Schweiz
Religion

Bruder Beno: Der ehemalige Franziskaner-Mönch Beno Kehl und seine Mitstreiter vom rechten Rand

Der ehemalige Franziskaner-Mönch Beno Kehl und seine Mitstreiter vom rechten Rand

Er ist einer der bekanntesten Geistlichen der Schweiz: Beno Kehl, ehemaliger Franziskaner-Mönch. Nun hat die Biographie des 51-Jährigen eine neue Wende genommen.
18.03.2019, 16:5905.11.2019, 13:46
Hugo Stamm und Raimond Lüppken
Mehr «Schweiz»

Bekannt wurde er als Bruder Beno, der mit wehender Mönchskutte auf Zürichs Strassen Gassenarbeit leistete und Fürsprecher der Penner und Kiffer war. Auch als Einsiedler und Klostervorsteher auf der Rhein-Insel Werd fand er mediale Aufmerksamkeit.

Der leutselige Mönch mit dem unerschütterlichen Glauben an das Gute im Menschen wurde rasch zum Liebling der Medien. Er war Gast bei Aeschbacher, regelmässiger Talker bei den regionalen TV-Sendern, und Dauergast bei den Zeitungen und Illustrierten, bei denen er es sogar aufs Titelblatt schaffte.

Beno Kehl
Beno Kehl vor zwei Jahren.screenshot: tele züri

Bruder Beno war ein Farbtupfer in der dogmatischen katholischen Kirche und ein spiritueller Grenzgänger. Um Konventionen kümmerte er sich wenig, Feuerlaufen gehörte zum beliebten Ritual.

Endgültig in die Esoterik-Szene rutschte er ab, als er in den Nullerjahren den gefährlichen Lichtnahrungsprozess durchlief. Dabei trank er pflichtbewusst eine Woche lang keinen Tropfen Wasser und nahm drei Wochen lang keine feste Nahrung zu sich. Danach sei man fähig, beliebig lang ohne Nahrung zu leben, behaupten die Kursleiter. Beno Kehl tat dies nach eigenen Aussagen drei Monate lang.

Für die dicksten Schlagzeilen sorgte Beno Kehl 2010, als er nach 20 Jahren den Orden verliess, weil er sich in eine 13 Jahre jüngere Frau verliebt hatte. Heute hat er mit ihr zwei Kinder.

Hin und her

2014 erhielt er ein Teilzeitpensum als Seelsorgemitarbeiter bei der katholischen Kirchgemeinde Lommis TG, doch Bischof Gmür legte das Veto ein. Zur Vordertüre raus und zur Hintertüre wieder rein, das gehe nicht, sagte dieser. Das verbiete das Kirchenrecht. Beno Kehl wurde gar verwehrt, kirchliche Räume zu benutzen.

Er gründete den Verein kahnu («kostenlos, aber hoffentlich nicht umsonst») und bietet seither kirchenunabhängig alle Arten von seelsorgerischen Dienstleistungen an: Von der Trauung bis zur Beerdigung, vom Gottesdienst bis zu Töffsegnungen.

Dann vollzog Beno Kehl die nächste Wende. Er wechselte das Lager und heuerte sich bei der reformierten Kirche an. Mit Erfolg, denn er arbeitet seither als Diakon für die Kirchgemeinde in Sirnach TG, wo er unter anderem Konfirmandenunterricht erteilt.

Ironie der wechselhaften Geschichte von Beno Kehl: In diesem Sommer will er sich selbst konfirmieren lassen.

Die Inspiration durch Anastasia

Sein christlicher Glaube und seine kirchlichen Engagements haben ihn nie daran gehindert, immer tiefer in ein esoterisches und zunehmend verschwörungstheoretisches Gedankengut abzugleiten.

Höhepunkt seiner geistigen Eskapaden und Verwirrungen sind die aktuellen Propaganda-Aktionen für die völkische und rassistische Bewegung Anastasia, die deutliche Sektenmerkmale aufweist. Beno Kehl bezeichnet die 10 Bücher, auf die Anastasia ihre Ideologie und Visionen begründet, als sehr inspirierend. So sehr, dass er sie integral auf seine Homepage kahnu.ch stellte. Sie hätten ihn von neuem mit der Liebe zur Natur erfüllt.

