Es war ein Tag, den die Skyguide-Verantwortlichen am liebsten vergessen würden. Am 15. Juni 2022, um 4.40 Uhr in der Nacht, sah sich die Schweizer Flugsicherungsfirma den Notfall-Entscheid treffen: «Clear the sky.»
Es war die grösste Panne in der Geschichte des Bundesbetriebs. Während rund fünf Stunden ging nichts mehr am Schweizer Himmel. Ein technischer Fehler wurde als Ursache eruiert. Skyguide-Chef Alex Bristol bezeichnete die Panne noch am selben Nachmittag im Interview mit CH Media als «peinlich» und «historisch». Eine vom Bund in Auftrag gegebene, externe Untersuchung zum Extremszenario enthielt rund ein Dutzend Empfehlungen zur Verbesserung der Flugsicherung.
Dann kam der 30. Oktober im laufenden Jahr. Fast zwei Stunden lang konnten am Flughafen Zürich am Nachmittag keine Flugzeuge starten. Der Grund: Erneut eine technische Störung bei Skyguide. Der Flughafen Zürich gab zu Protokoll, dass aufgrund der Störung mindestens 60 Flüge zwischen 20 und 100 Minuten verspätet und rund 6600 Passagiere betroffen waren.
Die Frage, wie lange Skyguide hätte zuwarten können mit der Problembehebung, bis ein erneuter «Clear the Sky»-Entscheid nötig geworden wäre, beantwortet Firmensprecher Vladi Barrosa nicht. Bei einem solchen Entscheid handle es sich um eine Sicherheitsmassnahme, die dann ausgesprochen werde, wenn die Sicherheit im Luftraum nicht mehr gewährleistet ist. «Es ist daher irrelevant, wie weit wir davon entfernt waren.» Wenn es die Situation erfordert hätte, hätte man den «Clear the Sky» durchgeführt.
Barrosa erläutert auf Anfrage erstmals die genaue Ursache der Panne vom 30. Oktober. Bei der Vorbereitung für den Ersatz der Firewall, also des Sicherungssystems, welches das Netz vor unerwünschten Zugriffen schützt, sei es zu einer Fehlmanipulation durch einen Mitarbeitenden gekommen, wodurch ein Datenstau ausgelöst wurde. Davon betroffen seien auch die Flugplandaten gewesen, was zum Unterbruch der Starts führte, sagt Barrosa. «Es war ein unbeabsichtigter menschlicher Fehler. Ein Cyberangriff ist ausgeschlossen.»
Recherchen von CH Media zeigen: Bei diesen beiden Zwischenfällen ist es nicht geblieben. Auch Anfang dieser Woche kam es zu einer Panne. Demnach waren auf der Piste 16 für eine signifikante Zeit keine Starts und Landungen möglich, was Verzögerungen zur Folge hatte.
Skyguide-Sprecher Barrosa bestätigt die Information: «Es trifft zu, dass es am Montagmorgen zu einem kurzfristigen Unterbruch des Datenaustausches zwischen zwei Skyguide-Applikationen gekommen ist.» Der Unterbruch habe rund 20 Minuten gedauert. Die genaue Ursache? «Das ist derzeit noch Gegenstand der internen Untersuchungen», sagt Barrosa.
Diese drei Störungen lassen in der Branche aufhorchen. Auch der Swiss ist diese Entwicklung – Zufall oder nicht – in den letzten Monaten nicht entgangen. CH Media weiss: Bei der Lufthansa-Tochter als wichtigster Skyguide-Kundin herrscht deswegen zunehmend Unverständnis.
Zur möglichen Häufung von Fällen bei Skyguide wolle man sich nicht äussern, sagt Swiss-Sprecherin Meike Fuhlrott. Aber: «Ausfälle der Flugsicherung sind für uns sehr anspruchsvoll, da sie die Zuverlässigkeit unseres Flugprogramms tangieren und Verspätungen oder Annullationen verursachen können.» Das sei für die betroffenen Passagiere ausserordentlich bedauerlich.
Beim Frust der Fluggäste bleibt es in solchen Fällen nicht. Denn die Rechnung muss die Airline bezahlen. «Zusatzkosten und Zusatzaufwände, die aus einem Ausfall der Flugsicherung resultieren, müssen wir in der Regel als Fluggesellschaft selbst tragen», sagt Fuhlrott.
Dieser Mechanismus ist politisch gewollt. «Das Gesetz in Europa ist so konstruiert, dass die Airlines die Passagiere selbst kompensieren müssen», sagte Skyguide-Chef Bristol am 15. Juni 2022 im Interview. «Die EU wollte bei der Gesetzsprechung sicherstellen, dass sich die Flugsicherungsbehörden stets für die Sicherheit entscheiden, und der Entscheidungsprozess nicht von Geldaspekten beeinflusst wird.»
Während und nach solchen Vorfällen sei man immer «im direkten Austausch» mit Skyguide, sagt Fuhlrott. Sie beschreibt die Zusammenarbeit auf operativer Ebene als «sehr gut» und «konstruktiv». Die Schweizer Regionalfluggesellschaft Helvetic Airways will sich nicht zu den Skyguide-Pannen äussern.
Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) hat die technisch bedingten Vorfälle zur Kenntnis genommen, schliesslich müssen diese gemäss gesetzlicher Vorschrift dem Amt gemeldet werden. «Um von einem Trend zu reden, ist es jedoch verfrüht», sagt Bazl-Sprecher Antonello Laveglia. Das Amt erhält auch Einsicht in die Resultate der Skyguide-internen Analysen. «Zudem verfolgt das Bazl im Rahmen seiner Aufsichtstätigkeit die Umsetzung von Verbesserungsmassnahmen.» Die Skyguide-Zuverlässigkeit bleibt also auf dem Radar.
(aargauerzeitung.ch)