Kurz vor Aufzeichnungsbeginn hat sich am Fernsehstudio Leutschenbach die Sonne definitiv gegen die Regenwolken durchgesetzt. Es ist der Startschuss in ein warmes Wochenende, das Sommertage vom Feinsten verspricht.
Finster ist derweil immer noch die Lage in der Ukraine. Die geplante Invasion Putins ist zu einem Abnutzungskrieg verkommen, der sich noch Monate oder gar länger hinziehen könnte. Und genau darum geht es am Freitagabend in der SRF-«Arena». Beziehungsweise um die Frage, wie die Schweiz ihre Neutralität interpretieren soll. Eine Diskussion, die mit dem Krieg im Osten Europas neu aufgeflammt ist.
Eingeladen ins Studio 8 sind die Fraktionsspitzen oder deren Vertretungen. Es sind dies:
Viel einstecken muss an diesem Abend Thomas Aeschi. Mit der Neutralität à la SVP können die anderen Teilnehmenden nicht viel anfangen und das lassen sie den Zuger auch deutlich spüren. «Der Bundesrat hat in diesem Krieg die Neutralität leichtfertig aufgegeben», beschwert sich Aeschi. «Wir wollen zurück zur immerwährenden, bewaffneten und umfassenden Neutralität.»
Die Schweiz solle nicht von Fall zu Fall entscheiden, sondern in allen Konflikten neutral bleiben, fordert der SVP-Fraktionspräsident. Aeschi kritisiert, dass der Bund Sanktionen gegen Russland ergriffen hat. «Wir dürfen uns nicht über Sanktionen in den Krieg hineinziehen lassen, wie das jetzt gerade passiert mit Russland und der Ukraine», so der Ökonom.
Auf der gegenüberliegenden Seite löst Aeschis Votum nur Kopfschütteln aus. «Wenn man sich nicht positioniert, hat man sich auch positioniert», kontert Priska Seiler Graf. «In diesem klaren Fall, mit diesem ganz klaren Aggressor, Russland hat das Völkerrecht aufs Übelste verletzt, da wäre es auch eine Aussage gewesen, wenn wir uns nicht an den EU-Sanktionen beteiligt hätten.» Man könne sich nicht einfach aus allem raushalten, so die SP-Nationalrätin.
Seiler Graf kommt auf die «Neutralitäts-Initiative» der SVP zu sprechen und erhebt in Richtung Aeschi schauend schwere Vorwürfe. Die Initiative habe «das Geschäftsmodell Kriegsgewinnler», sagt die SP-Frau. Die SVP agiere ganz nach dem Motto: «Wir halten uns überall raus, machen aber trotzdem Geschäfte.» Seiler Graf beginnt an diesem Abend stark, gerät gegen Schluss aber in Erklärungsnot. Doch dazu später mehr.
Widmen wir uns zunächst Bregy, der ebenfalls hart mit Aeschi ins Gericht geht. Der Bundesrat habe die Neutralität auf keinen Fall gebrochen, meint der Walliser. «Das ist einfach falsch, wenn Sie das hier immer wiederholen», sagt er zu Aeschi. «Wenn man dann noch davon spricht, die Schweiz sei jetzt Kriegspartei, dann ist das einfach unanständig und unehrlich gegenüber dem Volk.» Im Falle der Ukraine könne man sich nicht hinter der Neutralität verstecken und wegschauen, so der Mitte-Nationalrat. «Es ist unsere Pflicht, als Schweiz Position zu beziehen.»
Als ob die doppelte Schelte von SP und Mitte nicht schon genug wäre, bekommt es Aeschi jetzt auch noch mit Cottier zu tun. «Wenn die Schweiz alleine in Europa die Sanktionen nicht übernimmt, dann sehen alle anderen europäischen Länder, dass die Schweiz einfach profitieren will», so der FDP-Nationalrat. «Wie regeln wir dann unsere Beziehung zur EU, wenn wir nur als Profiteur angesehen werden?»
Der Neuenburger ist zum ersten Mal in der «Arena» und legt einen soliden Auftritt hin. Interessant sind seine Ausführungen auch deshalb, weil er erst kürzlich mit dem Europarat in den zerstörten Städten Irpin und Butscha unterwegs war. Die Menschen in der Ukraine seien der Schweiz «dankbar, dass sie die Sanktionen übernommen hat und dass sie die Werte Frieden und Demokratie unterstützt», erzählt Cottier.
Kaum überraschend ist, dass auch Moser und Arslan eine andere Auffassung von Neutralität haben als SVP-Vertreter Aeschi. Auch von ihnen muss er Kritik einstecken. Durchaus bemerkenswert ist jedoch ein Schlagabtausch, der sich zwischen der Grünliberalen und der Grünen ereignet.
Was eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der Nato angeht, zeigt sich Arslan grundsätzlich skeptisch. Auch, weil es potenzielle Gegner «provozieren» könnte. Dass die Ukraine sich der Nato angenähert habe, so die Grüne, «hat Russland so provoziert, dass man dort einen Krieg angefangen hat.»
Moser kann darob nur die Augen verdrehen. Sie finde das «eine sehr heikle Aussage», zu sagen, die Ukraine habe Russland provoziert. «Die Faktenlage ist klar, Russland hat als Aggressor ein demokratisches Land angegriffen.» Arslan will sich zwar nochmals erklären, doch das gelingt ihr nicht. Der Punkt geht klar an Moser, die auch sonst überzeugen kann.
Gegen Ende der Sendung fällt die Diskussion auf den Kampfjet. Ein sehr emotionales Thema, bei dem plötzlich nicht mehr Aeschi völlig abseits steht, sondern Priska Seiler Graf. Denn die SP-Politikerin will mit einer Initiative den Kauf der F-35-Jets verhindern. Sehr zum Unmut der bürgerlichen «Arena»-Teilnehmer.
Zunächst steuert Seiler Graf noch einigermassen schadlos durch den Gegenwind. Doch dann gerät sie in ordentliche Turbulenzen. Ihr gehe es doch gar nicht wirklich um diesen Kampfjet, wirft ihr Moderator Sandro Brotz vor, «es geht Ihnen um das, was in Ihrem Parteiprogramm steht». Dort heisst es: «Die SP setzt sich für die Abschaffung der Armee ein.»
Die Klotnerin gerät darob ähnlich stark ins Wanken wie zuletzt die Flieger im Landeanflug bei Sturmtief «Roxana». Erst nach ein paar Sekunden kann sie sich wieder fangen und gibt dann zu, dass sie selber die Armee nicht abschaffen wolle. Man müsse aber sehen, dass der Passus im Parteibuch «eine Vision» sei, so Seiler Graf. «Wir möchten eine Welt, in der keine Armeen mehr nötig sind. Aber diese Welt sieht momentan nicht so aus. Das sieht auch die SP so ein.»
Den Steilpass von Brotz nimmt Bregy natürlich noch so gerne auf. «Das ist einfach nicht wahr, was Frau Priska Seiler Graf hier sagt», so der Mitte-Politiker. Die SP wolle die Armee abschaffen und hätte auch «gegen einen Papierflieger eine Initiative eingereicht».
Das letzte Wort über die Kampfjets ist in der «Arena» auch nach dieser Sendung nicht gesprochen. Schon bald will die SP die Stop-F-35-Initiative einreichen. Das wird Brotz und sein Team für einmal jedoch nicht kümmern. In den kommenden Wochen werden sie sich viel eher mit Ferien- als mit Kampf- und Papierfliegern beschäftigen. Denn bis zum 26. August ist «Arena»-Sommerpause.