Im Zuge des schweren Sturms, der innerhalb weniger Minuten die Stadt La Chaux-de-Fonds verwüstete, konnten die Bewohnerinnen und Bewohner grundsätzlich auf grosse Hilfe zählen. Die obere und die untere Hälfte des Kantons Neuenburg arbeiteten Hand in Hand, andere Kantone halfen ebenfalls mit – etwa Lausanne oder Genf.
Aber nicht alle hatten dabei gute Absichten: Während die Leute sich um ihre beschädigten Häuser kümmerten und von Freiwilligen unterstützt wurden, nutzen andere die Situation aus, um sich zu bereichern. So liess die Kantonspolizei in einer Medienmitteilung verlauten:
Daniel Favre, Präventionsbeauftragter der Kantonspolizei Neuenburg, erklärt watson, in welchen Situationen die Einwohner von La Chaux-de-Fonds Gefahr laufen, betrogen zu werden.
Seit Montagabend stehen die Arbeiten in La Chaux-de-Fonds nicht mehr still. Lokale Unternehmen und handwerklich begabte Hausbesitzer sind für Aufräumarbeiten und den Wiederaufbau mobilisiert.
Aber sie sind nicht die einzigen Beteiligten. Teilweise tauchen Privatpersonen unangekündigt auf und klingeln an den Türen. Sie bieten ihre Hilfe an, für ein paar Stunden oder einen ganzen Tag. Dabei verlangen sie zum Teil Geld – und stellen merkwürdige Forderungen:
Was natürlich eine Lüge ist. Der «Kunde», der vor vollendete Tatsachen gestellt und durch die Situation eingeschüchtert wird, ist versucht, den Betrag zu bezahlen. Favre nennt ein Beispiel:
Rechtlich gesehen spricht man von «Wucher», wenn die Situation und die Verletzlichkeit von Menschen ausgenutzt werden, um sehr teure Lösungen anzubieten. Im Artikel 157 des Strafgesetzbuches heisst es:
Favre stellt klar: «Firmen, die nach dem Sturm ihre Dienste anbieten und dabei ihre üblichen Preise verlangen, sind davon nicht betroffen.» Es ist nicht verboten, dass eine Firma für Privatpersonen in einem Katastrophengebiet arbeitet.
Der Preis sollte jedoch vor den Arbeiten besprochen werden. Es kann ein Kostenvoranschlag eingeholt werden, auch für eine dringende Situation wie in La Chaux-de-Fonds. Die Tatsache, dass man sofort und in bar bezahlen muss, ist besonders verdächtig.
Dann gibt es noch die Fälle, in denen es sich schlicht und einfach um Betrug handelt. In diesem Fall handelt es sich ebenfalls um Arbeitnehmer, die unerwartet auftauchen, aber es nicht nur bei einer Geldforderung belassen:
Die Methode ist die gleiche: Die Arbeiterinnen und Arbeiter erledigen ihre Arbeit und bitten dann darum, in bar bezahlt zu werden. In solchen Fällen handelt es sich um «Betrug». Dazu heisst es im Strafgesetzbuch, Artikel 146:
Daniel Favre erklärt, dass das Personal der ECAP (die Kantonale Versicherungs- und Präventionsanstalt) eine erkennbare Ausrüstung und Uniform trägt. Wenn es Zweifel an Gemeindepersonal gibt, «ist es durchaus möglich, die Polizei oder die Gemeinde anzurufen, um die Identität der Person zu überprüfen».
Bisher sei keiner der Betrüger aggressiv geworden oder habe einem Sturmopfer gedroht oder versucht, es anzugreifen, sagt Daniel Favre. Dies sei jedoch nicht völlig auszuschliessen:
Könnten einige Opfer leichtere Ziele sein,etwa ältere Menschen? Daniel Favre verneint dies und sagt, dass jeder zum Ziel werden könne:
Der Polizist sagt gegenüber watson, dass bereits etwa zehn Fälle von verdächtigen Haustürgeschäften oder Betrugsversuchen bei der Polizei gemeldet wurden.
In den letzten Tagen wurde eine andere Art von Verbrechen festgestellt. Dabei geht es darum, das Chaos zu nutzen, um Material zu erbeuten. Zwei Personen wurden bereits von der Polizei wegen solcher Delikte festgenommen.
Es kann aber auch Gegenstände von Privatpersonen betreffen. «Vom Restauranttisch bis zu Gartenmöbeln einer Privatperson sein, die von ihrem Grundstück weggeweht wurden, alles ist möglich», erklärt Daniel Favre. Hierbei geht es um unrechtmässige Aneignung. Dazu steht im Strafgesetzbuch, Artikel 137:
Gar das Holz von Bäumen, die durch den Sturm entwurzelt oder geknickt wurden, wird teils mitgenommen. «Manche versuchen, sich das Holz anzueignen, nachdem sie es abgesägt oder gekürzt haben», was ebenfalls verboten ist.
Es ist jedoch durchaus möglich, auf Anfrage als Freiwilliger oder Ehrenamtlicher fremdes Material zu bewegen oder zur Mülldeponie zu bringen. «Die Polizeipatrouillen führen manchmal Kontrollen durch», erklärt der Polizist. Man muss aber keine Angst vor der Polizei haben, wenn man losgeht, um die beschädigten Stühle der 80-jährigen Nachbarin zu entsorgen. «Man muss eine gewisse Weitsicht bewahren», gibt Daniel Favre zu bedenken.
Kamen um zu "helfen" und haben die Häuser ausgeräumt...