Besonders angetan hat es ihm die Idee von den Familienlandsitzen. Der ehemalige Mönch möchte die Schweiz überziehen mit kleinen «Landsitzen», auf denen Familien autark leben könnten.

Anastasia spricht alle Sprachen und ist fähig, alle Wünsche zu erfüllen – behauptet Megre.

Die Idee vom Rückzug aus der Konsumwelt hin zum kleinen Bauernhof ist zwar in der kleinräumigen Schweiz utopisch, doch von Hindernissen lässt sich Beno Kehl nicht abschrecken. Problematisch ist hingegen, dass damit ein rechtskonservatives Weltbild verbunden ist, das verdächtig nach einer Blut-und-Boden-Politik riecht. Doch das ist kein Grund für ihn, auf Distanz zur rassistischen Bewegung zu gehen.

Zehn Bücher, zehn Millionen?

Die Anastasia-Bewegung entstand in Russland und dehnte sich in den letzten Jahren über Deutschland in die Schweiz aus. Sie stützt sich auf die zehn Anastasia-Bände des russischen Esoterikers Wladimir Nikolaevich Megre, die zwischen 1996 und 2010 erschienen sind und inzwischen auch auf deutsch übersetzt wurden. Sie verbreiteten sich schnell in der hiesigen Esoterik-Szene. Insgesamt sollen über zehn Millionen Bücher verkauft worden sein, behauptet der Autor.

Megre hat nach eigenen Angaben 1994 auf einer Reise in die russische Taiga die junge, hübsche Anastasia getroffen, die fern jeder Zivilisation lebe und über aussergewöhnliche spirituelle und übersinnliche Fähigkeiten verfügen soll.

Sie besitze besondere Heilkräfte, kenne Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, beherrsche Telepathie, könne mit ihrer Gedankenkraft die Welt verändern, spreche alle Sprachen und sei fähig, alle Wünsche zu erfüllen. Tiere würden ihr das Essen bringen, behauptet Megre. Beno Kehl glaubt, dass es eine Anastasia gebe, aber er sei nicht überzeugt, dass es zu 100 Prozent jene Astasia sei, die Megre beschreibe.

Beno Kehl
Bruder Beno in früheren Tagen.Bild: tele züri

Viele Esoteriker lassen sich vor allem durch die Behauptung Anasatasias verblenden und verführen, diese Eigenschaften würden auch in uns schlummern. Sie seien lediglich durch die technokratische Zivilisationentwicklung zugeschüttet worden. Durch die Rückkehr zur Natur und ein schollenverbundenes Leben würden wir die übersinnlichen Eigenschaften wieder wecken. Die beste Therapie sei die Gründung eines abgelegenen Familienlandsitzes.

Neben der Esoterikszene haben die Bücher auch Öko-Fundis, die rechtsradikale Reichsbürger-Bewegung, Verschwörungstheoretiker und antisemitische Kreise elektrisiert. Diese ideologisch eng verknüpften Interessengruppen verschmelzen zu einer rechtsradikalen, rassistischen Szene. Beno Kehl sagt dazu: «Landbesitz und rechtsextremes Gedankengut werden schnell in einen Topf geworfen.» Er habe durch das Lesen der Bücher die Freude am Lebendigen ganz neu schätzen gelernt.

«Böse jüdische Oberpriester»

Wladimir Megre verbreitet in seinen Anastasia-Büchern auch antisemitische und rassistische Ideen. Die Juden würden selbst die Schuld an der Verfolgung und am Holocaust tragen, behauptet er, resp. Anastasia. Im 6. Band zählt der Autor die Judenverfolgung durch viele Jahrhunderte auf. Sein Fazit:

«Da das schon mehr als ein Jahrtausend geschieht, kann man den Schluss ziehen, dass das jüdische Volk vor den Menschen Schuld hat. Aber worin besteht die Schuld? Die Historiker, die alten wie die neuen, sprechen davon, dass sie Verschwörungen gegen die Macht anzettelten. Sie versuchten alle zu betrügen, vom Jungen bis zum Alten. Von einem, der nicht sehr reich sei, versuchten sie, wenigstens etwas wegzunehmen, und bei einem Reichen seien sie bestrebt, ihn ganz und gar zu ruinieren. Das bestätigt die Tatsache, dass viele Juden wohlhabend sind und sogar auf die Regierung Einfluss nehmen können.»

