Der letzte Fall wurde im Sommer dieses Jahr publik: Der «Beobachter» berichtete von Zwillingsschwestern und ihren Eltern, deren Beziehung nach schlimmen Vorwürfen in die Brüche ging: Eine der beiden Zwillingsschwestern begann 2019 eine Psychotherapie. Wenige Wochen später zeigte sie ihren Vater wegen sexuellen Missbrauchs in acht Fällen an. Die Zwillingsschwester sei dabei gewesen und auch die Mutter habe alles gewusst. Diese verneinten dies.
Die Untersuchung der Staatsanwaltschaft brachte keine Indizien zutage, 2021 wurde der Vater freigesprochen. Darauf näherten sich die Zwillingsschwestern wieder an und bald behaupteten beide in Briefen an Bekannte und Verwandte: Auch ihr Grossvater habe seine Tochter vergewaltigt und mit ihr ein behindertes Kind gezeugt. Er habe es, als es zwei Jahre alt gewesen sei, mit einem Taschentuch erstickt und unter einer Linde vergraben. Zudem hätten die Grosseltern Flüchtlingskinder im Keller verhungern lassen.
Es folgten weitere Horrorszenarien, gemäss denen der Vater eine Serviertochter im Keller wie Jesus an die Wand genagelt und mit einem Hackbeil den Kopf abgeschlagen habe. Die damals vierjährigen Zwillinge hatten alles mitangesehen, ebenso Grossmutter und Mutter. Alle hätten von der Leiche gegessen, aus dem Schädel habe der Vater eine Puppe gebastelt, die heute noch auf dem Estrich liege.
Die Staatsanwaltschaft kam nach eineinhalb Jahren Ermittlungen zum Schluss, dass die Aussagen nicht wahr seien. Anfang 2024 wurde das Verfahren eingestellt.
Die Eltern sind überzeugt, dass die falschen Erinnerungen an angebliche satanistische Rituale erst in der Therapie aufkamen. Denn zu Beginn hatte die Tochter, welche die Therapie begann, den Missbrauch durch den Vater noch verneint, wie in den Therapieakten steht. Später wurden die Erzählungen immer grausiger.
Ähnliche Fälle machte das SRF 2023 aus dem Psychiatriezentrum Münsingen und der psychiatrischen Klinik Littenheid publik. Ein umfangreicher Untersuchungsbericht brachte in Littenheid zutage, dass von 2015 bis 2022 bei mehr als 200 Patientinnen und Patienten satanistische Verschwörungserzählungen in die Behandlung eingeflossen sind.
Die Fälle von solcher sogenannter «Satanic Panic» schlugen einen Graben in die Berufsgruppe der Psychologinnen und Psychotherapeuten. Auch weil es zur Behandlungsbasis in diesem Berufsstand gehört, den Patientinnen und Patienten zu glauben. Das Faktenblatt inklusive Verhaltensempfehlungen für Therapeutinnen und Therapeuten, welches die Föderation der Schweizer Psycholog:innen (FSP) nun veröffentlicht hat, ist deshalb eine bemerkenswerte Positionierung.
Vorstandsmitglied Jacqueline Frossard schreibt darin, die Fälle seien leicht zu überprüfen: «Bisher hat keine einzige im Rahmen von Satanic Panic behauptete Tatsache einer solchen Überprüfung standgehalten. Das muss zu denken geben.»
Sie betont auch, es gebe Dinge, die wir kaum wahrhaben können, weil sie so grausam seien, dass wir sie uns gar nicht vorstellen wollten. «Grausamste Handlungen an Kindern gibt es, genauso wie das organisierte Verbrechen.» Satanic Panic behaupte aber weitaus mehr. Es bedürfe einer wissenschaftlichen Untersuchung, solche Fragen zu beantworten. «Verschwörungstheoretiker/innen nehmen hier eine drastische Abkürzung: Sie erheben ihr unüberprüftes, vermeintliches Wissen direkt zur Wahrheit.»
Es gebe aber schlichtweg keine Beweise für die Existenz einer Gruppe, die rituelle Gewalt ausübe, heisst es im Faktenblatt, und dies, obwohl seit den 1980er-Jahren immer wieder entsprechende Ermittlungen laufen würden.
