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«PussyKilla» – was den Fahndern bei der Post so alles ins Netz geht

«PussyKilla» und «Libido Forte» – was den Fahndern bei der Post so alles ins Netz geht

Während der weltweiten «Operation Pangea» suchen Schweizer Zöllner und Gesundheitsfachleute nach verbotenen Medikamenten. Sie stossen dabei immer wieder auf die gleichen Produkte.
20.07.2022, 14:21
Pascal Ritter / ch media
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Ein Donnerstagmorgen im Juni. Im Postzentrum Zürich-Mülligen fahren die Pakete zu Tausenden über die Förderbänder. Flink kleben Mitarbeiter grüne und rote Kleber auf die Päckli vom Onlinehändler oder von der Grossmutter: mal zollfrei, mal zollpflichtig.

Sind sie echt? Sind es zu viele? Ein Zöllner nimmt Pillen aus einem Paket genau unter die Lupe.
Sind sie echt? Sind es zu viele? Ein Zöllner nimmt Pillen aus einem Paket genau unter die Lupe.Bild: rit

Es scheint ein ganz normaler Arbeitstag zu sein in Mülligen, wo sämtliche internationale Sendungen für die Schweiz abgefertigt werden, wären da nicht die rund 15 Fahnder. Fachleute des Schweizer Zolls, der Heilmittelbehörde Swissmedic und der Anti-Doping-Behörde Swiss Sport Integrity, haben an diesem Tag eine besondere Mission.

Die Pakete mit den Klebern rollen weiter übers Band, da schnappt sich eine Zöllnerin eines von ihnen. Es ist eines dieser unförmigen, mit dünner Plastikfolie umwickelten Pakete, die meist aus Asien stammen. Wer sich schon einmal eine neue Handyhülle über Wish oder Ali-Express bestellt hat, weiss wovon die Rede ist. Die Zöllnerin schüttelt die Sendung und tastet sie mit den Fingern ab. Der Verdacht scheint sich zu erhärten. Sie legt das Paket beiseite. Später landet es einen Stock höher in einer Kiste, wo schon Dutzende andere solcher Sendungen liegen und darauf warten, genauer unter die Lupe genommen zu werden.

Gefälschte und illegale Ware aus dem Internet

Was an diesem Donnerstag in Mülligen abläuft, ist Teil der «Operation Pangea» von Interpol, einer weltumspannenden Organisation von Sicherheitsbehörden, die bereits zum 15. Mal stattfindet. Ziel ist es, gefälschte und illegal importierte Arzneimittel aufzuspüren und aus dem Verkehr zu ziehen. Bestellt werden diese meist im Internet. Und die Fahnder werden fündig.

Eine Zöllnerin wirft ein Paket in den Rolli mit den Verdachtsfällen: Sind darin illegale Pillen versteckt?
Eine Zöllnerin wirft ein Paket in den Rolli mit den Verdachtsfällen: Sind darin illegale Pillen versteckt?Bild: rit

Die Schweizer Fachleute kontrollierten in Mülligen 948 Sendungen. Davon wurden 231 beschlagnahmt. Auch ausserhalb der Operation Pangea findet der Zoll verbotene Arzneimittel. Er zeigte den zuständigen Behörden im vergangenen Jahr 9421 Sendungen mit Heilmitteln und 788 Sendungen mit Dopingmitteln an.

Allein im letzten Jahr stellten die Behörden weltweit im Rahmen dieser Aktion illegale medizinische Produkte im Wert von über 23 Millionen US-Dollar sicher. 113'000 Webseiten, die verbotene Arzneimittel anboten, wurden geschlossen.

Der Handel mit illegalen Medikamenten nimmt zu und hat durch die Coronapandemie noch einmal einen Schub bekommen.

Tanja Brunner ist Chefin des Zolls in Zürich. Ihr Team kontrollierte während der Operation Pangea im Briefzentrum Mülligen in Schlieren bei Zürich noch genauer als sonst, was dort übers Band fährt.
Tanja Brunner ist Chefin des Zolls in Zürich. Ihr Team kontrollierte während der Operation Pangea im Briefzentrum Mülligen in Schlieren bei Zürich noch genauer als sonst, was dort übers Band fährt.Bild: rit

«Wir erleben in den letzten Jahren eine regelrechte Schwemme an gefälschten und illegal importierten Medikamenten», sagt Tanja Brunner, Chefin des Zolls Zürich. Manchmal löst schon der Blick auf die Absenderadresse eine genauere Prüfung des Paketes auf verbotene Arzneimittel aus.

