Wieso kam der Rücktritt von Viola Amherd so plötzlich?
Mark Balsiger: Jede Bundesrätin und jeder Bundesrat möchte den Rücktritt zu einem Zeitpunkt ankündigen, den niemand erwartet. Das ist Viola Amherd definitiv gelungen.
Wieso möchten das Bundesrätinnen und Bundesräte?
Die schönste Phase ist diejenige vom Moment der Wahl bis zum Amtsantritt. Die zweitschönste diejenige vom Moment der Rücktrittsankündigung bis zum Zeitpunkt, wo sie das Amt abgibt. Tritt eine Bundesrätin oder ein Bundesrat ab, erscheinen in den Medien diverse wohlwollende Porträts. Diese Phase möchten sie daher selbst bestimmen können und am liebsten auch nicht mit einer zweiten abtretenden Person teilen. Und Bundesrätinnen und Bundesräte wollen natürlich auch nicht, dass parteiintern oder in den Medien die Forderung nach einem Rücktritt aufkommt. Dies erlebten wir etwa bei Moritz Leuenberger oder Pascal Couchepin, das war für die beiden Herren jeweils sehr unschön.
Genau dies ist am Wochenende jedoch passiert: Die SVP hat nach Monaten der Kritik öffentlich Amherds Rücktritt gefordert. Hat dies ihr Vorgehen beeinflusst?
Man kann davon ausgehen, dass Amherds Entscheid über den Jahreswechsel gefallen ist. Eine Phase, in der auch Bundesrätinnen und Bundesräte etwas Ruhe haben, herunterfahren, sich Gedanken machen können. Die SVP hat in den vergangenen Jahren auch schon andere Bundesrätinnen und Bundesräte zum Rücktritt aufgefordert. Das hat sich abgenützt. Ich glaube nicht, dass Amherd dies als Druck empfunden hat. Dass sie schon länger in der Kritik steht, weil zahlreiche Dinge in ihrem Departement nicht gut laufen, ist eine andere Sache. Sie musste Schlüsselfiguren auswechseln, hatte Schwierigkeiten mit der Armeefinanzierung, da kam einiges zusammen. Es waren schwierige Monate.
Viola Amherd ist erst seit sechs Jahren im Amt. Sind die Probleme in ihrem Departement der Grund für ihren Rücktritt?
Was die genauen Gründe sind, ist zum jetzigen Zeitpunkt Kaffeesatzlesen. Sie wird über den Jahreswechsel zum Schluss gekommen sein, dass längere, schwere politische Bergetappen vor ihr stehen, für die sie sich nicht mehr motivieren kann. Deswegen hat sie nun vorzeitig ihren Abgang kommuniziert.
Amherd hat während der Medienkonferenz genervt gewirkt. Sie sprach von einer «wachsenden Polarisierung», einer «sich ausbreitenden Gehässigkeit im politischen Diskurs» und der «vermehrten Durchsetzung von Partikularinteressen durch reine Machtausübung». Hat Amherd die Schnauze voll?
Dass man in einer solchen Schlüsselposition sehr viel einstecken muss, ist klar. Die negativen Punkte werden immer mehr, stauen sich auf und man kann nicht einfach den Stöpsel ziehen und alles fliesst wie schmutziges Wasser in der Badewanne ab. Ich kenne niemanden im politischen Betrieb, bei dem einfach alles abprallt. Allerdings habe ich Amherds Aussage als die einer besorgten Bundesrätin wahrgenommen und weniger auf sich selbst bezogen.
Die geopolitische Lage ist in Europa derzeit äusserst instabil. Kritische Stimmen sagen, als Verteidigungsministerin jetzt zurückzutreten, sei der falsche Zeitpunkt. Was halten Sie von dieser Kritik?
Ich tue mich schwer damit. Ich habe den Eindruck, dass man den Einfluss der Bundesrätinnen und Bundesräte grundsätzlich überschätzt. Die Schlüsselfiguren in den Departementen wissen sehr wohl, was zu tun ist. Das VBS ist das grösste aller Departemente, hat 12'500 Mitarbeitende in der ganzen Schweiz. Eine Vorsteherin kann unmöglich jedes Geschäft präzise kennen, sie ist abhängig von gutem und loyalem Personal. Als Verteidigungsministerin daher auf eine Beruhigung der geopolitischen Lage in Europa zu warten und erst dann zurückzutreten, wäre ein hehrer Anspruch an sich selbst.
