Ein Billett direkt auf dem Mobiltelefon zu lösen, ist bequem. Es verleitet einige knausrige Passagiere aber auch dazu, beim Einstieg in Bus, Zug oder Tram erst einmal abzuwarten, bis eine Kontrolle auftaucht. Schliesslich gibt es dann immer noch die Möglichkeit, rasch ein elektronisches Ticket zu kaufen. Und wenn keine Kontrolle auftaucht, hat man sich den Billettpreis gespart.
Dieser Taktik sagt der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) nun den Kampf an – vorerst noch auf die sanfte Tour. Seit kurzem weisen gelbe Kleber an Bus- und Tramtüren die Passagiere daraufhin, dass E-Tickets vor dem Einsteigen gelöst werden sollten, um keine Busse zu kassieren. In den S-Bahnen gibt es entsprechende Durchsagen.
«Der Hintergrund der Kampagne ist die steigende Verbreitung der elektronisch gelösten Tickets in den letzten Jahren, insbesondere auch seit Abflauen der Pandemie», sagt ZVV-Sprecher Thomas Kellenberger auf Anfrage. Diese Art des Ticketkaufs werde von den Fahrgästen sehr geschätzt, weshalb man weitere Kundinnen und Kunden darauf aufmerksam machen möchte. «Gleichzeitig birgt dieser Vertriebskanal aber auch eine gewisse Gefahr, dass der rechtzeitige Ticketkauf vergessen geht oder erst im Augenblick der Kontrolle erfolgt.»
Zwar können Passagiere, die ihr E-Ticket nicht rechtzeitig gelöst haben, mit Kulanz rechnen – dabei beurteilt der ZVV jeweils den Einzelfall. Je nach Auslegung des Verkehrspersonals kann der Trick also teuer werden. Denn wer erst bei Anblick der Kontrolle ein Billett löst, hat zum relevanten Kontrollzeitpunkt der Abfahrt keinen gültigen Fahrausweis. Das kostet im ZVV-Netz 100 Franken plus. Wer dreimal erwischt wird, dem droht eine Rechnung über 220 Franken plus eine Anzeige.
Ein nachträglich gelöstes Ticket hätte allenfalls Einfluss auf die Fahrpreispauschale, die neben der Busse fällig wird. Dieser Zuschlag berechtigt zur Weiterfahrt mit dem jeweiligen Transportmittel. Das heisst: Die Busse wird in jeden Fall fällig, der Zuschlag reduziert sich allenfalls um den Preis, der mit dem doch noch gelösten E-Ticket bezahlt wurde.
Die Verkehrsbetriebe beschäftigen sich intensiv mit der Handhabung von E-Tickets. Die Branchenorganisation Alliance Swiss Pass führt ein 72-seitiges Regelwerk dazu, wie und wann säumige Passagiere zur Kasse gebeten werden. Dort sind auch Ausnahmefälle geregelt. Wer etwa vor der Abfahrt korrekt ein E-Ticket löst, dieses aber wegen mangelnder Akku-Leistung nicht vorweisen kann, muss lediglich eine Gebühr von 30 Franken zahlen. Das Personal klärt dann mithilfe der Personalien ab, ob tatsächlich ein reguläres Ticket gekauft worden ist.
Auch die SBB betonen, dass «Kundinnen und Kunden vor Antritt der Reise im Besitz eines gültigen Tickets sein müssen». Die Bahn empfiehlt, immer vor dem Einstieg in den Zug zu kontrollieren, ob das Ticket hochgeladen respektive der QR-Code vorhanden sei. Die SBB prüft die Kulanz jeweils im Einzelfall.
Dass E-Tickets Betrügern in die Hände spielen können, ist eine Nebenerscheinung einer eigentlich gewünschten Entwicklung: Die Branche will den Ticketverkauf bis 2035 vollständig digitalisieren. Bereits heute werden zwei Drittel der verkauften Billette digital erworben.
Damit sparen sich die Verkehrsbetriebe erhebliche Investitionen in physische Billettautomaten. Sogar wenn die Unternehmen dabei etwas mehr Geld an E-Billett-Trickser verlieren sollten – aktuell sind es rund ein Prozent der Einnahmen, also 60 Millionen Franken pro Jahr –, können sie das verschmerzen. Die Einsparungen sind vermutlich grösser als die Verluste durch zusätzliche Tricksereien. Den Zürcher Verkehrsverbund beispielsweise kostet der Verkauf eines E-Tickets 30 Prozent weniger als an einem Automaten. (aargauerzeitung.ch)
...Etwas Träumen darf man ja ;-)