Das Porträt der Zürcher FDP-Politikerin Sonja Rueff-Frenkel im «Tages-Anzeiger» war problematisch. Der Reporter Kevin Brühlmann bediente sich bei der Beschreibung antisemitischer Klischees. Was bereits am Tag der Publikation vor gut drei Wochen von kaum jemandem bestritten worden ist, war in der Produktion des Beitrags niemandem aufgefallen. Dabei hatte der Text das ganze «Qualitätsmanagement» durchlaufen, das die Zeitungsgruppe in den vergangenen Jahren aufgebaut hatte.
Fünf Personen inklusive ein Mitglied der Chefredaktion hätten den Text vor der Publikation gelesen. Ohne dass jemand die Reissleine gezogen hat, erzählen mehrere Quellen. Nun muss der Autor gehen. Der Chefredaktor Arthur Rutishauser hat ihn entlassen.
Die Redaktion wehrt sich aber für ihren Kollegen. Sie schreibt in einer vorliegenden Stellungnahme:
Die Solidarität scheint einzigartig: Sie gilt nicht dem Beitrag, sondern einzig dem Umstand, dass die Verantwortung dafür alleine dem Autor zugeschoben werde. Die Reaktion auf den Artikel erfolgte rasch und war eindeutig. Chefredaktor Rutishauser entschuldigte sich in der Zeitung dafür, dass im Artikel «ungewollt antisemitische Klischees» bedient worden seien. Der Autor entschuldigte sich über Twitter für seinen Text.
Die Angelegenheit schien bereinigt, die Angegriffene hielt sie nach einer Aussprache für erledigt. Wie die jüdische Zeitschrift «Tachles» berichtet, haben sich auch jüdische Zürcher Persönlichkeiten in einem Schreiben an den Verleger Pietro Supino gegen eine Entlassung ausgesprochen. Der Autor habe sich aufrichtig entschuldigt. Verbunden ist das Schreiben allerdings auch mit einer Spitze, die den links-liberalen «Tages-Anzeiger» im Mark treffen muss:
Für die Redaktion ist dem Autor bloss die eine Fehlleistung anzukreiden, die zudem nicht auf antisemitischer Grundhaltung basiere. Chefredaktor Arthur Rutishauser und der Blattverantwortliche Mario Stäuble lassen sich jedoch mit dem Satz zitieren: «Es gab wiederholt unterschiedliche Auffassungen über Qualität im Journalismus.»
Die «Weltwoche» meint eine Reportage über Wiesendangen, die im Januar 2021 im «Magazin» erschien, als solche Fehlleistung entdeckt zu haben, was allerdings keine Grundlage hat. Die «Republik» und «Insideparadeplatz» wiederum kolportieren, es sei ein Report über die finanzstarke Zürcher Baugarten-Stiftung gewesen, die auch den Verleger aufgebracht habe.
Allerdings hat auch dieser Text die Prüfung des internen Qualitätsmanagements bestanden. (saw/aargauerzeitung.ch)
Wie heisst es doch, der Fisch stinkt vom Kopf her.