hausarzt?
Die Krankenkassen schrieben 3,5 Milliarden Verlust.
Die Anzahl Leute, die ihre Krankenkassen für tiefere Prämien gewechselt hatten, hatte einen Einfluss auf deren Möglichkeit mit den Kosten umzugehen.
Gerade auch im Zusammenhang mit Psychotherapien und anderen Therapien sowie Arztbesuchen sind die Kosten gestiegen.
Krebsmedikamente und immunsuppressive sorgen für 50% der Medikamentenkosten.
Die Gesellschaft wird immer älter.
Die Medizin macht weiter Fortschritte.
Vor allem die Covid-Krise hat höhere Kosten verursacht.
Kosten für Hospitalisierungen sind um 11 Prozent gestiegen, für die Physiotherapie um 8 Prozent.
Berset betont, man müsse die Kosten im Gesundheitswesen senken, damit die Prämien nicht mehr so stark steigen.
Dies sei eine sehr schlechte Nachricht für die Haushalte, so Berset. «Die Erhöhung ist dieses Jahr sehr hoch.» Konkret: Die Krankenkassenprämien steigen 2024 um 8,7 Prozent. Die mittlere Monatsprämie wird sich auf 359,50 Franken belaufen. Grund sind markant gestiegene Gesundheitskosten und weitere Faktoren. Die Krankenkassen können wegen gesunkener Reserven den Anstieg nicht dämpfen.
Gesundheitsminister Alain Berset informiert um 14 Uhr über den Anstieg der Krankenkassenprämien für das Jahr 2024. Anwesend ist auch BAG-Direktorin Anne Lévy.
Gerechnet wird mit einem durchschnittlichen Prämienwachstum zwischen 8 und 9 Prozent.
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Diä Rattene.