09.01.2020, 15:4609.01.2020, 16:22

SBB-Personal wird in Zügen oft angegangen.Bild: KEYSTONE
In heiklen Situationen sollen SBB-Mitarbeitende auf das Namensschild verzichten dürfen, um eine missbräuchliche Identifizierung ihrer Person zu erschweren. Das fordert die Gewerkschaft des Verkehrspersonals seit Jahren. Nun erhält sie Unterstützung vom Datenschützer.
In den vergangenen Tagen ist ein alter Konflikt wieder aufgeflammt: Im Zentrum stehen die Namensschilder der SBB-Mitarbeitenden. Seit deren Einführung im Jahr 1987 wird immer wieder darum gestritten.
Einerseits erlauben es die Schilder den Reisenden, Zugführer und Kondukteure im Fernverkehr mit den Namen ansprechen zu können und so einen engen Kundenkontakt herzustellen. Andererseits fürchtet sich ein Teil des Personals vor vermehrten Belästigungen im Privatleben, wenn ein Kunde beispielsweise mit einer ausgesprochenen Busse nicht einverstanden ist.
Wahlfreiheit gefordert
Der Personalverband Transfair fordert deshalb eine Alternative für betroffene SBB-Mitarbeitende: Sie sollen wählen können, ob sie tatsächlich mit Namen hinstehen oder nur noch die Personalnummer und die genaue Berufsbezeichnung auf der Tafel tragen wollen.
Zugfahrt mit der Sicht aus dem Cockpit
Video: srf
Transfair-Regionalsekretär Werner Rüegg bestätigte am Donnerstag auf Anfrage einen entsprechenden Bericht von 20minuten.ch. In letzter Zeit hätten Fälle zugenommen, bei denen SBB-Angestellte bedroht worden seien. Die Dunkelziffer sei hoch. Jeder Fall sei tragisch. «Unser Vorschlag würde den Mitarbeitenden ein besseres Sicherheitsgefühl geben.»
«Sicherheit kommt vor Marketing»
Nun bekommt die Gewerkschaft Rückenwind von prominenter Stelle: Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (Edöb) hält die Namensschilder ebenfalls für problematisch. «Die Bekanntgabe der Identität kann die persönliche Sicherheit der Angestellten beeinträchtigen», schreibt die Behörde auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Und weiter: «In seiner Interessenabwägung kommt der Edöb eindeutig zum Schluss, dass die Sicherheitsinteressen der Angestellten Vorrang haben vor den Marketinginteressen der Arbeitgeberin.» Zudem sei es fraglich, ob das Ziel der Imageverbesserung und der besseren Kundenbindung mit der direkten Identifikation der Angestellten überhaupt erreicht werde.
SBB sehen keinen Handlungsbedarf
Wie Transfair schlägt auch der oberste Schweizer Datenschützer «weniger einschneidende Massnahmen» vor. Schilder mit der Personalnummer würden es dem Vorgesetzten erlauben, die Mitarbeitenden bei Bedarf zu identifizieren. Gleichzeitig wäre so die Privatsphäre der Person geschützt.
Die SBB kommen bei ihrer Interessenabwägung zu einem anderen Schluss. Sie erachten ihr Vorgehen als verhältnismässig und sind «überzeugt, dass eine persönliche Betreuung der Fahrgäste einen wichtigen Beitrag zur positiven Kundenwahrnehmung leistet». Dazu gehöre auch ein persönliches Namensschild mit Initialen, Nachnamen und Berufsbezeichnung, schreiben die SBB in einer Stellungnahme.
Auch BLS und SOB setzen auf Namensschilder
Nicht nur die SBB-Mitarbeitenden tragen bei Kundenkontakt Namensschilder, auch andere Bahnunternehmen wie die BLS oder die SOB kennen solche Regeln. Sie machen damit nach eigenen Angaben gute Erfahrungen.
Bei der BLS haben Kunden auf den Regioexpress-Zügen die Möglichkeit, ein Ticket direkt beim Reisebegleiter zu kaufen. Dabei tragen die Mitarbeitenden Namensschilder mit Anfangsbuchstabe des Vornamens und ausgeschriebenem Nachnamen inklusive Funktion - wie bei den SBB.
Ähnlich argumentiert die BLS auch für das Beibehalten dieser Praxis: «Reisebegleiter sind unsere Mitarbeitenden, Botschafter und Gastgeber», schreibt die BLS am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Im direkten Kundenkontakt schätzten es die Fahrgäste, die Namen zu kennen. Der Kundendienst erhalte deswegen auch öfters personenbezogenes Lob.
Probleme sieht das Bahnunternehmen nicht. «Stalking kommt sehr selten vor.» Seit 2015 habe die Zahl der schweren Fälle von Gewalt gegenüber dem Zugpersonal «nicht zugenommen».
Auch die Südostbahn (SOB) setzt auf die bewährte Praxis mit Namensschildern, wie das Unternehmen auf Anfrage bekanntgab. Die Erfahrungen seien «mehrheitlich positiv» - trotz «vereinzelten Drohungen». Die Sicherheitskosten für den Bahnbetrieb seien in den vergangenen Jahren leicht erhöht worden. (sda)
Schutz mit fiktiven Namen
Seit einigen Jahren machen die SBB Ausnahmen für Mitarbeitende, die negative Erfahrungen gemacht haben. Sie können ein Namensschild mit einem fiktiven Namen beantragen. «So stellen wir den Schutz unserer Mitarbeitenden im Privatleben sicher.»
Zur Zahl von Drohungen und Stalking gegen Mitarbeitenden, die aufgrund der Namensschilder verfolgt oder belästigt wurden, machen die SBB keine Angaben. Im Schnitt ereignet sich auf dem SBB-Netz alle zwei bis drei Tage ein Übergriff auf das Personal – dies bei täglich 1.26 Millionen Reisenden.
Postauto als Vorbild
Generell sei die Sicherheitslage in den vergangenen Jahren stabil gewesen, schreiben die SBB weiter. Die einzelnen Fälle seien aber «tendenziell gröber» geworden.
Auch aus diesem Grund ist es für Transfair unverständlich, dass die Bundesbahnen beim Thema Namensschilder nicht einlenken. «Fiktive Namen sind nicht optimal», sagte Rüegg. Beispielsweise Postauto gehe als gutes Beispiel voran. Das Unternehmen lasse seinen Mitarbeitenden mit Kundenkontakt die Wahlfreiheit, ob sie mit Namen oder Personalnummer auftreten wollen. (aeg/sda)
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