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Albert Rösti: Wie das Bundesamt für Umwelt das Artensterben beschönigte

Albert Rösti bei seiner Antrittsrede nach der Wahl in den Bundesrat
Steht in der Kritik: SVP-Bundesrat Albert Rösti. Bild: srf

Bundesamt ohne Macht: Wie das BAFU nach Röstis Gusto das Artensterben beschönigte

Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hat einen Bericht zur Artenvielfalt beschönigt. Mitarbeitende beklagen, dass die politische Position höher gewichtet wird als die fachliche.
07.05.2024, 15:06
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Während das Artensterben drastisch zunimmt und zahlreiche Lebensräume für Tiere und Pflanzen schwinden, findet das zuständige Umweltdepartement von SVP-Bundesrat Rösti: alles halb so schlimm.

Ein Beitrag der Republik sorgt für Aufregung: So soll das BAFU einen Bericht über das Artensterben beschönigt haben – ganz nach dem Gusto des SVP-Bundesrates. Doch von Anfang an.

Schweiz auf Kurs – oder nicht?

Im Juni 2023 veröffentlichte das Bundesamt für Umwelt den Bericht «Wirkung des Aktionsplans Biodiversität». Seit 2017 ist dieser Aktionsplan in der Umsetzung, der klar definierte Ziele hat, wie die Artenvielfalt in der Schweiz gefördert und das Artensterben verhindert werden soll.

Die Quintessenz des BAFU nach den ersten Jahren: Die Schweiz ist auf Kurs. Doch laut der «Republik» stimmt das so nicht. Die Zeitung verglich den publizierten Bericht mit internen und externen Gutachten, welche für das BAFU als Grundlage dienten, und kam zum Schluss: Der Bericht wurde beschönigt und die Errungenschaften in der Biodiversität besser dargestellt, als sie tatsächlich sind.

Ein Beispiel aus der ersten Version des Berichts lautet etwa, dass sich die «derzeitige land­wirtschaftliche Praxis mit ihren hohen Stickstoff- und Pflanzen­schutzmittel­einträgen negativ auf die Arten­vielfalt auswirke». Schöngefärbt stehe an dieser Stelle nun: «In der Agrar­landschaft gestaltet sich die Entwicklung bei den Biouniversitäts-Förderflächen positiv.» Die negative Wirkung der Pflanzenschutzmittel wurde einfach weggelassen. Ebenfalls aus dem Bericht gestrichen wurde eine Aussage über den Ausbau der Wasserkraft, welche die Biodiversität beeinträchtige. Rösti als ehemaliger Präsident des Wasserwirtschaftsverbandes muss es wohl besser wissen.

Politik über Fachwissen

Gegenüber der Republik verteidigte sich das BAFU, dass der Bericht auf sachgerechten Fakten basiere. Naturschutzorganisationen wie Birdlife Schweiz kritisieren jedoch, dass die Artengefährdung im Bericht heruntergespielt werde. Fakt ist laut der Akademie der Naturwissenschaften stattdessen, dass die Biodiversität trotz des Aktionsplans in einigen Bereichen weiter abnimmt.

Doch gemäss dem BAFU sind über die Hälfte der Massnahmen auf gutem Weg. Dass in den ursprünglichen Gutachten bemängelt wurde, dass nur ein Drittel der Massnahmen auf Kurs seien, hat das BAFU mit einer Reduktion der Ziele gleich selbst ausgehebelt, wie es im Bericht schreibt: «Die Beschleunigung der Umsetzungs­arbeiten ging jedoch mit einer Reduktion der Ziele und damit einer geringeren Wirkung der Massnahmen und Projekte zu Gunsten der Biodiversität (…) einher.»

Biodiversität
In Gefahr: Artenvielfalt der Schweiz. Bild: Shutterstock

Gegenüber der «Republik» äusserten sich einige Politikerinnen und Politiker verstört über die Recherche. «Ich bin schockiert. Es darf nicht sein, dass bei uns Fachberichte von Amts­stellen geschönt und für politische Ziele missbraucht werden», erklärte SP-Nationalrätin Martina Mutz gegenüber der Zeitung. Auch bei den Grünliberalen findet man den Bericht «zum Haareraufen».

Obwohl dieser Artenvielfalt-Bericht aufzeigt, dass Rösti das Umweltdepartement auf SVP-Kurs trimmt, hat auch UVEK-Vorgängerin Simonetta Sommaruga den Aktionsplan des Bundes verlangsamt. Bei ihr sei es vermutlich aber darum gegangen, den Vorwurf der Behördenpropaganda abzuschwächen.

All dieser politische Druck hinterlasse eine Stimmung der Angst bei den Mitarbeitenden, schreibt die «Republik». Laut einer Umfrage des Bundespersonal­verbandes im Jahr 2022 hätten BAFU-Mitarbeitende angegeben, dass das Fachwissen oft weniger gewichtet werde als politische Aspekte. So stehe im Bericht: «Erwartet werde, dass die von oben erwünschte Position vertreten werde und nicht die aus fachlicher Sicht korrekte.» (kma)

Auch beim Wolf spielte die Wissenschaft eine untergeordnete Rolle:

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Video: srf
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131 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Baguette
07.05.2024 14:42registriert Februar 2020
Es ist eine Schande, was da ab geht. Ich habe den detaillierten Bericht in der Republik gelesen und bin entsetzt. Wenn den Leuten im Bafu die Umwelt egal ist, sind sie am falschen Platz und ein Departementsvorsteher, der einfach bloss Parteipolitik macht, ist nicht tragbar. RÖLSTI ist eindeutig nicht willens, saubere Bundesrats-Arbeit zu leisten und dies nicht zum ersten Mal. Kann weg.
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EinBisschenSenfDazu
07.05.2024 14:50registriert September 2022
Arbeite selber als Fachexperte im Bereich Revitalisierungen von Fliessgewässern und kann solche politischen Übergriffe (anders kann man das nicht nennen) durchaus auch auf tieferer Stufe beobachten. Von einigen Auftraggebern (Ämter, Gemeinde, Firmen) werden fachliche Aussagen (z.B. Wasserversorgung pumpt Grundwasser und damit Gewässer nachweislich leer, was u.A. zu Fischsterben führt) häufig rausgestrichen und um den heissen Brei geredet, weil es politisch heikel sei. Ist mir als Fachexperte eigentlich egal, ob das heikel ist. Sonst dürfen Sie gerne Politiker als Fachexperten beauftragen.
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Güggel
07.05.2024 14:41registriert März 2017
Wen überraschts? Die Umweltverbände tun gut daran, Rösti weiterhin ganz genau auf die Finger zu schauen und solch politische Vereinnahmung der Wissenschft konsequent publik zu machen.
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