Das neue «Arena»-Jahr war noch keine zwei Sendungen alt, da musste das Programm bereits ein erstes Mal über den Haufen geworfen werden. Schuld daran hatte niemand Geringeres als Bundesrätin Viola Amherd.
Angedacht war eine Debatte zu sozialen Netzwerken wie Facebook und X und der hoch salienten Frage, wo die Meinungsfreiheit ihr Ende und Hassreden ihren Anfang haben.
Doch die Mitte-Magistratin grätschte mit ihrem Rücktritt am Mittwoch dazwischen wie Jaap Stam und Sergio Ramos zu besten Zeiten. Und so kam es, dass die «Arena»-Redaktion die Social-Media-Experten ausladen und kurzfristig eine neue Polit-Runde auf die Beine stellen musste. Über den Amherd-Abgang artikulierten die anbei aufgeführten Amtsträger:
Das Bundesamt für Meteorologie muss dieser Tage kurz davor gestanden haben, mitten im Januar eine Hitzewarnung zu kommunizieren. Jeder Schweizer Journalist wollte wissen, wer denn jetzt als Ersatz für Amherd zu kandidieren gedenkt, die Telefondrähte liefen dementsprechend kochend heiss.
Ausser dem scheidenden Parteipräsidenten Gerhard Pfister, der verlauten liess, sich «zu 95 Prozent entschieden zu haben» – ohne dabei zu sagen, wofür –, warf niemand seinen Hut in den Ring.
An diesem Zustand konnte auch Mitte-Vizepräsidentin Yvonne Bürgin im «Arena»-Studio nichts ändern. Die Findungskommission der Partei nimmt ihre Arbeit am kommenden Montag auf.
Von definitiven Kandidaturen abgesehen, erzählte Bürgin jedoch frisch von der Leber weg, was ihre Vorstellungen im Hinblick auf die anstehende Ersatzwahl sind. Bürgin wünscht sich, dass ihre Mitte dem Parlament ein «breites Ticket» präsentiert, eine 3er-Auswahl sei vorstellbar.
Die Mitte-Vizepräsidentin machte auch keinen Hehl daraus, was die in ihren Augen optimale Geschlechterverteilung ist: «Ich würde ein Mann-Mann-Frau-Ticket sehen.» Trotz 18 Jahren, in denen der Mitte-Sitz mit Doris Leuthard und Viola Amherd in weiblicher Hand war, habe es auf der Auswahl Platz für eine Frau.
Bürgin liess es sich auch nicht nehmen, ihren persönlichen Kronfavoriten zu nennen. Es sei Benedikt Würth gewesen, der St.Galler Ständerat «hat sich jedoch leider heute Morgen aus dem Rennen genommen». Was Gerhard Pfister von dieser Aussage hält, ist offen.
Kurz zuvor versenkte Bürgin die Baselbieter Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter, weil Basel «wegen Beat Jans nicht geht».
Davor und danach äusserten sich die restlichen «Arena»-Gäste zum Mitte-Ticket. SP-Nationalrat Fabian Molina nutzte Bürgins Plädoyer für zumindest einen Frauenplatz, um der SVP ans Bein zu pinkeln:
Auf Frauenquoten hatte SVP-Nationalrat Thomas Matter hingegen so gar keine Lust. «Ich wusste nicht, dass wir heute eine Feministensendung haben. Ich dachte, es geht um den Bundesratssitz der Mitte.»
Matter war richtig genervt: «Immer wieder diese Frauendiskussionen. Man sollte doch einfach die beste Person wählen.» Dann fuhr er fort:
Die SVP habe übrigens mit Rita Fuhrer (vor 24 Jahren, Anm. d. Red.) auch schon eine Frau aufgestellt, die vom Parlament jedoch nicht gewählt wurde. Mit Hans-Ueli Vogt habe man auch einen super Kandidaten präsentiert, der schwul gewesen sei, «ihr habt ihn nicht gewählt».
Für das Mitte-Ticket wünscht sich Matter eine gute Auswahl und «nach einer linken Mitte-Bundesrätin» endlich mal Kandidaturen mit bürgerlichem Profil.
Zu Beginn der Sendung ging es darum, Amherds Meriten zu benennen. Matter erwähnte die gewonnene Kampfjet-Abstimmung und etwas, das Amherd gut gemacht habe, obwohl sie nicht viel dafür könne: «Sie ist eine Walliserin und ich finde Walliser halt Gäbige. Ich bin immer ein Fan vom Wallis gewesen, nicht zuletzt, weil mein Berg dort steht, das Matterhorn.»
Ansonsten habe Amherd ein «Trümmerfeld hinterlassen». Die Schweiz weise ein Sicherheitsrisiko auf, weswegen die SVP am vergangenen Wochenende ihren Rücktritt gefordert habe.
FDP-Nationalrätin Jacqueline de Quattro hatte für Amherd mehrheitlich gute Worte übrig. So sei diese «eine starke Frau, ein richtiger Walliser Granit». Und weiter:
Inhaltlich sei er «bei sehr vielem» nicht Amherds Meinung, so SP-Nationalrat Fabian Molina. Sie habe jedoch «ein paar heisse Eisen angefasst, die vorher niemand angefasst hat». So etwa Gleichstellung, Diskriminierung und sexualisierte Gewalt in der Armee.
