Ein paar zusätzliche Gebühren hier, ein paar gefälschte Rechnungen da: Natalia P., langjährige Mitarbeiterin der Schweizer Botschaft in Moskau, soll mit dreisten Maschen jahrelang Geld abgezweigt haben. Rund 75'000 Franken sollen so über die Jahre hinweg in ihre eigene Tasche geflossen sein.
Das Eidgenössische Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) hat in Russland Strafanzeige gegen Natalia P. eingereicht, diese beschuldigt ihrerseits den Botschafter Yves Rossier. Für die Frau gilt die Unschuldsvermutung.
Nun hat der Tagesanzeiger beim EDA und Natalia P. nachgehakt. Sie soll Mitte Februar freigestellt worden sein, Mitte März hat sie dann, nach 17 Jahren als Angestellte, die Kündigung eingereicht. Die Schuld sieht sie beim Botschafter.
Natalia P., Mutter von zwei kleinen Töchtern, erwartet in diesen Tagen die offizielle Anklage. «Spätnachts wurde ich am Dienstag drei Stunden lang verhört. Der russische Geheimdienst drängt auf meine Inhaftierung», sagte sie dem «Tagesanzeiger».
Die Anschuldigungen weist sie vehement von sich. Die 40-Jährige sieht sich als Opfer des Schweizer Botschafters Yves Rossier. Dieser soll ihr gegenüber sexuelle Avancen gemacht haben. Sie habe diese jedoch abgewiesen.
Auch habe sie als Vertreterin der Angestellten der Botschaft unangenehme Fragen gestellt. Zum Beispiel, als sie Unregelmässigkeiten bei der Renovierung der Botschaft entdeckte. Rossier wolle sie deswegen mundtot im Gefängnis sehen. Natalia P. hat gegen Rossier und seinen Stellvertreter Strafanzeige eingereicht. Auch für sie gilt die Unschuldsvermutung.
Belege für die Vorwürfe hat Natalia P. keine. Diese seien auf ihrem Arbeitscomputer, zu dem sie keinen Zugang mehr habe. Auch für die Anschuldigungen des sexuellen Interesses von Seiten des Botschafters gebe es keine Zeugen.
Aufgeben möchte Natalia P. nicht. Seit ihrer Kündigung im März schrieb sie mehrere Mails an Aussenminister Ignazio Cassis und an Bundespräsident Ueli Maurer. Darin schrieb sie, dass sie ohne ordentliche Untersuchung freigestellt worden sei und keine Endabrechnung für Sozialversicherungsbeiträge, Ferien und Überstunden erhalten habe.
Antwort erhielt die zweifache Mutter erst Mitte August. Sie solle ihre «verleumderische Kampagne umgehend einstellen». Die Botschaft und auch Yves Rossier hätten nichts falsch gemacht, als sie ihren Arbeitsvertrag auflösten. Die Schweiz werde die Schadenssumme zurückfordern.
Daraufhin reichte Natalia P. eine Aufsichtsbeschwerde gegen das EDA bei Justizministerin Karin Keller-Sutter ein. Das Bundesamt für Justiz eröffnete daraufhin ein Verfahren, das eigentlich bereits abgeschlossen sein müsste. Das EDA ersuchte jedoch zweimal eine Fristverlängerung für seine Antwort.
Dem «Tagesanzeiger» sagte das EDA, dass die Vorwürfe von Natalia P. jeglicher Grundlage entbehren.
Wie genau das EDA die Vorwürfe gegen Yves Rossier jedoch untersucht hat, wurde nicht erwähnt. Auch hat das EDA widersprüchliche Aussagen zur Kündigung der Frau gemacht. Zuerst hiess es, dass der Frau fristlos gekündigt wurde. Danach korrigierte sich das EDA und gab zu, dass Natalia P. nur freigestellt worden sei.
Wie genau eine Angestellte jahrelang zehntausende von Franken verschwinden lassen konnte, beantwortete das EDA auch nicht. Nur so viel: Die interne Revision habe dem Konsularbereich in Moskau erst kürzlich ein gutes Zeugnis ausgestellt. (dfr)