Schweiz
Romandie

Krawalle nach Polizeieinsatz in Lausanne: So ist die Lage am Tag danach

Video: watson/Emanuella Kälin

«Sie waren ausser sich»: So geht es Lausanne am Tag nach der Krawallnacht

Eine Krawallnacht am Sonntag hat die Ruhe im Lausanner Quartier Prélaz gestört. Am Montagmorgen sind die Spuren noch sichtbar – doch die befragten Anwohner betonen übereinstimmend, dass wieder Ruhe eingekehrt ist.
25.08.2025, 13:5125.08.2025, 14:16
Sven Papaux
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Die Nacht vom 24. auf den 25. August verlief im Lausanner Quartier Prélaz unruhig. Nach dem Tod eines 17-Jährigen, der in den frühen Morgenstunden gegen 3.45 Uhr auf der Flucht vor der Polizei ums Leben gekommen war, kam es zu Ausschreitungen. Doch am Montagmorgen, gegen 8.45 Uhr, zeugen nur einige Hinweisschilder von den Schäden. Die Sonne scheint, und die Stimmung wirkt gelöst.

Le quartier de Prélaz a vécu une nuit violente le 24 août.
Der Asphalt im Lausanner Quartier Prélaz hat nach den Ausschreitungen vom Sonntagabend gelitten. Image: watson

Im Café de Prélaz habe sich nichts verändert, versichert eine Angestellte des Lokals, das in der Nähe des Krawallorts liegt. Lediglich drei Stühle seien bei der Öffnung nicht an ihrem gewohnten Platz gewesen, sondern vor der Tür. Eine Mitarbeiterin lacht und sagt:

«Sie haben sie uns zurückgebracht.»

Nicht weit entfernt sitzen zwei Nachbarinnen am Tisch und lassen die Szenen des Sonntagabends Revue passieren. «Ich wohne am Chemin de Renens. Gegen 21 Uhr haben sie begonnen, den Park zu verwüsten. Mehr als vier Jugendliche habe ich nicht gesehen», erzählt die eine. Später hätten sich verschiedene Gruppen zusammengeschlossen, um an den Ausschreitungen teilzunehmen.

Jugendliche «ausser sich»

Sie fährt fort: «Mein Mann hat die Jugendlichen aufgefordert aufzuhören. Ich habe ihm gesagt, er solle reingehen, sonst hätte er sie noch angeschrien», erzählt sie – besorgt über die möglichen Reaktionen der Jugendlichen, die sie als «wie ausser sich» bezeichnet und die mit Feuerwerkskörpern auf die Ordnungskräfte schossen.

Le quartier de Prélaz a été secoué par des jeunes "enragés"
Der Asphalt weist Spuren der Ausschreitungen auf.Image: watson

Die Jugendlichen zündeten anschliessend mehrere Container an – drei bis vier laut den beiden Nachbarinnen –, unweit der Stiftung Clémence, einem Alters- und Pflegeheim. «Ich schrieb meiner Freundin, um zu erfahren, ob sie wach sei. So hätte sie mich auf dem Laufenden halten können, falls die Situation eskaliert wäre», erzählt eine von ihnen.

Une poubelle calicinee est photographiee sur l'Avenue de Morges apres des emeutes la veille au soir suite a l'accident mortel survenu a un jeune homme mineur en scooter, ce lundi 25 aout 202 ...
Ein zerstörter Container in Lausanne.Keystone

Trotzdem fürchtet sie in den kommenden Tagen keine weiteren Ausschreitungen. «Das haben sie gemacht, um der Polizei eins auszuwischen und ihr zu zeigen, dass sie ihre Arbeit schlecht gemacht hat», vermutet sie. Gleichzeitig stellt sie sich die Frage nach der zunehmenden Gewalt unter Jugendlichen. Und mit einem Anflug von Ironie fügt sie hinzu:

«Solange es nur die Container sind, geht’s ja noch.»

Zudem betont sie, dass die umliegenden Geschäfte keinerlei Spuren dieser Ausschreitungsnacht aufweisen.

«Schauen Sie, sie haben die Schaufenster der Geschäfte nicht angerührt. Es ging ihnen einzig um die Polizei.»

