Wolfgang Winter war als Direktor der SBB-Tochterfirma Elvetino für über 100 Speisewagen und Bistros verantwortlich und verdiente dabei nicht schlecht: 240'000 Franken im Jahr. Doch er wollte mehr. Die Zürcher Staatsanwaltschaft beschreibt in einer Anklageschrift, wie er dabei kriminell geworden sein soll.
Kurz nach seinem Stellenantritt im Dezember 2011 engagierte er einen Freund als externen Berater. Dieser war Logistikexperte und Ex-Seemann. Die beiden arbeiteten seit 30 Jahren zusammen. Der Berater kassierte ein Honorar von 2500 Franken pro Arbeitstag. Sie regelten die Zusammenarbeit für einen Monat in einem Vertrag, den sie stillschweigend bis 2017 verlängerten, als Winter die fristlose Kündigung erhielt.
In den ersten vier Jahren arbeitete der Berater für das Honorar tatsächlich. So verfasste er für Winter den 100-Tage-Bericht des CEO, den dieser eigentlich selber schreiben sollte. Der Berater gab wichtige Inputs, doch viele Ideen setzte der Verwaltungsrat dann doch nicht um.
Im Jahr 2016 verkrachte sich der Berater mit einem anderen externen Berater, der ein zentrales Projekt bei Elvetino leitete. Winters Freund soll deshalb die Arbeit verweigert haben. Doch die Honorare flossen offenbar weiterhin. In sechs Jahren summierten sie sich auf fast eine Million Franken.
Winter soll mit dem Berater im Jahr 2015 vereinbart haben, dass er fortan 20 Prozent des Honorars als Dank zurückerhalte - bar auf die Hand oder als Überweisung auf sein Privatkonto. Als Zahlungsgrund gab der Berater bei der Einzahlung zum Beispiel «Kartoffelernte» an. Die Zürcher Staatsanwaltschaft bezeichnet diese Zahlungen als «Kick-backs» und «Schmiergelder».
Der mutmasslich gierige Manager und seine mutmasslich ebenso gierigen Komplizen verschwendeten die SBB-Gelder für Altherrenträume wie einen Fischerclub in Süddeutschland oder eine Investition ins ungarische Trüffelbusiness.
Eine Geschäftsidee war besonders dreist: Mit einem alten Handballkumpel gründete Winter eine Firma, mit der er Gastroartikel aus China importiert und zu überhöhten Preisen an Elvetino weiterverkauft haben soll. Als Elvetino-Chef durfte er nicht in anderen Firmen aktiv sein. Deshalb schaltete er einen Treuhänder dazwischen, um versteckt im Hintergrund zu agieren.
Die Inspiration für die Chinadeals hatte Winter von seiner zweiten Frau. Sie ist Chinesin und arbeitete einst als Barista für Elvetino am Bahnhof St. Gallen. Unter Winter stieg sie zur Kaderfrau auf. Gegenüber ihren Untergebenen soll sie sich so daneben verhalten haben, dass sie untragbar wurde. Von Elvetino erhielt sie gemäss der Staatsanwaltschaft einen «goldenen Fallschirm»: eine Freistellung zu unüblich vorteilhaften Konditionen. Winter stellte sie danach bei seiner Geheimfirma als Beraterin an.
Elvetino kaufte bei der Firma unter anderem 600 Salatzangen, 3000 Menühalter, 1200 Verschlussclips, 7000 Suppenteller und 100'000 Kaffeebecher. Die von Winter dazwischen geschaltete Importfirma soll diese Artikel mit einem enormen Aufschlag an die SBB-Tochter weiterverkauft haben. Die Bruttomarge soll 75 Prozent betragen haben.
Bei lokalen Firmen wären die Produkte nicht nur günstiger zu haben gewesen, sondern vor allem in besserer Qualität. Die chinesischen Suppenteller waren zu gross und deshalb unbrauchbar. Die Salatzangen, Verschlussclips und Kaffeebecher fielen in einem Labortest durch: Sie erwiesen sich als nicht lebensmitteltauglich und landeten deshalb ebenfalls im Müll. Und die Menühalter hatten zu scharfe Kanten und waren nicht rutschfest. Daher war in der Schweiz eine Nachbearbeitung nötig, die noch mehr kostete als der bereits überteuerte Einkaufspreis.
Es gab nur eine Gewinnerin: die Handelsfirma, an der Winter beteiligt war, soll mit den Chinadeals mehr als 200'000 Franken verdient haben.
Doch seine Gier war damit mutmasslich noch nicht befriedigt. So soll er sich aus dem Budget für Lohnerhöhungen zweimal selber das Gehalt aufgebessert und Prämien ausgezahlt haben. Dabei wäre dafür der Verwaltungsrat zuständig. Da Winter die Zahlungen in der Buchhaltung von seinen Untergebenen freigeben liess, kam er damit durch.
Mit seiner Firmenkreditkarte soll er zudem in vier Jahren 200'000 Franken verprasst haben. Er soll sich nicht an die Spesenregeln gehalten, in Luxus- statt Mittelklassehotel logiert haben und Business statt Economy geflogen sein.
Es war eine dieser Luxusreisen, die ihm zum Verhängnis wurde. Im Sommer 2017 machte er mit seiner Frau und deren Sohn Ferien in China. Sie flogen in der Businessklasse und gönnten sich die besten Hotels. Dabei absolvierte Winter auch geschäftliche Treffen für seine Importfirma. Deshalb stellte er dafür Spesen in Rechnung, und zwar doppelt: bei seiner eigenen Firma und bei Elvetino.
Nun schöpfte ein Geschäftsleitungsmitglied von Elvetino Verdacht und leitete eine interne Untersuchung ein. Nach den Ferien stellte dieser Manager den Chef zur Rede. Da soll Winter gesagt haben: «Wir haben uns nichts mehr zu sagen.»
So kam es zur fristlosen Kündigung im August 2017. Die SBB kommunizierten diese öffentlich, sprachen von «massiven Vorwürfen» und nannten Winter beim Namen.
Sieben Jahre später steht der 67-Jährige nun am 7. Mai vor dem Zürcher Bezirksgericht. Die Staatsanwaltschaft klagt ihn wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung, Betrug und Bestechung an. Auf Anfrage schweigt er. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Warum hat Jeannine Pilloud, die damalige Leiterin des SBB-Personenverkehrs, nichts bemerkt? Auf Anfrage sagt sie: «Man kann alle möglichen Vorkehrungen treffen. Wenn aber jemand genügend kriminelle Energie hat, schafft er es trotzdem, die anderen zu linken.» Es sei allerdings immer eine Frage der Zeit, bis es auffliege.
Wie in anderen Kriminalfällen flossen übrigens auch hier Gelder über ein Konto der Credit Suisse. Der Berater hatte bei ihr grosse Summen Bargeld abgehoben, um es bei sich zu Hause im Keller zu verstecken. In diesem Fall reagierte die Skandalbank allerdings richtig und erstattete Meldung wegen Geldwäscherei. (aargauerzeitung.ch)
Das mag schon sein. Andererseits habe ich in diversen Firmen gesehen, dass die Ausgaben gerne je Positionslevel verschieden stark kontrolliert wird. Je höher desto "flexibler" wird das Monitoring gehandhabt.