Sie hatte durchaus ihre unterhaltenden Momente, die SRF-«Arena» am Freitagabend. Zum Beispiel als GLP-Nationalrat Beat Flach die Runde mit einer metaphorischen Perle bediente: «Alle wollen sich den Pelz waschen, aber niemand traut sich, sich nass zu machen», erklärte er. Flach unterstrich damit seinen Willen zu offensiverer Unterstützung der Ukraine, gar direkte Waffenlieferungen würde er ermöglichen.
Oder als FDP-Nationalrätin Maja Riniker für Erheiterung sorgte, indem sie ein Votum von Pultnachbar und SVP-Ständerat Werner Salzmann mit «da bin ich teilweise gleicher Meinung, aber auch entschieden anderer Meinung» quittierte. Salzmann hatte kritisch über die Prüfung engerer militärischer Zusammenarbeit mit Nato-Staaten gesprochen.
Im Grossen und Ganzen lief der Abend aber in sehr geordneten Bahnen ab. Zumeist sachlich, teilweise gar konstruktiv plauderte Moderator Sandro Brotz mit:
Dass es kaum emotional und hitzig wurde, mag einerseits mit der Zusammenstellung der Runde zu tun gehabt haben. Die polemischeren Vertreter der Polparteien blieben für einmal zu Hause, die gegenseitigen Schuldzuweisungen wurden für «Arena»-Verhältnisse auf ein Minimum begrenzt.
Andererseits dürften auch die Themen eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben. Denn sowohl die Diskussion über die Neutralität als auch jene über das Verhältnis der Schweiz zur EU kommt seit geraumer Zeit kaum vom Fleck. Bei beiden verblasste die Emotionalität im Laufe der Zeit und wich der Debatte über technische Details. Folglich damit verbunden sein dürfte, dass die genannten Themen im aktuellen Wahlkampf nur spärlich bespielt werden.
Wie verzettelt die Debatten teilweise sind, zeigte sich symptomatisch zu Beginn der Runde, als die Kontrahenten sich gegenseitig mit Panzerzahlen eindeckten. SVP-Vertreter Salzmann befürchtete, dass eine Abgabe von 25 ausser Dienst gestellten Panzern an Deutschland den Eigenbedarf der Schweizer Armee unterminieren könnte. Riniker und Gmür-Schönenberger sahen dies anders, ebenso SP-Politiker Jon Pult, der erklärte, weshalb seine Partei indirekte Waffenlieferungen – jene an Nachbarstaaten – entgegen der einstigen Position mittlerweile mehrheitlich befürwortet. Derweil müsse die Schweiz aber vor allem an einem Ort noch mehr machen für die Ukraine:
Damit war im Grunde bereits die Kernfrage angeschnitten, die sowohl bezüglich Neutralität als auch Verhältnis zur EU entscheidend ist: Wie fest soll oder muss sich die Schweiz dem restlichen Europa anpassen? Oder etwas bissiger: Wie viel Rosinenpickerei darf sie sich erlauben?
Für SVPler Salzmann, er ist auch Chef der sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats, ist klar: «Die Schweizer Neutralität ist bei der Nato und der EU akzeptiert.» Das hätten Besuche in Brüssel klar zutage befördert.
Diese Aussage wollte seine Stellvertreterin in der Kommission, Andrea Gmür-Schönenberger, nicht so stehen lassen:
Damit erntete sie in der Runde Zustimmung. Grossmehrheitlich waren sich die Debattierenden nämlich einig, dass es eine Neudefinition der Neutralität braucht. Eine «Anpassung an das 21. Jahrhundert», wie Jon Pult es nannte. Wie diese im Detail aussehen soll, blieb allerdings unbeantwortet – es wäre auch definitiv zu viel erwartet gewesen, wenn man an gut 70 Minuten Arena den Anspruch gehabt hätte, dass diese jene Fragen beantwortet, die seit 18 Monaten in immer gleicher Form rauf- und runterdiskutiert werden.
Noch länger offen war und ist das zweite grosse Thema des Abends: Wie soll es weitergehen im Verhältnis mit der EU? Seit der Bundesrat die Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen im Mai 2021 beendet hat, geht es noch schleppender voran als zuvor.
Auch hier gilt: Die Wahl-«Arena» zur Aussenpolitik brachte keinen nennenswerten Fortschritt. Stattdessen wurde der jeweilige Status quo bekräftigt. Werner Salzmann will auf keinen Fall das Schweizer Mitbestimmungsrecht beschneiden lassen, Maja Riniker will die «Beziehungen stabilisieren» und fordert den Bundesrat zum Handeln auf, und GLP-Vertreter Beat Flach trauert immer noch dem gescheiterten Rahmenabkommen nach, das seine Partei vehement unterstützt hatte.
Es war der Bündner SP-Nationalrat Pult, der aussprach, was wohl alle Anwesenden dachten: «Warten wir die Schweizer Wahlen ab. Da muss man ehrlich sein zu den Leuten: Dass wir Wahlen im Oktober haben, hat sicher nicht geholfen bezüglich der Verhandlungen.» Niemand widersprach ihm. Immerhin gibt es mit der jüngsten Ernennung von Alexandre Fasel zum neuen Chefunterhändler so etwas wie einen Hoffnungsschimmer im EU-Dossier.
In der doch recht gesitteten Runde war es somit auch schwierig einen Sieger oder eine Siegerin zu küren. Alle Debattierenden hatten ihre guten Momente, wirklich abgefallen ist niemand. Bemerkenswert war ein Votum der grünen Nationalrätin Marionna Schlatter, die sich zu einem der wenigen Frontalangriffe hinreissen liess. Zum Verständnis der EU-Staaten hinsichtlich der Schweizer Neutralität sagte sie an SVP-Vertreter Werner Salzmann gerichtet:
Sie kritisierte insbesondere, dass russische Rohstofffirmen über Schweizer Finanzplätze wie Zug weiterhin Milliarden umsetzen können, und forderte, dass es griffigere Sanktionen diesbezüglich gibt.
Bezeichnend für die etwas zahnlose Debatte am Freitagabend war, dass Salzmann Schlatters Tirade reaktionslos über sich ergehen liess – es gilt wohl tatsächlich bis nach den Wahlen zu warten, ehe auch EU-Dossier und Neutralität wieder für lebhaftere Diskussionen sorgen.
Und was ist die Antwort der Profiteure von der SVP darauf?
Die SVP macht seit Jahrzehnten Politik und Profit auf Kosten von Menschen in Not. Hässlicher gehts nicht. Und ja. Wer SVP wählt, wählt Putin.
Klar kann man diese Frage nicht beantworten. Es ist heutzutage schlicht nicht mehr möglich, neutral zu sein.
Wir wollen allen Enstes im Ukraine - Konflikt neutral sein?
Klar, die SVP steht stramm an Putins Seite, aber ansonsten wird nicht verstanden, wie man hier neutral sein kann.