Am Montag beginnt das Herbstsemester an den Universitäten. Es ist ein Start unter besonderen Bedingungen. Die Coronapandemie stellt die höchsten Ausbildungsstätten des Landes vor nie da gewesene Herausforderungen. Eine Umfrage bei den Universitäten zeigt: Das Virus führt nicht nur zu Schwierigkeiten, sondern zu Innovationen und zu Verschiebungen bei den Interessen der Studierenden. Sechs Neuigkeiten zum Semesterbeginn:
Die meisten Universitäten verzeichnen einen Anstieg an Studierenden. Exemplarisch dafür: die Universität Zürich. Hier schreiben sich rund 13 Prozent mehr Personen zum ersten Mal für ein Studium (Bachelor) ein als im Vorjahr. Der Anstieg an Studienanfängern dürfte mit fehlenden Alternativen zusammenhängen. Reisen im Zwischenjahr ist wegen Corona schwieriger als sonst.
Gleichzeitig steigt die Zahl der Masterstudierenden um 8 Prozent. «Dies kann darauf hindeuten, dass viele lieber weiterstudieren und einen Eintritt in den Arbeitsmarkt eher nach dem Master anstreben», erklärt die Uni Zürich die Veränderung. Die düsteren Jobaussichten auf dem Arbeitsmarkt dürften hier eine Rolle spielen. An der Uni Lausanne ist insgesamt ein Plus von 5 Prozent der Studierenden zu verzeichnen. In Basel stieg die Zahl der neuen Masterstudierenden um 16 Prozent, jene der Bachelorstufe um vier Prozent.
Besonders gross ist der Zuwachs bei der Fernuni Schweiz. Die Zahl der neuen Studierenden steigt von 471 im Vorjahr auf 611 Personen in diesem Herbst an, was einer Zunahme von rund 20 Prozent entspricht. Das passt zur Entwicklung, dass auch an den klassischen Unis das Lehren und Lernen auf Distanz wegen Corona mehr Gewicht bekommt.
Die Universitäten legen trotz Ansteckungsgefahr grossen Wert darauf, weiterhin Präsenzunterricht anzubieten. Meist verfolgt eine beschränkte Anzahl Studierender den Unterricht im Hörsaal, während andere Kommilitonen die Vorlesung zu Hause vor dem Computer verfolgen. An der Uni Luzern nennt man dieses Vorgehen «Hybride Lehre». Die Universität Bern verfolgt ein ähnliches Konzept und spricht von «blended Learning» (integriertes Lernen).
Der grösste Hörsaal der Uni Luzern fasst normalerweise 363 Personen. Im aktuellen Semester dürfen aber nur 99 hinein. Je nach weiterer Ausbreitung könnte diese Zahl sogar auf 70 reduziert werden. Als Schutzmassnahmen ist das Tragen von Gesichtsmasken in den Eingangshallen, Gängen und zum Teil Bibliotheken vorgesehen. In den Vorlesungen kann meist auf die Maske verzichtet werden, dafür muss die Anwesenheit protokolliert werden. Manche Uni empfiehlt zudem die Nutzung der Corona-App des Bundes.
Einen besonderen Weg schlägt die ETH Zürich ein. Um den Erstsemestern einen Austausch zu ermöglichen, werden eine Art Schulklassen gebildet, die «Bubbles» (Blasen) genannt werden. Es handelt sich um feste Gruppen à 25 Personen, in denen Studienanfänger gemeinsam Übungen machen und Praktika besuchen. Ziel dieser Struktur ist es, das Risiko von Ansteckungen zu verkleinern und die Nachverfolgung von Kontakten zu gewährleisten. Zusätzlich werden die Veranstaltungen auch online angeboten, insbesondere für Angehörige von Risikogruppen.
Das Coronavirus wirkt sich auf die Fächerwahl der Studierenden aus. In Genf, Lausanne, Zürich gibt es ein grösseres Interesse am Medizinstudium. In Basel und Zürich wählten die Studienanfänger häufig Psychologie. In Genf ist neben Medizin das Lehramt beliebt, und Recht legt an einigen Unis zu. In Lausanne legen auch Biologie und Wirtschaft zu. Allerdings sind auch Sozialwissenschaften und Politik beliebter geworden. An der ETH ist Maschinenbau weiterhin ein Klassiker. In Fribourg erlebt Informatik einen Boom.
Die Fernuni verspürt einen Trend hinzu den Fächern Psychologie und Recht. Die Studierenden achteten in diesem Semester vermehrt darauf, ein Studium mit Jobaussichten zu wählen, sagt eine Sprecherin der Fernuni.
Die Einschätzungen der Kosten der Massnahmen im Umgang mit dem Coronavirus gehen auseinander. Exemplarisch seien hier die Universität Genf und die ETH Zürich gegenübergestellt.
Die Universität Genf rechnet wegen der Coronakrise mit Mehrausgaben in der Höhe von 4,2 Millionen Franken. Am meisten Geld (1,6 Millionen Franken) wandte sie für die Bewachung und Reinigung der Gebäude während der Schliessung im Zuge des Lockdowns auf. Weitere 1,4 Millionen entfielen auf Plexiglas, Masken und Desinfektionsmittel. Für Computerprogramme und Lizenzen gab die Uni Genf eine weitere Million aus.
Die ETH Zürich dagegen geht laut einem Sprecher davon aus, dass die Coronamassnahmen nicht unbedingt zu einem deutlichen Kostenanstieg führe. Zusätzlichen Ausgaben für Schutzmassnahmen stünden Einsparungen gegenüber. Zum Beispiel, weil es während der Zeit, als der Präsenzunterricht ausfiel, weniger Aufwand gab. Viele Unis können die Kosten nicht beziffern.
Der Studierendenverband fordert angesichts der Coronakrise finanzielle Unterstützung für Studierende. Viele litten unter den wirtschaftlichen Folgen der Coronamassnahmen. So haben einige ihre Nebenbeschäftigung verloren oder während der Sommermonate keinen Studentenjob ergattern können. Die so entgangenen Löhne fehlten nun im Budget, heisst es.
Ein Teil der Universitäten greift Studierenden tatsächlich unter die Arme. Mit Abstand am grosszügigsten ist die Universität Genf. Sie verteilte, unterstützt von einer privaten Stiftung, zwei Millionen Franken an über tausend Studierende. Eingesetzt wurde das Geld für Verpflegung, Miete und Computer für das Fernstudium. Auch in Zürich wurde ein spezieller Fonds für von der Coronakrise Betroffene eingerichtet.
Insgesamt sind dort 238 Gesuche eingegangen, 135 (57 Prozent) wurden bewilligt. Ausbezahlt wurden 272'000 Franken an Stipendien so wie 48'000 Franken als Darlehen. An der Tessiner Università della Svizzera italiana wurden bisher 170'000 Franken ausbezahlt, in Luzern waren es 42'900 Franken. Hinzu kommen Unterstützungen über bereits vor Corona bestehende Hilfsfonds. In Basel wurden so rund 50'000 Franken verteilt. Die ETH Zürich setzt dagegen auf zinslose Darlehen. Rund 50 Personen liehen sich insgesamt 200'000 Franken.