Die Schweiz gilt als Hochpreisland – auch bei Medikamenten.
Um dem entgegenzuwirken, diskutierte die Gesundheitskommission des Nationalrats die letzten Tage über eine Verordnungsrevision, mit welcher die steigenden Gesundheitskosten gezähmt werden sollen. Angegangen werden sollen auch die Medikamentenpreise.
Doch sie kam zu keinem Ergebnis: Sie empfiehlt dem Bundesrat, die Revision bis auf Weiteres zu sistieren.
Die Diskussionen sind aber noch nicht zu Ende. Die Gegner und Befürworter des Vorhabens formieren sich: Die Krankenkassen und das BAG sind dafür, Pharma, Ärzte, Spitäler und Apotheker wehren sich dagegen. Sie sagen: Sinken die Preise, wird der Engpass bei den Arzneimitteln noch grösser.
Ein Überblick:
Medikamente machen gerade einmal zwölf Prozent der Gesundheitskosten aus. Doch diese zwölf Prozent entsprechen inzwischen über 8 Milliarden Franken. Während patentgeschützten Medikamente in der Schweiz kaum teurer sind als im Ausland, kosten Generika rund doppelt so viel.
Der Anteil der patentabgelaufenen Arzneimittel am kassenpflichtigen Arzneimittelmarkt belief sich im Jahr 2017 auf rund 30 Prozent, respektive 1.5 Milliarden Franken. Nicht einmal die Hälfte davon wurde mit Generika umgesetzt.
Geht es nach der Revision, soll sich die künftige Preispolitik bei patentabgelaufenen Arzneimitteln am Preis des billigsten Generikums mit demselben Wirkstoff orientieren. Kritiker sehen darin eine Einführung des Referenzpreissystems – was das Parlament letztes Jahr eigentlich abgelehnt hatte.
Der Bund setzt für alle Medikamente auf der sogenannten Spezialitätenliste (SL) den Preis fest. Auf dieser Liste sind alle Arzneimittel, welche von der Grundversicherung übernommen werden, sofern ein ärztliches Rezept dafür vorgelegt werden kann.
Jedes in der SL gelistete Medikament wird alle drei Jahre überprüft. In der Regel hat dies eine Preisanpassung zur Folge, wobei sich die Preise von Medikamenten nach unten orientieren.
Die Folge daraus ist, dass der Ertrag für Medikamente für Hersteller und Apotheken alle drei Jahre sinkt.
Auf diesem Weg ist der Preisindex für Medikamente seit 1996 um über 40 Prozent gesunken, während Preisindizes des Gesundheitswesens stagnierten oder stiegen.
Um die Medikamentenpreise anzupassen, nimmt das BAG einen sogenannten Auslandspreisvergleich mit neun europäischen Ländern sowie einen therapeutischen Quervergleich vor.
Marcel Plattner, CEO bei der Gebro Pharma AG und Präsident der Vereinigung Pharmafirmen in der Schweiz (VIPS), wirft dem BAG bei der Preissetzung «eine reine Optik des Billigprinzips» vor und beschreibt gegenüber watson den therapeutischen Quervergleich aus Sicht der Hersteller als «willkürlich».
Denn dabei würde der Preis eines Präparats mit anderen Präparaten verglichen, die einen ähnlichen Einsatzzweck haben. Und es sei bereits vorgekommen, dass das BAG in einem Jahr ein Vergleichsprodukt abgelehnt und drei Jahre später eben dieses Vergleichsprodukt als Grundlage herbeigezogen habe, um eine Preissenkung zu rechtfertigen, weil beim Vergleichsprodukt der Preis in der Zwischenzeit ebenfalls gesenkt wurde.
Bei der aktuellen Anpassung wäre neu: Ist bereits ein Generikum mit der gleichen Wirkung auf dem Markt, soll bei einem Medikament der Auslandspreisvergleich ausgesetzt werden und nur der therapeutische Quervergleich angewandt werden.
Plattner, der Präsident der VIPS, sieht einen Grund für den anhaltenden Medikamentengenpass in der Preispolitik des Bundes – die Revision würde die Situation sogar noch verschärfen, sagt er.
Doch wegen der weltweiten Verknappung von Medikamenten würden Firmen ihr Medikamenten dahin liefern, wo es für sie wirtschaftlich am meisten Sinn mache und wo die Rahmenbedingungen für die Zulassung gut wären, sagt der Pharmaunternehmer.
