Die Zeilen im Mitteilungsblatt der Gemeinde Rorschacherberg von Ende März bergen Zündstoff. Beschrieben wird die geplante Neugestaltung einer Strassenkreuzung in unmittelbarer Nähe der Schulanlage Klosterguet. Neu soll es einen Kreisel und eine Haltestelle geben. Diese ist aber nicht nur für den Schulbus vorgesehen – sondern auch für sogenannte Elterntaxis. Die Begründung: «Diese Massnahmen sollen die gefährlichen Ein- und Auslademanöver reduzieren, weil in der Haltebucht die Kinder in einem geschützten Bereich ein- und aussteigen können.»
Gegenüber dem «St.Galler Tagblatt», welches die Geschichte publik machte, sagt Schulleiter Matthias Haas: «Wir können den Eltern nicht verbieten, ihre Kinder zur Schule zu fahren.» Haas hatte noch vor drei Jahren einen «emotionalen Appell» an die «Taxi-Eltern» gewandt. Er bat sie, die Kinder nicht mehr in die Schule zu fahren: «Gönnen Sie Ihren Kindern einen spannenden und abwechslungsreichen Schulweg.» Dieser Meinung sei er weiterhin, sagt Haas zur Zeitung. Auch für Gemeindepräsident Beat Hirs sind die Elterntaxis «eine Unsitte». Aber Rorschacherberg sei wie alle anderen Gemeinden auch «mit der Realität konfrontiert, in der es Elterntaxis eben trotzdem gibt.»
Dass die Gemeinde am Bodensee kein Einzelfall ist, zeigt eine Anfrage von watson bei der Erziehungsdirektion des Kantons Bern. Bauliche Massnahmen in Bezug auf Elterntaxis seien auch schon Gesprächsthema gewesen, sagt Erwin Sommer, Vorsteher des Amts für Kindergarten, Volksschule und Beratung. Ein vergleichbarer Fall wie in Rorschacherberg sei ihm allerdings nicht bekannt. Auch beim Volksschulamt des Kantons Zürich höre man auf informellem Weg immer wieder von Problemen mit Elterntaxis in einzelnen Schulgemeinden, sagt Amtschefin Marion Völger.
«Die Problematik der Elterntaxis ist ein grosses Thema an den Schulen», bestätigt Beat W. Zemp. Der Präsident des Schweizer Lehrerverbands LCH stellt aufgrund zahlreicher Gespräche mit Berufskollegen fest, dass die Anzahl Kinder, die mit dem Auto in die Schule gebracht werden, «unzweifelhaft angestiegen» sei. «Es wächst eine ‹Generation Rücksitz› heran, der die grundlegenden Erfahrungen fehlen, welche man auf dem Schulweg macht», bedauert Zemp.
Dabei sei der Schulweg pädagogisch ungemein wertvoll. Wer ihn alleine oder gemeinsam mit anderen Kindern zu Fuss oder per Velo zurücklege, lerne Selbstständigkeit und mache dank den Interaktionen mit anderen Kindern Fortschritte im sozialen Bereich. Den Schulweg «mit Muskelkraft» zu absolvieren, sei nicht nur gesundheitlich sinnvoll, ergänzt der Berner Amtsvorsteher Erwin Sommer: «Er stellt auch eine wichtige Möglichkeit zur Verarbeitung der schulischen Erlebnisse dar.»
Doch eine rechtliche Handhabe gegen die «Taxi-Eltern» gibt es nicht. Erst mit dem Eintritt ins Schulgelände kommen die Kinder unter die Obhut der Schule, sagt Lehrerverband-Präsident Zemp: «Der Schulweg fällt unter die alleinige Verantwortung der Eltern.» Manche «Taxi-Eltern» seien unbelehrbar, das müsse man akzeptieren.
Es gebe aber auch auch «ehrbare Gründe» für Eltern, ihre Kinder per Auto zur Schule zu bringen, betont Zemp. Etwa wenn die Sicherheit auf dem Schulweg nicht garantiert sei. Hier seien die Gemeindebehörden in der Pflicht, die Verkehrsplanung kindergerecht zu gestalten.
Auf die Verkehrssicherheit beruft sich auch die Gemeinde Rorschacherberg. Man wolle die Situation sicherer machen, sagt Gemeindepräsident Beat Hirs zum «St.Galler Tagblatt». Denn derzeit hielten die Eltern mit ihren Autos nicht nur auf dem Schulgelände, sondern auch an der nahe gelegenen Kantonsstrasse, was dort zeitweise für Chaos und Gefahr sorge.
Beat W. Zemp vom Lehrerverband kann diese Beweggründe nachvollziehen. Es sei sicher richtig, eine gefährliche Situation zu entschärfen, sagt er zu watson. Mit Blick auf eine mögliche Signalwirkung sagt Zemp: «Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass Eltern dazu eingeladen werden, ihre Kinder per Auto in die Schule zu bringen.» Dafür will Schulleiter Matthias Haas sorgen. Er will laut dem «St.Galler Tagblatt» auch in Zukunft und trotz Haltestelle an die Eltern appellieren, ihre Kinder nicht mit dem Auto in die Schule zu fahren.
Lustig ist, dass diejenigen Schüler, die nicht in die Schule gekarrt werden, lebendig in derjenigen ankommen.
Diese Schüler müssen sich allerlei Gefahren erwehren : Wegelagerer, Räuber, Plünderer, wilde Bären und Wölfe, Wetterumstürze..
Und sie lernen was fürs Leben. Werden abgehärtet und finden neue Freunde.
Aber nein, der Jonas Fintan Adalbert wird natürlich mit dem SUV zur Schule gekarrt. Wohlbehütet und umsorgt, um allen Gefahren aus dem Weg zu gehen.
Also die Eltern.