«Das Verteidigungsdepartement? Hoch spannend! Ich müsste nicht zweimal überlegen, wenn ich dieses Departement führen könnte. Es wäre wirklich reizvoll, dieses beschaffungsunfähige Departement auszumisten.» Die Aussage stammt von einem unerwarteten Absender: Roger Nordmann, dem ehemaligen Fraktionspräsidenten der SP. Tatsächlich fristete das VBS lange Zeit ein Dasein als Departement für Einsteiger und Aussenseiter. Bezeichnend etwa, dass Adolf Ogi dieses übernahm (oder eher: übernehmen musste), nachdem er 1995 im Bundesrat in Ungnade gefallen war.
Jahrelang schaffte es das Verteidigungsdepartement zuverlässig vor allem in die Negativschlagzeilen: Die Liste missglückter Beschaffungen ist lang, mal gehen Panzer verloren, und dann wieder bleiben die Flieger am Boden. Selbst auf den Nebenschauplätzen gibt es Baustellen: Der bundesnahe Rüstungsbetrieb Ruag kämpft mit Korruptionsskandalen, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz mit einer Vertrauenskrise, und nicht einmal die Patrouille Suisse kann von all dem mit Loopings ablenken.
Gleichzeitig ist das VBS mit 12'500 Mitarbeitenden das grösste aller Departemente. Spätestens die russische Invasion in die Ukraine rückte das Thema Sicherheit schlagartig in den Mittelpunkt des Interesses. Aus Gesprächen mit Sicherheitsexperten, Offizieren und Politikern verdichtet sich das Bild: Wer die Nachfolge von Viola Amherd antritt, übernimmt einen Harst an Problemen – aber auch eine ganze Menge Raum, um zu gestalten. Drei Gründe sprechen für diese These.
Das offensichtlichste Argument zuerst: Der Landesverteidigung stehen künftig mehr Mittel zur Verfügung. Nichts scheint die Bürgerlichen im Parlament derzeit mehr zu einen als die Aufrüstung der Armee. In der Wintersession verabschiedete nach dem Ständerat auch der Nationalrat deren Zahlungsrahmen: Knapp 30 Milliarden Franken beträgt dieser für die Jahre 2025 bis 2028. 4 Milliarden mehr als bislang. Noch immer ist dabei sehr vage umrissen, wie die Armee dereinst aussehen wird. Sehr viel konkreter sind die Pläne, die Verteidigungsausgaben auf 1 Prozent des BIP anzuheben: 2032 soll es gemäss Parlament so weit sein.
Der mutmasslich grösste – und damit auch angreifbarste – Posten ist zudem ebenfalls bereits in trockenen Tüchern: Der Kaufvertrag für neue Flieger ist unterzeichnet, ab 2028 sollen die ersten Kampfjets vom Typ F-35 eintreffen.
Die Armee ist aber nicht der einzige Ort, der im VBS aufgestockt wurde. Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) etwa wuchs seit 2010 von 230 auf mittlerweile 430 Vollzeitstellen. Aktuell beschäftigt sich dieser mit einer riesigen Reorganisation. NDB-Chef Christian Dussey soll keinen Stein auf dem anderen lassen. Als «low hanging fruit» bezeichnet die Situation ein Sicherheitsexperte: Mit den richtigen Impulsen liesse sich der Nachrichtendienst aktuell entscheidend nach dem Willen eines neuen Departementschefs formen. Auch das vor einem Jahr geschaffene Cybersicherheitsamt lässt sich noch strukturieren.
Sowohl NDB-Chef Dussey wie auch Armeechef Thomas Süssli stehen damit persönlich auf dem Prüfstand: Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein neuer Bundesrat oder eine neue Bundesrätin eigenes Personal für die Schlüsselpositionen mitbringt. Vor allem Süssli wirkte in den vergangenen Monaten arg angeschossen: Für seine unstrukturierte Sprachregelung rund um die Armeefinanzen erntete er harsche Kritik aus dem Parlament.
Und sogar aus dem Bundesrat hagelte es Giftpfeile: Aussenminister Ignazio Cassis las ihm an einer Delegiertenversammlung Schweizer Offiziere öffentlich die Leviten. Der «Tages-Anzeiger» fing die Standpauke von vergangenem März auf: «Sehr unerfreut», sei der Bundesrat von der Kommunikation des Armeechefs rund um ein drohendes Finanzloch. «Entweder ändern wir die Lage oder wir ändern den Chef», sagte Cassis. Mehr in den Senkel stellen kann man einen Verwaltungsangestellten kaum. Abgeflaut ist der Wind um die prominenteste Personalie im VBS seither nicht.
Nur wenige Tage vor Amherds Rücktritt postulierte die «NZZ am Sonntag», dass Süsslis Sitz wackle, weil milliardenschwere IT-Projekte ins Stocken geraten sind. Die Ausgangslage ist damit denkbar einfach für einen neuen Departementschef oder eine neue Departementschefin: Er oder sie könnte die persönliche Vision von der Landesverteidigung gleich von neuen Köpfen durchsetzen lassen.
Was war das für ein Kaltstart für Elisabeth Baume-Schneider: Gleich zu sieben Abstimmungen musste die SP-Bundesrätin in ihrem ersten Jahr als Innenministerin antreten. Ganz anders präsentiert sich die Ausgangslage im Verteidigungsdepartement: Aktuell ist es vor allem die Service-citoyen-Initiative, die einen Abstimmungskampf nach sich zöge. Diese verlangt, dass jede Person mit Schweizer Bürgerrecht einen Dienst zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt zu leisten habe. Der Angriff auf die jetzige Wehrpflicht hat im Parlament schlechte Chancen.
Ernster zu nehmen ist ein anderes Volksbegehren: Die Neutralitätsinitiative der SVP wirft bereits jetzt ihren Schatten voraus. Im Fokus stehen unter anderem militärische Kooperationen mit der Nato und anderen Verteidigungsbündnissen. Den Abstimmungskampf wird voraussichtlich das Aussendepartement zu bestreiten haben.
Dem Verteidigungsdepartement und insbesondere dem neu geschaffenen Sekretariat für Sicherheitspolitik (Sepos) hingegen kommt die besondere Rolle zu, bis dahin längst Fakten zu schaffen. Ob die Schweiz in Zukunft enger mit dem Ausland an Europas Sicherheitsarchitektur werkelt, wird nicht zuletzt im VBS entschieden. Ganz ohne zeitlichen Druck von aussen.
Klingt nach viel Arbeit, gewiss. Eine Strafaufgabe ist die Übernahme des VBS aber allemal nicht mehr.
Wäre ja schon krass, wenn sich die selbsternannte Law & Order Partei genau um die Führung bei Law & Order drücken würde.