Das Parlament fordert vom Bundesrat mehr Rückführungen und Ausweisungen von abgewiesenen Asylsuchenden. Auf Sanktionen für nicht kooperative Herkunftsländer wollen die Räte jedoch verzichten.
Die kleine Kammer hat am Mittwoch eine vom Nationalrat abgeänderte Motion von Ständerat Werner Salzmann (SVP/BE) oppositionslos an den Bundesrat überwiesen. Der Vorstoss verlangt vom Bundesrat ein Konzept, um die Zahl der Ausweisungen und Rückführungen in den kommenden Jahren «deutlich zu erhöhen».
Um dies zu erreichen, soll der Bundesrat weitere Rückführungsabkommen abschliessen und die freiwillige Rückkehr fördern. Die vom Ständerat zusätzlich gewünschten verstärkten Sanktionen für Länder, die bei Rückführungen nicht kooperieren, strich der Nationalrat gegen den Willen der SVP aus der Motion.
Der Ständerat war damit einverstanden. Sanktionen seien für die bilateralen Beziehungen kontraproduktiv und bisweilen gar schädlich, sagte Kommissionssprecherin Tiana Angelina Moser (GLP/ZH). Mit einer solchen Massnahme könnten die Bevölkerung und auch Nichtregierungsorganisationen bestraft werden und nicht die Behörden des betreffenden Landes.
Der Bundesrat lehnte die Motion auch in der abgeänderten Fassung ab und verwies dabei auf seine konsequente Rückkehrpolitik. Die Schweiz zähle zu den vollzugsstärksten Staaten in Europa, und sie habe Dutzende Abkommen zur Stärkung der Rückkehrzusammenarbeit mit anderen Staaten geschlossen, sagte Justizminister Beat Jans.
Ständerat Salzmann hatte die Motion mit der Aussage begründet, selbst ein negativer Asylentscheid bedeute nicht, dass die Betroffenen ausreisen müssten. Vorläufig Aufgenommene dürften trotz abgewiesenem Asylgesuch meist in der Schweiz bleiben.
Für den Ständerat sollte der Bund den Kantonen finanzielle Anreize geben für einen effizienten Vollzug des Asylgesetzes. Er hat am Mittwoch eine Motion seiner Finanzkommission angenommen, welche vom Bundesrat «Massnahmen für Kostenbremsen im Asylbereich» fordert.
Der Ständerat fordert den Bundesrat auch dazu auf, Artikel 89 des Asylgesetzes zu beachten. Dort steht, dass der Bund die Ausrichtung einzelner Bestandteile der Pauschalbeträge an die Kantone von der Erreichung sozialpolitischer Ziele abhängig machen kann.
Einstimmig überwies die kleine Kammer den Vorstoss, zu dem sich nun auch der Nationalrat äussern muss. Auch die Landesregierung befürwortete Annahme der Motion.
Die ständerätliche Finanzkommission argumentierte, zwar habe die Asylreform 2016 zu einer guten Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen geführt. Die Höhe der vom Bund den Kantonen ausgerichteten Pauschalen für den Vollzug des Asylgesetzes steige aber stark an, nämlich gemäss Budget 2024 um fast 190 Millionen Franken im Jahr.
Auch sei die Effizienz im kantonalen Vollzug «sehr unterschiedlich», etwa bei der Ausschaffung von Asylsuchenden mit rechtskräftiger Ablehnung des Gesuchs. Würden Wegweisungen effizient vollzogen und hätten mehr Flüchtlinge und Schutzbedürftige eine Arbeitsstelle, senke dies die Kosten für die öffentliche Hand massgeblich.
Abgewiesene Asylsuchende aus Eritrea, die nicht in ihr Heimatland zurückgeführt werden können, sollen die Schweiz in Richtung eines Drittlandes verlassen müssen. Das fordert der Ständerat.
Er hat am Mittwoch eine Motion von Petra Gössi (FDP/SZ) mit dieser Forderung angenommen. Der Entscheid fiel mit 26 zu 16 Stimmen bei einer Enthaltung.
Der Ständerat hatte im vergangenen Juni bereits einen ähnlichen Vorstoss angenommen. Der Nationalrat lehnte diesen im vergangenen Dezember knapp ab. Die grosse Kammer muss sich nun erneut mit dem Thema auseinandersetzen.
Gössis Motion verlangt vom Bundesrat, ein Transitabkommen mit einem geeigneten Drittland abzuschliessen. Muster soll ein Abkommen sein, das 2003 die damalige Justizministerin Ruth Metzler im Senegal unterzeichnet hatte, danach aber nie in Kraft war.
In der Bevölkerung herrsche ein grosses Unbehagen, dass man machtlos sei bei der Rückführung von abgewiesenen eritreischen Asylsuchenden, sagte Gössi. «Man muss neue Lösungen suchen», hielt Pirmin Schwander (SVP/SZ) fest. Damian Müller (FDP/LU) wies auf mehrere gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen eritreischen Staatsangehörigen in der Schweiz hin.
Der Bundesrat lehnt die Motion ab. Die Zusammenarbeit mit Eritrea habe sich verbessert, und die Zahl der ausreisepflichtigen Eritreer und Eritreerinnen habe sich etwas verringert, sagte Justizminister Beat Jans. Auch gebe es weniger Asylgesuche aus Eritrea.
«Trotzdem finden wir die Situation auch nicht befriedigend», sagte Jans. Eritrea sei nicht bereit zu kooperieren. Ein Transitabkommen wie jenes mit Senegal Anfang der Nullerjahre würde laut Jans das Problem jedoch nicht lösen. Es würde lediglich den Transit für maximal 72 Stunden erlauben. Viele Betroffene würden danach wieder in die Schweiz zurückkehren.
«Wir wissen alle, dass diese Motion nichts bringt», gab auch Daniel Jositsch (SP/ZH) zu bedenken. Probleme mit dem Ausweisungsvollzug nach Eritrea hätten auch andere Länder. Es gelte, mit der Verwaltung nach anderen Lösungen zu suchen.
Der Ständerat will härter gegen Ausländer vorgehen, die gewaltsam dasjenige Regime unterstützen, vor dem sie angeblich geflohen sind. Er hat am Mittwoch eine entsprechende Motion von Andrea Caroni (FDP/AR) angenommen – mit 29 zu 11 Stimmen.
«Wer in der Schweiz Zuflucht sucht, mit der Begründung, vom Regime seines Heimatstaats verfolgt zu werden, kann nicht gleichzeitig öffentlich oder gar gewaltsam für ebendieses Regime auftreten», machte Caroni geltend. In jüngster Zeit aber hätten sich gewalttätige Demonstrationen gehäuft, die den eritreischen Diktator verherrlichten und eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bevölkerung darstellten.
Der Bundesrat teilt das Anliegen der Motion. Es sei unverständlich, dass in der Schweiz aufgenommene Personen gewalttätige Demonstrationen durchführten, sagte Justizminister Beat Jans. Der Bundesrat sei jedoch der Ansicht, dass die rechtliche Handhabe, um gegen solche Personen vorzugehen, schon bestehe.
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) widerrufe das Asyl, wenn Asylsuchende die innere oder äussere Sicherheit verletzten, sagte Jans. Laut Caroni sind die Anforderungen für ausländer- und asylrechtliche Massnahmen jedoch viel zu hoch. Deshalb seien entsprechende Gesetzesänderungen ins Auge zu fassen. (rbu/sda)
Dann haben die Räte entweder keine Ahnung oder wollen an der aktuellen Situation nichts ändern.