Personalabbau in der Schweiz: Die Post bricht mit dem Portugal-Trick ihr Versprechen
Wolfgang Eger kann vieles. Nicht weniger als 44 Kenntnisse sind in seinem Profil bei der Onlineplattform Linkedin aufgelistet. Zuoberst: «Outsourcing», also das Auslagern von Dienstleistungen und Jobs. Und genau das tut Eger nun auch als oberster IT-Chef bei der Post: Er lagert Arbeitsplätze aus, von der Schweiz nach Portugal.
Und das, obwohl er vor drei Jahren genau das Gegenteil versprochen hatte. «Die Post verlagert keine IT-Stellen ins Ausland», hielt der Staatskonzern damals fest, als er die Schaffung eines IT-Ablegers in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon publik machte.
Drei Jahre später ist das Makulatur. Die Post verschiebt nun sicher 140 IT-Stellen aus der Schweiz nach Portugal. Damit stockt die Post die Zahl der Vollzeitstellen in ihrem IT-Campus von Lissabon bis 2030 von heute 60 auf 200 auf. Hinzu kommen 60 weitere, externe Mitarbeitende, die dort zwar für die Post arbeiten, aber nicht von der Post angestellt sind. Im Gegenzug schrumpft der Personaletat in der Heimat.
Heute zählt die Post in der Schweiz 1440 IT-Vollzeitstellen, bis 2030 soll es hier «rund 500 interne Vakanzen» geben, aufgrund «natürlicher Fluktuation und Pensionierungen». Damit werde der Stellenabbau in der Schweiz abgefedert. «Es soll keine Kündigungen geben», heisst es bei der Post. Wie gross die IT-Abteilung in der Schweiz in Zukunft sein wird, will der Konzern in Bundesbesitz nicht sagen. Damit beantwortet sie auch die Frage nicht, ob jetzt «nur» die besagten 140 oder 200 Stellen abgebaut werden – oder mehr.
Jetzt geht es ums Sparen
Vor drei Jahren äusserten die Sozialpartner zwar ihre Skepsis, fügten sich jedoch – vielleicht auch wegen der abgegebenen Versprechen. Die Post sichere sich mit dem Portugal-Projekt nur «jene IT-Fachkräfte, die wir in der Schweiz nicht mehr ausreichend rekrutieren können», sagte Eger damals. Argumentiert wurde einzig mit dem hiesigen IT-Fachkräftemangel. Zudem wurde insinuiert, dass die Post so via Lissabon neue IT-Fachkräfte in die Schweiz lotsen könnte.
Die Post spricht zwar weiterhin von Fachkräftemangel, auf Nachfrage räumt Eger gegenüber der «Schweiz am Wochenende» aber auch ein: «Für die Post spielen indessen auch wirtschaftliche Überlegungen und der steigende Kostendruck eine Rolle.» Und weiter: «Die Schweiz ist und bleibt der Hauptstandort und Drehscheibe für unsere Informatik.» Die «grosse Mehrheit der IT-Stellen» werde deshalb nach wie vor in der Schweiz rekrutiert und besetzt.
Wie viel der Bundesbetrieb mit der Verlagerung der 140 Stellen einsparen will, verrät er nicht. Die Post hält nur fest, dass das Lohnniveau in Portugal unter dem Schweizer Niveau liege, auch wenn sie in Lissabon nach eigenen Angaben «überdurchschnittlich gute Anstellungsbedingungen» anbietet.
Politik soll eingreifen
Der Verlagerungsentscheid wurde Anfang September vom Verwaltungsrat der Post abgesegnet – und wird nun umgesetzt. Bei den Sozialpartnern ist die Enttäuschung ob der Täuschung gross. «Die Argumentation mit dem Fachkräftemangel funktioniert nicht mehr», sagt Kerstin Büchel vom Personalverband Transfair. «Die Post will ja nicht einmal mehr versuchen, offene Stellen in der Schweiz zu besetzen.» Die Auslagerung zukunftsträchtiger Arbeitsplätze schade dem Postkonzern und dem Wirtschaftsstandort, sagt auch Matthias Loosli von der Gewerkschaft Syndicom. «Das ist der völlig falsche Weg».
Und laut den Sozialpartnern ist es auch ein gefährlicher Weg. Transfair-Geschäftsleitungsmitglied Büchel jedenfalls befürchtet, dass das Portugal-Projekt erst der Anfang von weiteren Outsourcing-Übungen sein könnte. «Was kommt als nächstes?», fragt sie mit Blick auf die E-Post-Pläne des Bundesbetriebs.
Die Gewerkschaften wünschen sich in ihrem Kampf gegen die Verlagerungspläne der Post Hilfe von aussen: «Jetzt muss die Politik aktiv werden», fordert Büchel. Die Post gehört zu 100 Prozent dem Bund, er müsse als Eigentümer dafür sorgen, dass diese Stellenverlagerung ins Ausland gestoppt werde.
Erste Parlamentarier sind, aufgeschreckt durch einen Artikel der Tamedia-Zeitungen, schon aktiv geworden: Der Genfer SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor etwa oder sein freisinniger Ratskollege aus dem Waadtland, Olivier Feller. Bundesrat Albert Rösti versuchte diese Woche im Plenum die Gemüter zu beruhigen, etwa mit dem Umstand, dass hierzulande keine Entlassungen geplant seien. «Das ist mir ebenfalls wichtig», sagte der Post-Minister. Addor genügt das nicht. Er hat schon den nächsten Vorstoss nachgereicht. (aargauerzeitung.ch)
