Erfolg für einen Skyguide-Fluglotsen: Nachdem ihn das Zürcher Obergericht noch wegen einer Beinahe-Kollision verurteilt hatte, hat das Bundesgericht ihn nun vom Vorwurf der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs freigesprochen. Es zähle nicht, was hätte passieren können, sondern nur, ob tatsächlich ein Schaden entstanden sei.
Der Skyguide-Mitarbeiter hatte im März 2011 zwei Swiss-Maschinen mit insgesamt über 260 Menschen an Bord kurz nacheinander die Start-Erlaubnis erteilt – allerdings auf sich kreuzenden Pisten.
Einer der Piloten bemerkte den seitlich heranfahrenden anderen Flieger und brach den Start im letzten Moment ab. Wenige Sekunden später erteilte auch der Lotse den Abbruchbefehl – allerdings erst, nachdem bei ihm ein Alarm losgegangen war. Die Crew im zweiten, voll besetzten Flugzeug bekam von der brenzligen Situation nichts mit. Verletzt wurde niemand.
Das Bundesgericht kam nun zum Schluss, dass keine konkrete Gefährdung oder Störung des Flugverkehrs vorliegt. Es handle sich vielmehr um eine abstrakte Gefahr. Zur Begründung einer Gefahr dürfe man nicht auf einen hypothetischen Sachverhalt abstellen. Es zählt nach Ansicht des Bundesgerichtes also nur, ob tatsächlich etwas passiert ist – und nicht ob etwas hätte passieren können.
Das Bundesgericht spricht den Lotsen somit frei, wie aus dem Urteil vom Freitag hervorgeht. Damit kippt es den Entscheid des Zürcher Obergerichtes vom Dezember 2018. Dieses war noch der Meinung, dass auch die fahrlässige Gefährdungshandlung geahndet werden müsse. Es hatte den Lotsen deshalb zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt.
Die erste Instanz, das Bezirksgericht Bülach, war zwei Jahre zuvor noch zum selben Ergebnis gekommen wie jetzt wieder das Bundesgericht. Es vertrat ebenfalls die Meinung, dass der Lotse nicht für etwas verurteilt werden könne, das gar nicht passiert sei.
Für Skyguide ist dieser Freispruch ein wichtiger Grundsatzentscheid. Früher mussten Lotsen bei Fehlern nicht mit juristischen Konsequenzen rechnen, es sei denn, sie handelten grobfahrlässig oder mit Absicht. Heute gibt es bereits eine ganze Reihe von Prozessen, bei denen Lotsen angeklagt sind, obwohl niemand zu Schaden kam.
Die Flugsicherung fürchtet deshalb seit Jahren um ihre Fehlerkultur. Würden Fehler aus Angst vor Strafverfahren nicht mehr gemeldet, könnten Schwachstellen nicht mehr erkannt werden. Die Sicherheit könne nur verbessert werden, wenn Lotsen, Techniker und Piloten Fehler und Vorfälle ohne Angst melden könnten.
In einer Medienmitteilung von der Nacht auf Freitag zeigte sich Skyguide mit dem Urteil entsprechend zufrieden. Die Organisation sei trotz des erfreulichen Freispruchs davon überzeugt, dass im Schweizer Gesetz ein Rahmen für die in der Aviatik gelebte Sicherheitskultur «Just Culture» fixiert werden müsse, betonte sie.
Damit solle es Mitarbeitern gesetzlich ermöglicht werden, Fehler zu melden, ohne disziplinarische Konsequenzen befürchten zu müssen, sofern diese nicht mutwillig oder grobfahrlässig begangen worden seien.
Urteil 6B_332/2019
(sda)
im ernst: ich finde es richtig, dass der fluglotze freigesprochen wurde, allerdings mit dem falschen argument.
das richtige argument ist jedem bekannt, der sich ein bisschen mit dem thema auseinander gesetzt hat: im flugverkehr und insbesondere die fluglotzen brauchen (haben) ein eigenes fehlermanagement. hier geht es darum, dass fehler gemeldet werden, ohne angst haben zu müssen, den job und damit die existenz zu gefährden.