Für knapp zwei Wochen war die Universität Luzern einzigartig. Keine andere Hochschule hatte nur eine rein vegan-vegetarische Mensa. Jetzt kommt die karnivore Kost zurück: Die Uni Luzern verkündete am Montag, dass es wieder fisch- und fleischhaltige Mahlzeiten in der Mensa gebe. Der Grund: Der Foodtruck vor dem Gebäude werde zum Corona-Testcenter umfunktioniert. Er bot eine Alternative zur fleischlosen Mensa.
Eigentlich kein Grund zur Aufregung. Allerdings macht stutzig, dass gerade mehrere Vorstösse zu diesem Thema bei der Luzerner Kantonsregierung hängig sind. Einer verlangt, dass die Hochschule zurück zur Fleischkost im Sortiment verdonnert werden soll. Eingereicht hat ihn SVP-Politiker Toni Graber.
Es ist Anfang Juli 2021. Die Universität Luzern verkündet, dass ein neuer Gastrobetrieb in Zukunft die Mensa betreiben soll. Seit knapp drei Monaten ist die Hochschule auf der Suche nach einer neuen Betreiberin, da die vormalige Firma ihren Vertrag gekündet hat. Den Zuschlag erhält die Gastrogruppe ZFV-Unternehmen, die unter anderem auch die Mensa der Universität Zürich betreibt. Das Mandat soll per Ende August starten. Und noch etwas ist neu: Die ZFV sieht für Luzern fleischlose Menüs vor.
In der Mitteilung wird der Chef der Gastrogruppe, Patrik Scheidegger zitiert: Der ZFV nehme eine «Vorreiterrolle in der Gemeinschaftsgastronomie ein und gestaltet das Angebot vor Ort in erster Linie vegan-vegetarisch». Von einer Option mit Fleisch oder Fisch steht im Schreiben nichts.
Kurz nachdem die Universität das Novum bekannt gegeben hat, berichtet die «Luzerner Zeitung» darüber. Der Journalist Dominik Weingartner vermutet da bereits, dass Reaktionen bald folgen dürften. «Die Frage, was in Kantinen von öffentlichen Institutionen auf dem Teller liegt, wird oft heiss diskutiert», schreibt er. Er sollte Recht behalten.
Im Folgemonat August greifen Medien ausserhalb der Kantonsgrenze Luzerns die Diskussion auf. Zeitungen der «Tamedia» titeln «Uni Luzern provoziert mit Menü-Diktat», der «Nebelspalter» hält das Ganze für eine «Moralisierung» und die «Bauern Zeitung» fragt, ob sich die Uni damit ins eigene Fleisch schneide.
Am lautesten in diesem Getümmel ist die Fleischlobby. Der Schweizer Fleisch-Fachverband (SFF) spricht von «Bevormundung» und einer «Verpolitisierung des Essens». Zusammen mit dem Schweizerischen Bauernverband fragt der SFF beim Uni-Rektor in einem offenen Brief, «ob es einer Universität würdig sei, Fleisch und Fisch derart undifferenziert von den Tellern der Uni-Mensa zu verbannen».
Das Ganze ruft auch die lokale Politik auf den Plan. Im Juli reicht SVP-Kantonsrat Toni Graber einen Vorstoss bei der Regierung ein. Darin verlangt er, die Regierung soll den Entscheid der Universität Luzern für eine fleischlose Ernährung in den Mensen rückgängig machen. Etwas später doppelt FDPlerin Rosy Schmid nach. Auch ihr geht die Hochschule zu weit und sie fordert, dass man «Fleisch- oder Fischesser» nicht länger ausschliessen soll.
Mitte September, kurz vor Semesterstart, melden sich nun auch Studierende und Mitarbeitende der Universität zu Wort. Regionale Medien berichten übereinstimmend von einem offenen Brief mit dem Titel «Unsere Mensa, unsere Bedürfnisse». Adressat ist die Luzerner Kantonsregierung.
Die Angehörige der Uni schreiben: «Ein Mensa-Essen am Mittag kommt gut ohne Fleisch aus. Denn gerade, wenn es günstig sein soll, ist es schwierig, dass das Fleisch aus der Region kommt.» Die Regierung soll darauf verzichten, das erst kürzlich eingeführte Mensa-Konzept wieder zu ändern. Ausserdem sei ein Essensangebot Sache der Hochschule: «Dazu braucht es keine Entscheide der Politik, wir Hauptnutzende kennen unsere Bedürfnisse am besten.»
Eine Woche nach Semesterbeginn kommuniziert die Universität, dass es fortan wieder Fleisch in der Mensa gibt. Der Grund dafür sei, dass ein Covid-Testcenter den Foodtruck vor dem Gebäude ersetze, bei dem man bisher Fleisch- und Fisch-Gerichte kaufen konnte.
Lukas Portmann von der Universität Luzern erklärt, dass der Foodtruck sowieso ein Provisorium gewesen sei. Konkret heisst das: «Es war von Anfang an vorgesehen, dass es weiterhin Fleisch-Menüs geben wird, in Ergänzung zum hauptsächlich vegan-vegetarischen Angebot», so der Uni-Sprecher. Während der Suche nach einer langfristigen Lösung habe man draussen einen Foodtruck installiert.
Das habe man auch immer so kommuniziert, sagt Portmann. «Man hat ausgeblendet, dass wir sagten, es werde weiterhin Fleisch geben.»
Tatsächlich spricht Portmann in den meisten Medienartikeln, in denen er zu Wort kommt, von einem «mobil ergänzenden Angebot im Aussenbereich, wo Fleisch und Fisch punktuell eingesetzt werden können.» Die Angehörigen der Universität sollten so weiterhin die Wahl haben, Fleisch zu essen oder nicht.
Ob der Druck der Politik einen Einfluss auf das Handeln gehabt hätte, beantwortet Portmann damit: «Wir haben die Vorstösse der SVP und der FDP zur Kenntnis genommen. Zentral sind jedoch die Rückmeldungen der Studierenden und Mitarbeitenden der Universität und diese sind überwiegend sehr positiv.»
Anruf bei SVP-Politiker Toni Graber: Er hat dafür gekämpft, dass die Universität wieder Fleisch servieren soll (siehe 3. Akt). «Ich bin zufrieden», sagt Graber. «Aber ich möchte vom Kanton hören, dass er sich klar zum Thema positioniert, sofern in Zukunft wieder eine öffentliche Einrichtung kein Fleisch servieren will.»