Wenn nun Medikamente hierzulande immer billiger würden, dann sei es nicht mehr attraktiv, sie in die Schweiz zu exportieren. «Die Reform wird dazu führen, dass weniger Produkte von weniger Anbietern auf dem Markt sind», so Plattner.
Weiter würden billige Medikamentenpreise Innovation mit Mehrwert für Patienten verhindern. Denn der Hersteller würde für das Produkt keinen höheren Preis mehr erhalten – und die Innovation sich nicht mehr rechnen. «Diese Entwicklung ist absolut gegen die Interessen der Patienten.»
Plattner gibt watson ein Beispiel für eine solche Innovation: Es gibt Medikamente, die müssen vom Arzt regelmässig in die Muskulatur gespritzt werden. Wird das Medikament so weiterentwickelt, dass der Patient es sich selber unter die Haut spritzen kann – zum Beispiel mit einem Pen, wie ihn Diabetiker verwenden – dann sei das im Interesse des Patienten und komme auf lange Sicht billiger.
Der Spitalverband H+ und die Ärzteverbindung FMH warnen ebenfalls. Die Ärzteverbindung schreibt in der Vernehmlassung: «Die geplante Tiefpreispolitik führt zu Einschränkungen in der Behandlungsvielfalt und Therapiefreiheit und wirkt sich zulasten der Patienten aus.» Und auch die Pharmaverbände Interpharma und VIPS lehnen die Änderungen entschieden ab.
Doch malen die Gegner hier nicht völlig schwarz? Ja, meinen der Krankenkassenverband Santésuisse und BAG-Sprecher Jonas Montani gegenüber CH Media. Massnahmen zur Kostendämpfung seien wichtig, und:
Denn «bei den Massnahmen wurde auf die Versorgungssicherheit geachtet», versichert Montani.
Pius Zängerle, Direktor des Krankenkassenverbands curafutura, stimmt dem gegenüber CH Media zu: «Wenn man nun aber sagt, die Gefahr sei gross, dass wegen tieferer Preise die Versorgungssicherheit zusammenbricht, ist das zu kurz gegriffen. Wir sind immer noch ein Hochpreisland.»
Er sieht ein Problem bei den Margen der Apotheker und Ärzte, die in der Reform ebenfalls angepasst werden sollen. Die Margen hingen direkt vom Preis des Medikaments ab, weshalb Ärzte und Apotheker zurzeit daran interessiert seien, teure Medikamente zu verkaufen. Bis zu 60 Millionen Franken könnten so kurzfristig eingespart werden. Und auch die Gesundheitskommission des Nationalrates erinnerte in ihrer Sitzung daran, dass die Anpassung der Vertriebsmargen dienlich sein könnte, um «falsche Anreize für teure Medikamente zu beseitigen».
Martine Ruggli, Präsidentin des Apothekerverband Pharmasuisse, äusserte sich zu diesem Vorwurf diesbezüglich bei SRF im September letzten Jahres: «Die Marge ist für die Abgeltung und Entschädigung von Infrastruktur-, Logistik- und Personalkosten da.»
Ob sich die Gegener oder Befürworter der Revision durchsetzten, wird sich in den kommenden Monaten zeigen.
Beispiel Letrozol, das bei Krebspatientinnen eingesetzt wird. Das gleiche Produkt von Sandoz kostet in der Schweiz 240 Fr. In Schweden 7 Fr. Das gleiche Sandoz Produkt!
Aber klar, wenn wir die Preise halbieren, werden wir gleich eine Knappheit haben. Warum gibt es die gleichen Medikamente für einen Bruchteil in Schweden noch?
Wir werden auch von der Generikabranche abgezockt. Praktisch jedes Medikament kostet in Schweden ein x-faches weniger. Und die haben keine Hungerlöhne.
Wer genug Sünneli und Bircher-Müesli hat, braucht keine Medikamente und auch keine migrierten Ärzte und Pflegekräfte. ;-)
Offensichtliche Pharmalobby-Angstmacherei!
Der Hauptgrund für unsere hohen Versicherungen sind Medipreise, die Preise der Medizinaltechnik, die übertriebene Diagnostik, sowie der Druck der Spitäler Umsatz zu generieren.
Mit den günstigeren Medis hätte man also 25% des Problems gelöst.