Produziert werden illegale Pillen meist in Asien. Die Vertriebswege wechseln allerdings. Oft gelangen die Sendungen über Osteuropa in die Schweiz. Die Anbieter verbotener Medikamente seien gewieft und flexibel, sagt Brunner.

Herkunftsländer der bei der Operation PANGEA XV in der Schweiz beschlagnahmten Sendungen.
Herkunftsländer der bei der Operation PANGEA XV in der Schweiz beschlagnahmten Sendungen.Bild: rit

Wenn die Fahnder Verdacht schöpfen

Manchmal braucht es aber auch Gespür und Gehör. Brunner schüttelt ein verdächtiges Paket. Man hört, wie Pillen gegen die Innenwand der Plastikverpackung klackern. Als sie die Sendung zwischen zwei Fingern zusammendrückt, erklingt das helle Rascheln von dünner Folie, wie sie an der Unterseite von Tablettenblistern angebracht ist.

Als nächstes untersucht geschultes Personal von Swissmedic, ob sich der Verdacht der Zöllner erhärten lässt. An normalen Tagen sendet der Zoll fragwürdige Pakete zum Hauptsitz von Swissmedic nach Bern. Während der Operation Pangea sind die Expertinnen und Experten in Mülligen vor Ort. An einem halben Dutzend Tischen sitzen je eine Arbeitskraft von Swissmedic und eine vom Zoll und prüfen die Inhalte der verdächtigen Pakete.

Was mit Scham behaftet ist, wird anonym bestellt – zum Teil aus dubiosen Quellen

Ruth Mosimann stellt Kartonschächteli und Plastikbehälter auf einen Tisch. Die studierte Apothekerin leitet die Kontrolle von illegalen Arznei­mitteln bei Swissmedic und weiss, welche Mittel sich die Schweizer Kundschaft aus dem Internet bestellt. Auf den Verpackungen steht «PussyKilla» oder «libido forte». Potenzmittel fallen am häufigsten in die Hände der Fahnder der Operation Pangea. Zwei von drei der abgefangenen Präparate versprechen Männern bessere Leistungen im Bett. Gleich danach kommen Schlankheitspillen, die oft von Frauen bestellt werden. Aber auch Psychopharmaka, Anti-Babypillen und in etwas kleineren Umfang Krebsmedikamente und Antibiotika werden von Zoll und Swissmedic abgefangen.

Während der Pandemie nahmen die Bestellungen von vermeintlichen Corona-Wundermitteln wie Ivermectin zudem deutlich zu, sagt Mosimann.

Sie heissen Pussy Killa oder Libido forte. Ruth Mosimann von Swiss Medic zeigt zwei typische Fälle von illegalen Arzneimitteln, die bei einer Kontrolle hängen geblieben sind.
Sie heissen Pussy Killa oder Libido forte. Ruth Mosimann von Swiss Medic zeigt zwei typische Fälle von illegalen Arzneimitteln, die bei einer Kontrolle hängen geblieben sind.Bild: rit

«Es sind oft die mit Scham behafteten Produkte wie Potenz- oder Schlankmacherprodukte, die von den Leuten quasi anonym im Internet bestellt werden, weil sich die Kunden nicht trauen, ihr Problem mit einer Fachperson zu besprechen», sagt Mosimann. Sie warnt vor Nebenwirkungen, wie Übererektion, Herz-Kreislauf- oder Nieren-Problemen. Manche Wirkstoffe können auch eine Psychose auslösen. «Wer nicht prüft, ob Arzneimittel von einem seriösen Anbieter stammen, gefährdet seine Gesundheit», sagt Mosimann.

In einer Ecke steht eine Kiste mit der Aufschrift «Doping». Hier landen zum Beispiel Muskelaufbaupräparate, bei denen der Verdacht besteht, dass sie Substanzen enthalten, die auf Doping-Listen stehen.

