Zwei Wochen vor den eidgenössischen Wahlen kommt es in der SRF-«Arena» zum Showdown der Parteispitzen. Sie sollen über Gesundheitskosten, Klimawandel und Zuwanderung diskutieren. Gemäss Umfragen sind das die drei grössten Sorgen der Schweizer Bevölkerung. In dieser Reihenfolge. Pro Themenblock sind 20 Minuten Diskussion vorgesehen. Die Lösungen der Parteien präsentieren an diesem Abend:
90 Minuten diskutieren sie in der Sendung über ein Gesundheitssystem, in dem «Fehlanreize beseitigt werden müssen», über AKWs, «die das Volk gar nicht will» und über Zuwanderung, durch die «unsere Infrastruktur am Anschlag ist». Nichts, was man in diesem Wahlkampf nicht schon zu Genüge gehört hat. Oder wie eine Frau im Publikum, die sich als Erstwählerin zu erkennen gibt, am Ende passend bilanziert: «Es sind jetzt nicht wahnsinnig viele neue Argumente gebracht worden.»
Langweilig war die gestrige Sendung trotzdem nicht. Dank der Extremismus-Frage.
«Reden wir zuerst nicht über Zuwanderung, sondern über eine mögliche Unterwanderung», leitet Brotz das Thema ein. Die Rede ist von Maria Wegelin. Die SVP-Nationalratskandidatin hatte zwei Aktivisten der rechtsextremen Gruppierung «Junge Tat» für ihren Wahlkampf engagiert.
Die beiden sind bereits wegen Rassendiskriminierung verurteilt worden. Ein weiteres Strafverfahren gegen sie ist noch hängig. Die Zusammenarbeit zwischen Maria Wegelin und den beiden Rechtsextremen deckte der «Sonntagsblick» Ende September auf. Nachdem dies publik wurde, wollte Wegelin die Zusammenarbeit mit den Rechtsextremisten trotzdem nicht beenden.
Die SVP hat sich bisher weder von Wegelin noch von der «Jungen Tat» öffentlich distanziert. Die SVP Winterthur kommunizierte lediglich, dass man die Angelegenheit am 31. Oktober – also nach den nationalen Wahlen – in einer ausserordentlichen Generalversammlung diskutieren werde. Bis dahin lässt Wegelin ihr Amt als Präsidentin der SVP Winterthur ruhen.
Provokant fragt Sandro Brotz darum den geladenen SVP-Vizepräsidenten:
Marcel Dettling antwortet ruhig: «Nein, wir kuscheln sicher nicht mit Rechtsextremen. Die SVP lehnt jeglichen Extremismus ab, egal ob von Links oder Rechts.» Dieser Fall habe das ja gezeigt. Wegelin hätte sich aus dem Rennen genommen und all ihre Mandate für den Moment niedergelegt, bis die Sache geklärt sei. «Und das ist, glaube ich, der richtige Weg», sagt Dettling.
Er will das Thema damit beenden. Doch Brotz hakt nach: «Verstehe ich Sie richtig. Solche rechtsextreme Leute haben in der SVP nichts zu suchen?»
Dettling kann darauf nicht mit «Ja» oder «Nein» antworten. Stattdessen wiederholt er seine Links-Rechts-Extremismus-Phrase und versucht einen Gegenangriff gegen die Medien und die SP. Die Medien seien auf dem linken Auge blind. Es gäbe JUSO-Leute, die angeben würden, sie seien linksextrem. Das werde nie thematisiert. «Und da finde ich einfach, da muss man auf beiden Seiten hinschauen, egal ob links oder rechts, und beides ablehnen.»
Von diesem Manöver lässt sich Cédric Wermuth nicht täuschen: «Sie haben es wieder nicht geschafft, eine klare Position zu beziehen, Herr Dettling.»
Man müsse schon sagen, worum es in dieser Diskussion wirklich gehe. «Das sind Leute, die Judenhass haben, die die demokratische Ordnung fundamental ablehnen, die zum Teil polizeilich überwacht werden, weil sie Waffenarsenale haben, die eine reale Bedrohung für alles in diesem Land sind, das den Menschen wichtig ist», sagt Wermuth.
Trotzdem habe Dettling es heute Abend wieder nicht geschafft, sich klar von Rechtsextremen zu distanzieren und versucht sich herauszureden. Auch Konsequenzen für Maria Wegelin habe es keine gegeben.
Dettling argumentiert, dass Wermuth sich nicht mit ihren Parteistatuten auskenne. Man könne nicht einfach von oben herab ein Mitglied ausschliessen. Das müsse die SVP-Ortssektion – also Winterthur – entscheiden. Die SVP sei nun mal föderalistisch organisiert. «Darum ist es obsolet hier zu sagen: Ihr, als nationale Partei, müsst irgendwie in diesem Fall eingreifen», sagt Dettling.
Sandro Brotz unterbricht das Ping-Pong zwischen Wermuth und Dettling nicht. Selbst wenn er Wermuth nie das Wort erteilt hat. Auch sonst geht niemand zwischen die beiden. Es scheint, als würden die Leute im Studio gerade den Atem anhalten. Zumindest, bis beide durcheinanderreden, sodass man als Zuschauerin gar nichts mehr verstehen kann.
Brotz muss schliesslich doch eingreifen: «Ein Vorschlag wäre, dass Sie sich von Rechtsextremen distanzieren», er zeigt auf Dettling, «und Sie sich von Linksextremen», er zeigt auf Wermuth. «Schaffen wir das zusammen heute Abend?»
Gute Frage. Schaffen sie das? Jein.
Wermuth wehrt sich gegen die Aufforderung. Er müsse sich sicher nicht von linksextremen Leuten distanzieren, die ihn hassten und die ihm schaden wollten. «Was ist denn das für eine Gleichstellung?»
Wieder beginnen Dettling und Wermuth durcheinander zu reden. Zu verstehen ist nur noch Wermuths Wiederholung: «Sagen Sie es doch einfach? Warum ist es für Sie so schwierig?» Schliesslich ruft es Dettling doch tatsächlich in den Raum. Allerdings leiser als alles andere, das er davor gesagt hat: «Also, distanzieren Sie sich von Linksextrem. Ich tue es von Rechtsextrem.»
Sandro Brotz ist damit zufrieden. Oder zumindest will er das Thema endlich abschliessen: «Also, er hat gesagt, er distanziert sich.»
Er versucht ein Ablenkungsmanöver über den Mitte-Präsidenten: «Herr Pfister, worüber denken Sie nach?» Das Publikum bedankt diesen Kunstgriff mit einem Lachen. Denn es klappt.
Pfister antwortet: «Ich denke, dass das jetzt keine sehr fruchtbare Diskussion gewesen ist. Ich begreife nicht, warum beide so wahnsinnig Mühe haben, zu sagen: ‹Wir wollen mit Gewalt und Extremismus nichts zu tun haben›. Das ist doch selbstverständlich.»
Zumindest für Pfister ist es eine Selbstverständlichkeit, sich von Extremismus zu distanzieren. Was andere Politikerinnen und Politiker angeht, ist man sich nach dieser Wahlkampf-«Arena» nicht mehr so sicher.