Ein Zückerchen für die treuen Besitzer eines Generalabo (GA) stellte die Branchenorganisation Alliance Swisspass kürzlich in Aussicht. Der Grund für die Charmeoffensive: Halbtax-Abonnenten können seit einigen Jahren beim Umstieg auf das GA von attraktiven Rabatten profitieren. Leer gehen dagegen jene aus, die anstandslos ihr bestehendes Premium-Abo erneuern.
Jetzt ist klar, wie die Branche der treuen GA-Kundschaft danken möchte: In den letzten Tagen haben rund 50'000 Kundinnen und Kunden per Post einen Gutschein erhalten. Wer sich ein «1.-Klasse-Upgrade» gönnen möchte, kann sich die GA-Luxusversion mit einem Rabatt von 500 Franken sichern. Zum Vergleich: Ein 1.-Klasse-GA kostet derzeit 6300 Franken, eines für die 2. Klasse 3860 Franken.
«Wir wollen die Treue der bestehenden GA-Kunden besser honorieren», erklärt Reto Hügli, Sprecher der Alliance Swisspass. Mitspielen dürfte ein weiterer Grund: Mit der satten Preiserhöhung in der 1. Klasse werden sich einige Kundinnen und Kunden fragen, ob sie sich das noch leisten wollen. Das könnte dafür sorgen, dass das derzeit erfreuliche Wachstum bei den Aboverkäufen wieder gebremst wird. Die Verkehrsbetriebe versuchen deshalb, die bestehende Kundschaft zum Umstieg auf das 1.-Klasse-GA zu bewegen.
Ab dem kommenden Fahrplanwechsel müssen Reisende für beide Abos erheblich tiefer in die Tasche greifen. Für ein 2.-Klasse-GA werden 135 Franken mehr fällig, bei der Luxusvariante sind es gar 220 Franken. Die Preise nach oben treiben laut Alliance Swisspass die Teuerung, ein Sparprogramm des Bundes sowie die Erhöhung der Mehrwertsteuer.
Immerhin: Der Preisüberwacher konnte durchsetzen, dass SBB & Co. die Tarife nicht so stark heraufsetzen wie geplant und dass sie mehr Sparbillette in Umlauf bringen müssen.
Bei der Stiftung Konsumentenschutz kommt das neue Zückerchen trotzdem nicht gut an. Die Organisation hatte bereits die jüngsten Preiserhöhungen als «unverständlich» kritisiert, weil die Branche die Preise der Einzelbillette sowie anderer 1.-Klasse-Angebote geschont habe. Zudem könne nur eine kleine Gruppe, die flexibel reise, von den zusätzlichen Sparbilletten profitieren.
«Mit der Tariferhöhung vom kommenden Dezember versuchen die Verkehrsbetriebe unter anderem, eine bessere Auslastung der 1. Klasse zu erreichen», sagt Konsumentenschutz-Sprecher Alex von Hettlingen auf Anfrage. «Die vorliegende Rabattaktion ist in diesem Licht zu betrachten.» Doch die Vergünstigung für das Upgrade biete der GA-Kundschaft keinen wirklichen Mehrwert, denn ein 1.-Klasse-GA sei nur für einen ganz kleinen Teil der Reisenden der 2. Klasse interessant. Von Hettlingen spricht mit Blick auf die Preiserhöhungen gar von einer «Salamitaktik, die das GA Schritt für Schritt unattraktiver machen soll». Seine These: Es geht darum, den Weg für das digitale Tarifsystem «myride» zu ebnen.
Dabei handelt es sich um eine Tracking-Applikation, die Reisen beim Ein- und Aussteigen erfasst und im Hintergrund, nach Abschluss der Fahrt, automatisch den günstigsten Preis berechnet. Das Konzept soll nicht nur neue Kundschaft an Bord bringen, sondern auch das bisher sehr komplizierte Tarifsystem umkrempeln. Der Umbau soll ab 2025 Fahrt aufnehmen, stösst aber bereits auf Widerstand. Der Konsumentenschutz befürchtet, dass der öffentliche Verkehr nur noch für Personen mit Mobiltelefon und Kreditkarte zugänglich sein könnte. Die Branche dagegen betont, dass man sich «in einem Experiment» befinde, das auch ganz anders herauskommen könne.
«Es muss immer möglich sein, auch ohne Handy und Kreditkarte ein Billett zu kaufen», verspricht die Alliance Swisspass. Man könne heute aber noch keine Konzepte präsentieren, wie dies bewerkstelligt werde. «Das wäre unseriös.» In welche Richtung es gehen könnte, skizzierte René Schmied, Strategiechef der Branche, gegenüber dieser Zeitung: «Ein minimales Angebot werden wir weiterhin für Bargeldnutzer bieten. Das kann bedeuten, dass man zum Beispiel das ÖV-Guthaben am Kiosk auflädt. Aber wir müssen nicht mehr an jeder Haltestelle einen Tresorschrank aufstellen - und das sind Automaten mit Bargeldbezahlmöglichkeit de facto nun mal.» (bzbasel.ch)