Gerhard Pfister hat auf Juni seinen Rücktritt als Parteipräsident der Mitte angekündigt. Ist er nun Topfavorit auf die Nachfolge von Viola Amherd?
Ich wage mich so weit auf die Äste, zu sagen, dass der Name Gerhard Pfister bei der Ersatzwahl im März mit Sicherheit auf dem Ticket stehen wird. Eine Ersatzwahl im Sommer, Herbst oder sogar Winter wäre für ihn vom Zeitpunkt her aber idealer gewesen. Er ist bis Sommer Parteipräsident, muss seine Aufgaben wahrnehmen. Möchte er kandidieren, muss er sich vorübergehend mit einer Doppelrolle arrangieren oder seine Verantwortung ans Vizepräsidium delegieren.
Nebst Pfister gibt es andere potenzielle Kandidierende: Mitte-Fraktionspräsident Philipp Matthias Bregy. Die Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter und Nationalrat Martin Candinas. Aus dem Ständerat Benedikt Würth, Isabelle Chassot und Andrea Gmür. Worauf kommt es bei einer Bundesratskandidatur an?
Wer kandidieren möchte, wird dies für sich in den nächsten zwei, drei Tagen entscheiden. Danach ist es von allergrösster Wichtigkeit, ein gutes Team aufzustellen. Das mediale Interesse an Bundesratswahlen ist riesig geworden, der öffentliche Auftritt von Kandidierenden daher eminent wichtig. Das ist sehr zeitaufwendig, benötigt viele Nerven, jede kandidierende Person muss extrem aufpassen, was sie in Interviews sagt. Sie muss sich ein überzeugendes Profil erarbeiten und Fettnäpfchen vermeiden.
Möchten andere Kandidierende gegen Gerhard Pfister antreten?
Man kann davon ausgehen, dass eine Mehrheit der Parlamentarier davon träumt, einmal ein Bundesratsrennen zu bestreiten. Das ist ein grosses Erlebnis, eine ganz andere Dynamik als das politische Alltagsgeschäft. Es hat sich etabliert, dass man der Bundesversammlung ein Zweierticket präsentiert. Ich glaube nicht, dass Politikerinnen und Politiker der Mitte auf eine Kandidatur verzichten, nur weil Gerhard Pfister auch auf dem Ticket steht. Das wäre eine verpasste Möglichkeit. Bei der FDP-Ersatzwahl 2018 wusste Hans Wicki, dass er gegen Karin Keller-Sutter keine Chance haben wird. Niemand hat ihn wegen seiner Kandidatur ausgelacht.
Sie glauben also, dass ein Martin Candinas gegen den übermächtigen Gerhard Pfister antreten könnte? Mit dem Wissen, dass eine verlorene Wahl auch ein Stempel sein kann, wenn man später erneut kandidieren möchte.
Martin Candinas ist 44 Jahre alt, seit 2011 ist er im Nationalrat. Er kann Ständerat oder Regierungsrat werden. Er wird seit einigen Jahren als potenzieller Bundesratskandidat gehandelt, sein Jahr als Nationalratspräsident hat er mit Bravour absolviert. Stand heute erachte ich Candinas als Kandidat auf der gleichen Stufe wie Gerhard Pfister. Zumal weiche Faktoren wie die Beliebtheit bei Bundesratswahlen eine entscheidende Rolle spielen können. Das spricht für Candinas.
Stimme ihr im vollen Umfang zu. Ich bin wirklich froh, kein Politiker zu sein. Die Kommunikation auf Social Media und auch bei den Politikern unter einander ist, für mich, auf einem Tiefpunkt. Wer persönlich angreift und beleidigt, hat keinen Charakter und gehört vom Wähler ignoriert. Stattdessen werden diese Polterer gefeiert. Ich verstehe es nicht.
Da wird die FDP von der SVP getrieben und weil die FDP unbedingt den 2. Sitz behalten will ist sie der SVP ausgeliefert.
Zudem kann die SVP im BR die Ressorts nach ihrem Gusto zuweisen und dies wie gesagt mit einer falschen Mehrheit!
Solange die Bürgerlichen sich gegenseitig schützen, wird sich nchts ändern und Gewinnerin ist und bleibt die SVP. Es müsste sich die FDP und die Mitte emanzipieren und vor allem die FDP einsehen, dass der 2.Sitz NICHT gerechtfertigt ist. Doch in decke die FDP kann sich nicht ändern.