Eine mögliche Erklärung für die Erzählungen ist hingegen Fremd- oder Autosuggestion, die in einer Therapie – auch unbeabsichtigt – geschehen kann. Die Föderation schreibt: Behandlungen im Glauben an rituelle Gewalt könnten gefährlich sein, da dadurch entsprechende Vorstellungen womöglich erst erzeugt würden und sich die Situation von Betroffenen dadurch verschlimmere. Die FSP rät den Therapeut/innen, sich Hilfe zu holen bei der Berufsethikkammer, wenn Patientinnen auf Vorstellungen von erlebter Satanic Panic bestünden, und die Therapie abzubrechen, wenn nichts mehr erreicht werden kann.
Die Föderation weist auch darauf hin, dass es sexualisierte Gewalt in religiösen Gruppierungen oder Institutionen gebe – diese werde mit zeitlicher Verzögerung aber publik. In der Regel bestünden auch keine Absprachen im Sinne von organisierten oder koordinierten Handlungen, die Täter handelten individuell. Organisierte Gewalt hingegen existiert in kriminellen Netzwerken im Zusammenhang mit Menschenhandel oder in Kriegen. Es gebe aber keine Belege dafür, dass dies auch in spirituellen Kreisen vorkomme, so die Autorinnen des Faktenblattes, das übrigens auch von der Assoziation Schweizer Psychotherapeuten ASP unterstützt wird, wie Präsidentin Christiane Stieglitz auf Anfrage bestätigt.
Gegen Horror-Erlebnisse in der Kindheit, an die man sich plötzlich wieder erinnert, spricht auch die Gedächtnispsychologie. Es sei nicht plausibel, dass sich Erinnerungen an schwere Traumata verdrängen liessen, sagte Rechtspsychologe Jonas Schemmel von der Universität Kassel im März gegenüber der «Süddeutschen Zeitung». Schemmel hatte zusammen mit anderen in einer Studie untersucht, ob Psychotherapeut/innen an die Reaktivierung von verschütteter Erinnerung glauben. 78 Prozent gaben darin an, dass Phänomen sei ihnen in der Praxis begegnet. Und 35 Prozent gaben an, schon einmal Techniken eingesetzt zu haben, um vermeintliche Erinnerungen an traumatische Erlebnisse ans Licht zu holen.
Doch Schemmel sagt: «Die Evidenz spricht eher nicht dafür, dass sich traumatische Erlebnisse vollständig verdrängen lassen.» In der Regel seien es gerade die schlimmen Erfahrungen, an die sich die Menschen gut erinnerten. Wenn Betroffene die vermeintlichen Täter täglich sähen, sei es besonders unplausibel, dass Erinnerungen an ein schlimmes Erlebnis vergessen würden, so Schemmel gegenüber der «Süddeutschen Zeitung».
Doch die Vorstellung vom verdrängten Trauma sei tief in der Vorstellung der Bevölkerung verankert. Und dass viele Bilder aus der Kindheit verschwommen seien, mache es plausibler, dass etwas vermeintlich Verschüttetes plötzlich wieder da sei. Tatsächlich tauchen in Therapien immer wieder Dinge auf, die Patienten lange nicht in den Sinn gekommen sind – meist sind dies jedoch nicht einschneidende Ereignisse.
Sogenannte Schein- oder Falscherinnerungen werden in den letzten Jahren stärker erforscht. Sind sie erst einmal da, fühlen sie sich wie echte Erinnerungen an: Man hat herausgefunden, dass sich Personen, denen nur erzählt wurde, was sie einmal getan oder erlebt haben, dies später als echtes Erlebnis empfinden können. Familienfotos aus den ersten beiden Lebensjahren, an die wir uns unmöglich erinnern, können so zu aktiven Erinnerungen werden. Auch können sich alte Erlebnisse verformen, jedes Mal, wenn wir sie hervorholen. (Weiterführender Artikel dazu von 2020)
Doch auch wenn jemand in Therapie falsche Erinnerungen äussert, heisst das nicht, dass die Person nicht tatsächlich traumatisiert ist oder zumindest psychisch leidet. Vorstandsmitglied Frossard betont: «In der ganzen Diskussion darf nicht untergehen, dass traumatisierte Patient/innen dringend auf Hilfe und entsprechende Infrastrukturen angewiesen sind.» (aargauerzeitung.ch)
Bis heute bin ich davon überzeugt, dass diese Chefin ebenfalls in dieser Satanic Panic Sekte involviert war.
So jemand darf einfach nicht auf diesem Beruf arbeiten.
Das Internet trägt auch viel dazu bei. Da gibt es echt viele sogenannte Erfahrungsberichte von angeblichen Opfern, die schlimmstes erfahren haben sollen und wie sie sich befreiten. Sie glauben aber immer noch es sei alles passiert.