Weil Anastasia diese Zusammenhänge erkannt habe, wollten die «bösen jüdischen Oberpriester» die Heilsbringerin töten, schreibt Megre.

Beno Kehl dazu: «Ich dachte mir beim Lesen des Romans von Megre: Ups, das wird sicher bei einigen in den falschen Hals geraten.» Er habe diese Texte «schlichtweg mehr oder weniger überlesen».

Die Schönheit der Frau sei dazu bestimmt, im Mann den «Sinn für Dichtung, Kunst und Kreativität zu erwecken».

Frauenfeindlich und sexistisch

Megres Bücher enthalten auch frauenfeindliche und sexistische Aussagen und die Idee der Telegonie. Diese besagt, dass Frauen durch den ersten Sexualpartner geprägt würden. Dieser würde quasi den Geist und das Blut der Kinder prägen, auch wenn diese letztlich von einem anderen Mann gezeugt würden. Megre wörtlich: «Es gibt genügend bekannte Fälle, in denen weissen Ehepaaren Kinder mit schwarzer Haut geboren wurden.»

Wladimir Megre
Vladimir Megre, sibirischer Unternehmer und Autor der Anastasia-Bücher.Bild: wikicommons/Лобачев Владимир

Beno Kehl sagt dazu, es gebe einige Stellen in den Megre-Büchern, «welche ich einfach stehen lassen kann, nicht teile oder einfach nicht verstehe».

Die Telegonie wurde auch von den Nazis benutzt, um ihre Rassenlehre zu untermauern. Das Credo: Eine arische Frau, die mit einem Nicht-Arier Sex gehabt habe, könne keinen Arier mehr gebären.

Auch das Frauenbild in den Anastasia-Büchern ist mehr als antiquiert. Dunkelkräfte würden die fleischlichen Bedürfnisse anstacheln, behauptet der russische Autor. Er verlangt deshalb von den Frauen Reinheit: «Keine Frau ist imstande, einen Mann von der Unzucht abzuhalten, wenn sie sich selbst ihm nur um der Befriedigung ihres Geschlechtstriebes willen hingibt.» Die Schönheit der Frau sei dazu bestimmt, im Mann den «Sinn für Dichtung, Kunst und Kreativität zu erwecken». Dazu müsse die Frau aber selbst rein sein.

Businessplan für Familienlandsitz steht

Der ehemalige Franziskaner-Mönch Beno Kehl macht auf seiner Homepage für diese Bewegung Propaganda. Und er träumt davon, einst selbst mit seiner Familie auf einem Familienlandsitz zu wohnen und die angeblich verkümmerten spirituellen Eigenschaften zu neuem Leben zu erwecken.

Kehl hat am 1. Januar dieses Jahres einen 21-seitigen Businessplan entworfen, in dem er den Aufbau eines Familienlandsitzes detailliert beschreibt.

Über den Verein «Familienlandsitze Schweiz», der im November 2015 gegründet wurde, schreibt Kehl: «Hier haben sich offene Menschen aus allen Ecken der Schweiz und des benachbarten Auslands gefunden, welche die gleiche Vision teilen: Das Paradies auf Erden für alle zu erschaffen.» Angestrebt werde ein Raum der Liebe und ein Leben in Harmonie mit allen Wesen und dem Kosmos.

«Wie in jeder Gruppe wird es auch da extremere Vertreter haben.»
Beno Kehl über den Verein «Familienlandsitze Schweiz»

Die Anastasia-Bücher dienten als Inspiration

Er sei Mitglied des Vereins und könne sich gut vorstellen, mit 10 oder 20 Familien, die je eine Hektare bewirtschaften wollen, ein Familienlandsitz-Projekt zu starten, sagte Kehl auf Anfrage. Bei den Treffen, an denen er nicht oft teilnehmen könne, hätte ihn beeindruckt, dass die Leute aus verschiedensten Schichten zusammenkommen, erklärte Beno Kehl.

Sie wollten keinen Anastasia-Kult machen. Sie liessen sich aber ebenfalls von Megres Büchern inspirieren. Wörtlich: «Wie in jeder Gruppe wird es auch da extremere Vertreter haben.»