Dutzende verdächtige Päckli warten im Postzentrum Mülligen in einem Nebenraum darauf, genauer unter die Lupe genommen zu werden.
Dutzende verdächtige Päckli warten im Postzentrum Mülligen in einem Nebenraum darauf, genauer unter die Lupe genommen zu werden.Bild: rit

Nur jedes vierte Päckli, die von den Zöllnern im Rahmen der Operation Pangea herausgefischt wurde, ist illegal. Einmal riecht es plötzlich nach Duftkerzen. Falscher Alarm. Und auch manche Pillensendung erweist sich als unproblematisch. Eine Privatperson darf sich pro Präparat einen Monatsbedarf an Medikamenten aus dem Ausland in die Schweiz bestellen. Für jeden Wirkstoff gibt es eine fest definierten Menge, der nicht überschritten werden darf.

Die Swissmedic-Mitarbeiter und ihre Kollegen aus Liechtenstein, die ebenfalls beteiligt sind, zählen nicht nur die Pillen, sondern sind auch auf der Spur nach gefälschten Medikamenten und nach Mitteln, deren Bestandteile nicht korrekt aufgeführt sind.

Schlechte Ware erkennen die Mitarbeiter von Swissmedic hier an den unterschiedlichen Blautönen. Diese Sendung wurde trotzdem zugestellt: ein Monatsbedarf wurde nicht überschritten.
Schlechte Ware erkennen die Mitarbeiter von Swissmedic hier an den unterschiedlichen Blautönen. Diese Sendung wurde trotzdem zugestellt: ein Monatsbedarf wurde nicht überschritten.Bild: rit

Manchmal ist der Betrug offensichtlich, etwa wenn schon auf der Packung eine viel zu hohe Dosierung eines Wirkstoffs aufgedruckt ist oder das Logo offensichtlich nicht zum Namen des Medikamentes passt. Manchmal ergibt erst eine Kontrolle im Labor von Swissmedic in Bern, dass Wirkstoffe falsch oder gar nicht auf der Verpackung aufgelistet sind. Verdächtig sind den Kontrolleuren schon bekannte Absender oder auch einmal ein schräg, offensichtlich von Hand, aufgeklebtes Etikett.

Auch unproblematische Pakete werden aufgehalten

Auch eher fragwürdige Pillen und Pülverli stellt die Post nach der Kontrolle allerdings zu, wenn sie nicht offensichtlich illegal oder gesundheitsgefährdend sind und die Menge im Rahmen des Monatsbedarfes liegt. Allerdings legen die Mitarbeiter von Swissmedic während der Operation Pangea jeweils ein Informationsblatt dazu, mit Hinweisen, wo man sich über die Gefahren von im Internet bestellten Mitteln informieren kann. Den Empfängern wird geraten, zu prüfen, ob wirklich die gewünschten Inhaltsstoffe im Produkt enthalten sind, ob der Lieferant vertrauenswürdig ist und ob eine Einnahme der Mittel gut für die eigene Gesundheit ist.

Zwei Nebenwirkung hat die Aktion: Manch legal bestelltes Medikament aus dem Ausland kommt erst mit Verspätung beim Kunden an. Zudem werden auch völlig einwandfreie Medikamente vernichtet oder an den Produzenten zurückgeschickt, wenn die Menge grösser ist als der definierte Monatsbedarf. (aargauerzeitung.ch)

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25 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Kunibert der Fiese
20.07.2022 14:46registriert März 2016
"Pussykilla" klingt wie der gamertag von nem 10-jährigen fortnite kiddie....
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Amateurschreiber
20.07.2022 15:21registriert August 2018
Menschen: NEIN! Ich lasse mich nicht impfen! Wer weiss was da alles drin ist!

Auch Menschen: Ich bestelle einfach im Internet Pillen aus Fernost. Weiss zwar nie genau was drin ist; der Beipackzettel ist nur auf Chinesisch und Englisch. Aber auf der Etikette steht "Super" und "Power" und es hat ein Bild von einem Panda.
Ausserdem ist es billig und es wird nach Hause geliefert.
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