Eigentlich wollte «Arena»-Moderator Mario Grossniklaus mit seinen Gästen die Abstimmungen diskutieren. Im Speziellen, wie es nach dem Autobahn-Nein nun weitergeht.
Doch das gelang mehr schlecht als recht. Gegenseitige Schuldzuweisungen von Parlamentarierinnen und Parlamentariern ist man sich von der Sendung gewohnt. In der gestrigen Debatte gesellten sich jedoch massenhaft Zahlenklaubereien und Fachsimpelei hinzu. Der eine oder andere Fernsehzuschauer dürfte früher oder später eingenickt sein.
Und so bleibt vor allem ein kurioser Moment in Erinnerung. Doch dazu gleich mehr. Zunächst zur geladenen Politrunde, die in der Abstimmungs- und Autobahn-«Arena» die Klingen kreuzte:
Der angesprochene kuriose Moment ereignete sich, als nach rund 20 Minuten Jacques Sutter aus dem Publikum zu Wort kam. Am vergangenen Sonntag versenkte das Stimmvolk gleich drei der vier Behördenvorlagen.
Moderator Grossniklaus wollte von Sutter wissen, ob er sich vom Parlament noch genügend repräsentiert fühle. «Eigentlich nein», lautete die zunächst harmlose Antwort des Aargauer Rentners, der eher rechts wählt und den Autobahn-Ausbau unterstützte. Dann fuhr Sutter fort:
Autofahrer wie er hätten Milliarden in den entsprechenden Fonds einbezahlt, das Geld sollte zweckgebunden eingesetzt werden, da müsse man niemanden mehr fragen.
Das kam bei Matthias Aebischer gar nicht gut an. War der SP-Nationalrat zu Beginn der Sendung noch bestens gelaunt – nebst den Abstimmungserfolgen für Links-Grün wurde Aebischer am Sonntag in die Berner Stadtregierung gewählt –, war nun Schluss mit lustig.
«Wenn Herr Sutter kommt – fünf Tage nach einer Abstimmung, die er verloren hat, weil man seine Autobahnen nicht breiter macht – und sagt, man müsse die Volksrechte aushebeln, dann muss ich mich vehement dagegenstellen.»
Die Schweiz sei eine direkte Demokratie, er sei extrem stolz, in diesem Land zu politisieren, und froh, gebe es mit der Bevölkerung ein Korrektiv, so Aebischer weiter.
Auch FDP-Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher zeigte sich über den Vorschlag von Sutter erstaunt. «Ich war letzten Sonntag zum Teil sehr betroffen von dem, was unser Volk abgestimmt hat, und doch ist für mich völlig klar, dass ich das nicht einschränken möchte.»
Abgesehen von diesem demokratiepolitischen Exkurs war die «Arena» eine eher zähe Sache. Einerseits sollte die Frage besprochen werden, ob Bund und Parlament aufgrund der Klatsche am vergangenen Sonntag am Stimmvolk vorbei politisieren. Andererseits ging es um die Zukunft der Schweizer Mobilität nach dem Nein zum Autobahn-Ausbau.
Allerdings wurden beide Themen laufend vermischt, die Debatte war daher mässig aufschlussreich.
SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner warf Links-Grün vor, den Individual- und den öffentlichen Verkehr gegeneinander auszuspielen. Der Transport-Unternehmer argumentierte mit den 27 Milliarden Franken, die bis 2035 in den ÖV investiert und vom Parlament getragen werden.
Etwas später bediente sich Giezendanner dem bekannten SVP-Narrativ. «Das Problem ist, dass wir zu viele Menschen in diesem Land haben. Deswegen kommen wir nicht mehr weiter.»
Die 30 Prozent der SVP-Wähler, die gegen den Autobahn-Ausbau gestimmt hätten, litten unter Dichtestress und hätten daher ein Zeichen setzen wollen. «Wir haben seit 2003 rund 1,5 Millionen mehr Menschen im Land und 1,3 Millionen Autos mehr, die Strassen sind gleich geblieben. Über das sollten wir reden.»
SP-Mann Aebischer hingegen plädierte für günstigere ÖV-Preise. «77 Prozent der Schweizer Familien haben ein Auto. Wenn ihr als Familie von Bern nach Luzern ins Verkehrshaus gehen möchtet, kostet der Zug 100 Franken. Wenn da ein Auto in der Garage steht, wärt ihr ja blöd, würdet ihr es nicht nutzen.» Aebischer schlussfolgerte:
Susanne Vincenz-Stauffacher brach in Bezug auf das Autofahren eine Lanze für das Gewerbe. Bei ihr in der Familie werde gerade ein Haus umgebaut, «der Fensterbauer und der Maler können ihr Material nicht aufs Lastenvelo laden, das müssen wir doch auch berücksichtigen».
Auch die Versorgung, etwa bei Migros und Coop, sei wichtig, so Vincenz-Stauffacher weiter. «Wenn die im Stau stehen, funktioniert es nicht.»
Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone zeigte Verständnis für die Ansprüche des Gewerbes, verwies dann aber rasch auf den Freizeitverkehr:
So ging es weit über eine halbe Stunde hin und her. Mazzone möchte Gelder aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) für das Klima einsetzen, Aebischer argumentierte mit dem Velo, das viele Stauprobleme lösen würde.
Giezendanner erachtet die von Bundesrat Albert Rösti vorgeschlagene Velo-Steuer als eine gute Idee, über die man diskutieren könne. Vincenz-Stauffacher hält es für wichtig, dass der Individualverkehr nicht verteufelt wird.
Nach 70 «Arena»-Minuten waren die Fernsehzuschauer nur bedingt schlauer. Die Zukunft der Schweizer Mobilität bleibt nach dem Autobahn-Nein ein Zankapfel, Einigkeit dürfte noch sehr lange nicht einkehren.