Am späten Montagmorgen treffen wir eine Mutter, deren Wohnung an der Avenue de Morges liegt. Sie glaubt nicht, dass ihr Quartier in die Gewalt abgleitet. «Ich habe keine Angst um meine Kinder», sagt sie. Ihre jugendliche Tochter an ihrer Seite nickt zustimmend. Allerdings berichtet die Frau, dass ihr Mann bei den den öffentlichen Verkehr in Lausanne arbeitet und doch etwas schockiert darüber sei, dass man einfach so einen Bus in Brand setzt.

Eine weitere Anwohnerin sagt derweil sogar, sie habe die Krawalle nicht mal gehört. Erst am nächsten Tag habe sie in den Medien davon erfahren.

«Meiner Meinung nach ist das ein ruhiges Quartier. Als ich hier eingezogen bin, hat mich ein Freund zwar gewarnt, es handle sich um ein schwieriges Viertel. Doch alles ist friedlich.»

Jugendliche, die «zusammen aufgewachsen sind»

Trotz der Ruhe wirft dieser ebenso heftige wie kurze Aufruhr bei einem Teil der Bevölkerung Fragen auf. Ein Mann erzählt, Jugendliche darüber reden gehört zu haben, man müsse «randalieren, um sich Gehör zu verschaffen». Im Vergleich zu den Ausschreitungen in Frankreich betont er jedoch, es habe keinerlei Absicht gegeben, zu plündern oder andere Straftaten zu begehen.

Le trottoir incendié à Prélaz.
Ein Stück des Trottoirs ist verbrannt.Image: watson

Es seien Jugendliche aus dem Quartier, berichtet er weiter. «Sie sind hier zusammen aufgewachsen, treffen sich oft zum Fussballspielen; sie kennen sich alle», erklärt eine Anwohnerin. Sie spricht von der grossen Betroffenheit, die nach dem Tod des 17-Jährigen durch die Gruppen junger Leute in der Umgebung gegangen sei.

Des tags sur les différents panneaux publicitaires au quartier de Prélaz.
Werbetafeln sind mit Parolen übersprüht, die an den Tod des Jugendlichen erinnern.Image: watson

Im Quartier Prélaz prangen zahlreiche Schriftzüge auf Werbetafeln, die Gerechtigkeit für den verstorbenen Jugendlichen fordern. Doch am Montagmorgen scheint die Ruhe tatsächlich zurückgekehrt zu sein. Eine Frau zieht das Fazit:

«Schauen Sie sich um: Die Kinder gehen zur Schule, die Leute nehmen den Bus, trinken einen Kaffee auf der Terrasse – und alle haben ein Lächeln im Gesicht.»
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191 Kommentare
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Hoodoo
25.08.2025 14:15registriert Februar 2014
Da fährt einer mit einem gestohlenen Roller der Polizei davon, rast mit übersetzter Geschwindigkeit durch die 30-er-Zone in falscher Richtung in eine Einbahnstrasse, rammt einen Container und prallt auf eine Hauswand. Und schuld soll dann die Polizei sein? Komische Haltung.
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Schlaf
25.08.2025 14:06registriert Oktober 2019
Artikel gelesen.

Soll man jetzt alles für halb so wild halten, drüber weg schauen und gut ist?

Die Interviewten sind ja auch null objektiv. Sie wollten der Polizei eins auswischen..
WARUM??

Komisch hatte es anscheinend keine anderen Stimmen, sondern nur solche, welche relativierten.

Kann ich nicht glauben!
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SpitaloFatalo
25.08.2025 14:16registriert März 2020
Na dann ist doch alles gut in Lausanne. Die "Jugendlichen" wollten ja nur der Polizei eins auswischen, indem sie versuchten, diese mit Feuerwerkskörper schwer zu verletzen, obwohl die Polizei nichts falsch gemacht hat. Sonst sind die Jugendlichen sehr nett, deshalb wird es nicht mehr passieren, auch die Geschäfte werden sehr artig verschont. Ich kenne den Hintergrund der befragten Leute nicht, sind sie aber repräsentativ für Lausanne ist diese Stadt verloren.
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