Am Sonntag wurde bekannt, dass derzeit eine kirchliche Voruntersuchung wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch und dessen Folgen durch Mitglieder der Schweizer Bischofskonferenz laufe. Dies berichtet der «Sonntagsblick».
Am Dienstag dann veröffentlichten Forschende der Universität Zürich einen Bericht über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche.
So reagieren die kirchlichen Würdenträger der Schweiz auf die Vorwürfe:
Zuerst zu den Folgen der kirchliche Voruntersuchung gegen Mitglieder der Schweizer Bischofskonferenz. Die Untersuchung wurde vom Bischofskonzil angeordnet – die für solche Vorwürfe zuständigen Behörde in Rom. Der Churer Bischof Joseph Bonnemain wurde mit der Leitung der Untersuchung beauftragt.
Nun geht ein beschuldigter Abt, Jean Scarcella, selbst an die Öffentlichkeit und zieht Konsequenzen: Er lässt sein Amt per sofort ruhen, wie kath.ch berichtet. Ihm wird vorgeworfen, einen Teenager sexuell belästigt zu haben.
Der Abt schreibt:
Es könnte auch weitere Opfer von Abt Jean Scarcella geben, wie der Blick berichtet. Bei der Kantonspolizei sei eine Anzeige eingegangen.
Der 71-Jährige ist aktives Mitglied der Bischofskonferenz der Schweiz als Territorialabt von Saint-Maurice im Wallis. Weiter ist er seit letztem Jahr der Abtprimas der Konföderation der Augustiner Chorherren. Er ist damit international der höchste Repräsentant seines Ordens. Die Abtei ist das älteste durchgehend existierende Kloster des Abendlandes, etwa 1500 Jahre alt.
Die Voruntersuchung wurde eingeleitet, nachdem der ehemalige Generalvikar Nicolas Betticher sich mit einem internen Schreiben an den Vatikan gewandt hatte. Darin erhob er schwere Vorwürfe im Umgang mit sexuellen Missbrauchsfällen gegen mehrere emeritierte und amtierende Mitglieder der Schweizer Bischofskonferenz.
Eine zweite Person, die im «Sonntagsblick» schlecht wegkommt, ist der Bischof von Sitten, Jean-Marie Lovey. Ihm wird von der Zeitung Vertuschung vorgeworfen. Darum sei auch er Ziel der internen Untersuchung der Schweizer Bischofskonferenz.
Lovey bestritt, Kenntnisse von entsprechenden Fällen gehabt zu haben. Er versicherte vor den Medien:
Er würde zurücktreten, falls die Untersuchung über sexuellen Missbrauch und dessen Vertuschung ihn belasten sollte. Das sagte er am Mittwoch an einer Medienkonferenz in Sitten.
Bischof Lovey bestritt jegliche Kenntnis und Vertuschung der Vorfälle.
Der Bischof von Sitten sprach von insgesamt 19 Fällen von sexuellem Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche im Wallis seit 2015. Ein Fall betreffe einen inkardinierten Priester. Lovey bestätigte auch, dass sein Vorgänger, Bischof Norbert Brunner, Archive aussortiert habe.
Während Scarcella sein Amt niederlegt, reagiert die Schweizer Bischofskonferenz auf den Bericht der Universität Zürich – und schlägt erste Massnahmen vor.
Die Universität Zürich hatte am Dienstag eine Studie, die 1002 Fälle von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in der Schweiz seit der Mitte des 20. Jahrhunderts dokumentiert, veröffentlicht. Den Forschern zufolge handelt es sich dabei nur um die Spitze des Eisbergs, da die meisten Fälle nicht gemeldet und Dokumente vernichtet wurden. Die Studie war von drei katholischen Gremien in Auftrag gegeben worden, darunter die Schweizer Bischofskonferenz.
Diese umfassen insbesondere neue institutionelle Strukturen für die Meldung von Fällen, eine psychologische Kontrolle der Priester- und Weihekandidaten, die Professionalisierung der Personalressourcen und ein absolutes Verbot der Vernichtung von Dokumenten, die mit Missbrauch in Verbindung stehen. Morerod versichert:
Er erinnerte daran, dass dieser insbesondere dank der Opferhilfe bereits begonnen habe.
So hat der Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg, Charles Morerod, die Studie der Universität Zürich über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche als «erschütternd» bezeichnet.
Er betont, dass sich die Diözese für einen Kulturwandel einsetze. Der Bericht zeige einmal mehr den schlechten Umgang mit Missbrauchsfällen in der Kirche auf, heisst es in einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme von Morerod.
Das Bistum Lausanne, Genf und Freiburg unterstütze die von der Bischofskonferenz vorgeschlagenen Massnahmen.
Auch der St. Galler Bischof Markus Büchel hat am Mittwoch auf Ergebnisse der Studie über den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche reagiert. Er räumte Fehler ein.
Bischof Markus Büchel hat sich zu den beiden St. Galler Fällen geäussert, die in der am Dienstag veröffentlichten Pilotstudie der Uni Zürich vorkommen. Darin geht es zum einen um massive Übergriffe in einem Kinderheim in Lütisburg, die bis 1988 stattfanden.
Der zweite Fall handelt von einem Priester, dem seit 2002 sexuelle Übergriffe vorgeworfen werden. In die Abklärungen war vor allem der Vorgänger von Büchel involviert. Bei der Übergabe sei ihm kein offener Fall gemeldet worden, sagte der Bischof vor den Medien. Dass er die Abklärungen seines Vorgängers nicht mehr überprüft habe, sei ein grosser Fehler gewesen. Nun habe er aber eine Voruntersuchung eingeleitet und eine Strafanzeige gegen den Pfarrer eingereicht.
Das Bistum Lugano hat am Mittwoch vor den Medien eine bessere Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in Aussicht gestellt. Gemäss dem am Dienstag veröffentlichten Bericht von Historikerinnen und Historikern der Universität Zürich wurden im Bistum Lugano zahlreiche Dokumente vernichtet.
Es sei für das Bistum Lugano unmöglich, die Schuld in dieser Sache nicht anzuerkennen, sagte der apostolische Administrator des Bistums Lugano, Alain de Raemy, am Mittwoch vor den Medien. Er stellte eine «definitive Veränderung» in Aussicht. Es brauche Gerechtigkeit für die Opfer.
Die Missbrauchsfälle sind im Bistum Lugano äusserst schlecht dokumentiert, wie der Bericht der Universität Zürich festhält. Demnach sind in den 1990er-Jahren zahlreiche Dokumente vernichtet worden. Zudem sei das historische Archiv des Bistums während vieler Jahre von «archivarisch ungeschultem Personal» geführt worden.
Als konkrete Verbesserung stellte de Raemy die Schaffung einer unabhängigen Meldestelle für sexuelle Übergriffe in Aussicht.
(rbu/yam/sda)