Da wurden Matters Nerven erneut arg strapaziert. Die Schweiz sei nicht mehr verteidigungsfähig und Amherd sei die «Gender-Woke-Diversity-Frauenförderungs-Frau» gewesen.
Diese Vorwürfe wollte Mitte-Vizepräsidentin Yvonne Bürgin nicht auf sich sitzen lassen. Amherd habe die Verteidigung nicht vergessen, die Zeit habe sich einfach geändert:
Die Verteidigungsfähigkeit benötige Zeit; Amherd habe es geschafft, das notwendige Geld aufzutreiben.
Matter konterte sogleich: «Amherd hat zuerst einmal sichergestellt, dass alle Armeebauten Solarzellen auf dem Dach haben. Dann hat sie Elektrolastwagen getestet.» Und dann habe sie auch noch sogenannte Frauenunterwäsche-Tests gemacht, ob diese auch im Winter ...
Matter machte seinen Satz nicht fertig und sagte stattdessen: «Das ist Viola Amherd und damit können wir das Land nicht verteidigen.»
Molina wiederum verwies auf das Armeebudget, das in den vergangenen vier Jahren – «ich finde das zwar falsch» – fast verdoppelt worden sei. «Wir sind heute bei sieben Milliarden Franken, das ist pro Kopf mehr als Grossbritannien, Südkorea oder Bahrain.»
Doch das VBS sei noch immer das Departement der «Pleiten, Pech und Pannen», die vorhandenen Probleme – teils auch schon unter Amherds VBS-Vorgängern aus der SVP aufgegleist – würden massiv mit Geld zugeschüttet. «Wir haben im Moment IT-Projekte im Umfang von 19 Milliarden Franken, die gemäss Finanzdelegation akut absturzgefährdet sind.»
Die Nachfolge Amherds müsse zunächst diese Probleme in den Griff bekommen, bevor man davon träumen könne, wieder verteidigungsfähig zu sein. Bis 2035 existiere ohnehin keine Kriegslogistik.
«Wegen wem?», fragte Matter rhetorisch und beschuldigte die Mitte-Links-Parteien:
Es ist ein Evergreen, wenn in der Schweiz über die Verteidigung diskutiert wird: Die Frage, wofür es eine Armee denn überhaupt braucht.
SP-Nationalrat Molina betonte, die Schweiz müsse sich an der realen Bedrohungssituation orientieren. Der Bundesrat selbst sei der Meinung, dass «der grosse vaterländische Krieg mit russischen Panzern am Rhein» unrealistisch sei.
Dafür müssten die Russen halb Europa besetzt haben, doch «der Russe kommt ja nicht mal bis nach Kiew». Viel wichtiger sei es, den Fokus auf die hybride Kriegsführung zu legen, auf Cyber, Desinformation, russische Propaganda und Terrorismus. «Da brauchen wir Geld.»
Das Armeebudget zu verdoppeln, ohne zu wissen, wohin das Geld fliesse, sei eine «Verschleuderung von Steuergeldern». In Richtung Matter schlussfolgerte Molina:
Matter sah das naturgemäss anders und betonte erneut, dass die Armee nicht verteidigungsfähig sei. Der SVP-Vizepräsident rechnete vor: «Wir müssten eigentlich 140'000 Mann haben, es sind jedoch nur 120'000 und davon sind nur 21'000 kampftauglich. Von 17 Infanterie-Bataillons sind genau 10 vollständig ausgerüstet.»
Immerhin habe man unter Amherd erstmals massiv das Armeebudget erhöhen können. «Vielleicht, weil sie keine SVP-Bundesrätin, sondern eine der Mitte ist und wir deswegen von der Mitte Unterstützung erhielten.»
FDP-Nationalrätin de Quattro stärkte Matter den Rücken. Man müsse sich als Schweiz nebst hybriden Elementen auch auf einen konventionellen Krieg vorbereiten, dieser sei «zurück in Europa». «Man kann nicht einfach warten, bis der Panzer auf der anderen Seite des Rheins steht. Man muss sich vorbereiten für den Worst Case.»
Ob und wann die Russen ihre Panzer am Rhein parkieren, konnte auch nach 70 Sendeminuten nicht beantwortet werden. Ebenso nicht, wer auf dem Ticket der Mitte für Amherds Nachfolge figurieren wird. Die erste Frage dürfte noch eine Weile offen bleiben. Die zweite klärt sich in den nächsten Wochen.
Dann hat Russland entweder mit Nukes Europa eh in Schutt oder Asche gelegt oder z.B. ein Trump alle Verraten.
Ohne "NATO Schirm" hätte die Schweiz dann eh keinen Stich mehr.
Denn die Ukraine hat nebst einem erbitterten Widerstandswillen etwas was die Schweiz nicht hat... Riesige Distanzen für Manöver usw. Die meisten in der Ukraine eingesetzten Kurzstreckenraken würden locker 2/3 der Schweiz überwinden. Wir hätten nichts zum Feuer erwidern.
Da hats wer wirklich verstanden. Spricht mir einfach aus der Seele der Molina 🤩