Beno Kehl ist eine Art Pressesprecher für den Verein Familienlandsitze. Da es einige Berichte gegeben habe, die nicht sehr objektiv gewesen seien, habe niemand mit den Medien Kontakt pflegen wollen, sagte er. Bei einem Treffen sei er dann quasi zum Mediensprecher bestimmt worden.

Wie stark Kehl in der geistigen Welt von Anastasia und der Esoterik verwurzelt ist, zeigte ein Interview mit der Esoterikzeitschrift «Spuren». Dort spricht er vom Ahnenkult und vom dualen Opfersystem.

Als er bei einem Afrikaaufenthalt krank wurde, habe er einen Prozess ausgelöst, «bei dem ich selber durch eine Art von Tod gegangen war und sich Kanäle in die fünfte Dimension auftaten. Es war ein Übergang durch die Leere in ein multidimensionales Bewusstsein, das sich vollendet in einem echten Einheitsbewusstsein.»

Bezeichnend ist auch seine Vorstellung von der Telepathie. Diese Kommunikationsform erfolge im Nanofrequenzbereich und «über unsere DNA im Zellkern oder vielmehr aus dem Konglomerat aus allen DNA Zellkern-Kristallen». Mit Hilfe kosmischer Kräfte könne eine Verbindung unter Menschen hergestellt und eine Kommunikation aufgebaut werden. Dadurch werde möglicherweise dereinst das Internet überflüssig, spekuliert Kehl.

Wie sehr Beno Kehl auch heute noch von seinem guten Ruf als selbstloser Mönch und Gassenarbeiter zehrt, zeigt eine kürzliche Ehrung. Ihm wurde vor drei Monaten der renommierte Jonas-Furrer-Preises verliehen.

Update:
Beno Kehl legt Wert auf die Feststellung, dass er nicht die gesamten Anastasia-Bücher inspirierend finde, sondern nur die Passagen, in denen es um die Pflanzen und die Natur gehe. Weiter möchte Beno Kehl präzisiert haben, dass er nicht Diakon sei, sondern diakonischer Mitarbeiter. Beno Kehl stellt ausserdem fest, dass er weder ein Rassist sei noch in die völkische Szene abgerutscht. Er hat inzwischen die Bücher vom Megre von seiner Homepage genommen. Er wehrt sich dagegen, in die sektenhafte Ecke gestellt zu werden.
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die bizarrsten TV-Auftritte der Sektenführerin Uriella
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
32 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Chriguchris
18.03.2019 17:15registriert November 2018
Ufff, mir schwirrt bloss noch der Kopf....
40
Melden
Zum Kommentar
avatar
Juliet Bravo
18.03.2019 17:48registriert November 2016
Solche Schwurbeleien sind immer wieder schräg zu lesen. „Telepathie, Kommunikation im Nanofrequenzbereich über DNA im Zellkern, im Konglomerat aus allen Zellkern-Kristallen“. Dass dann noch Rassentheorien der Nazis, Antisemitismus, Ahnenkult und dergleichen Teil solcher Glaubenssysteme sind, macht das ganze gefährlich.
30
Melden
Zum Kommentar
avatar
DocShi
18.03.2019 17:46registriert Mai 2018
Sollte sich lieber mal mit sich selbst beschäftigen und sich fragen was er denn selber eigentlich wirklich will!
Scheint ja so dass er das selber nicht weiss oder warum die ganzen Wechsel?

Einen Seelenspiegel (damit ist gemeint sich selbst zu hinterfragen, sich mal ganz genau selbst zu sehen und sich selbst und anderen absolut zu vergeben) tut jedem mal gut.

Nur meine Meinung.
😎
10
Melden
Zum Kommentar
32
In «schwieriger Lebenssituation»: Randalierende Person löste in Basel Polizeieinsatz aus

Eine randalierende Person hat am Donnerstagmittag an der Basler Burgfelderstrasse einen Polizei-Grosseinsatz ausgelöst. Die Polizei konnte den 33-jährigen Mann anhalten. Drittpersonen waren nicht gefährdet, wie die Basler Staatsanwaltschaft der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mitteilte.

Zur Story