Ich war noch nie an einem Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest. Deshalb freute ich mich enorm, das ESAF 2025 sogar in meinem Heimatkanton, dem Glarnerland, zu erleben.
Hier sind fünf Dinge, die mir bei meinem allerersten ESAF aufgefallen sind – zwischen Schnupftabak, Zigerbutter und Eichenlaubkranz.
Jeder, der zur Generation Z gehört, weiss: Oft reicht eine Unterhaltungsquelle allein nicht. Die meisten Serien auf Netflix & Co. sind so mittelmässig, dass man sie nur mit Insta-Scrollen oder watson-Stories im Zweitfenster erträgt.
Sportevents sind davon für mich nicht ausgeschlossen – egal ob live oder am TV. Public Viewings während Fussball-EMs oder -WMs vielleicht ausgenommen, wenn die Schweiz gut spielt. Aber sonst? Ich war einmal (eher unfreiwillig) im Wembley-Stadion, und bin bei einem Länderspiel eingeschlafen.
Was ich am ESAF erlebt habe, hat mich aber echt überrascht: Hier treten gleichzeitig auf sieben Sägemehlringen 14 Schwinger gegeneinander an. Ich wusste gar nicht, wohin schauen. Ein Plattwurf da, ein Sieg mit Überdrücken dort, auf Ring 3 fallen zwei Kämpfer gleich ins Gras. Dazu Chorgesänge und Jodelgruppen im Wechsel.
Es lebe die Überstimulation am ESAF!
Was ich nicht wusste: Es gibt einen ESAF-Knigge. Ja, eine offizielle Broschüre mit Verhaltensregeln für Gäste. Und die hat es in sich.
Dekadentes Verhalten? Unerwünscht. Zu spät auf der Tribüne? Unhöflich. Vor dem Schlussgang gehen? Geht gar nicht. Anzug oder ein elegantes Kleid tragen? Bitte lieber eine Tracht. Auf einen Anzug haben aber nicht alle verzichtet, wie Punkt 5 dieser Liste zeigt.
Und eine Regel ist für alle Liebhaber von Anglizismen besonders schwer: «Bitte keine englischen Ausdrücke verwenden!» No, cap! Ich weiss jetzt auch nicht, was sie mit Touristen machen, die nur Englisch sprechen.
Spannend finde ich besonders einen Punkt: «Kein Reklamieren oder Pfeifen gegen Schwinger.» Als am Samstagnachmittag das Publikum diese Regel in einem hitzigen Moment offensichtlich vergessen hat und einen Schwinger auspfeift, tönt es bestimmend durch den Lautsprecher: «Wir sind hier nicht im Fussballstadium – Pfiffe in der Schwingerarena kennen wir nicht!»
Das ESAF dauert drei Tage, doch der Merch bleibt für immer.
Schon beim Ankommen springen mir Dutzende Fans in Edelweisshemden, mit Schnupfdosen oder ESAF-Sitzkissen ins Auge. Und dann sehe ich den Stand mit Briefmarken. Ja, Briefmarken.
Mit Merchandise verdient man heute das grosse Geld. Am besten weiss das US-Superstar Taylor Swift, die pro Konzertshow schätzungsweise 2 Millionen Dollar nur durch den Verkauf von Merch einnimmt, im Schnitt gibt jeder ihrer Fans 160 Dollar aus. Auch das ESAF 2025 hofft auf eine Fangemeinde in Konsumlaune – und zwar nicht nur, um den eigenen Bauch zu füllen. Die Veranstalter zielen mit 54 Merch-Artikeln auf Schwingfans mit einem lockeren Portemonnaie.
T-Shirts, Caps, Trachtenhemden, Taschenmesser, temporäre Tattoos, Briefmarken – und eben: die legendäre ESAF-Schnupftabakdose. Laut einer Verkäuferin das beliebteste Produkt.
Dass die Schwingfans das Schnupfen lieben, haben wir übrigens auch im Video gemerkt.
Was genau ist eigentlich eine Ehrendame? Ich hatte keine Ahnung, bis ich am ESAF 2025 gelandet bin.
Die offizielle Website sagt: «Die Ehrendamen werten mit ihrer Präsenz jede Situation auf, in der sie das OK und die Festregion repräsentieren.»
Eine von ihnen darf dem neuen Schwingerkönig am Sonntag den Eichenlaubkranz aufsetzen – wer das ist, wird ausgelost. Nadja Kamm, selbst Ehrendame, erklärt gegenüber watson: Die Aufgabe ist begehrt und der Weg zur Ehrendame anspruchsvoll.
Bewerbung, Vorstellungsgespräch, Auswahlverfahren. Dafür erhalten sie am Ende eine Tracht im Wert von über 5000 Franken. Zur Auswahl stehen etwa die neue Glarner Kirchentracht, die Festtagstrachten Sarganserland und Kaltbrunn oder die Märchler Sonntagstracht.
Quasi ein Repräsentieren mit Tradition, aber nur nach bestandener Prüfung.
Ich bin selbst in einem Bergdorf aufgewachsen. Hirten- und Edelweisshemden sind mir vertraut. Aber was ich am ESAF gesehen habe, war nochmals eine ganz eigene Liga.
Da war zum Beispiel ein Mann in einem knallroten Anzug mit Paisleymuster, genäht von seiner über 90-jährigen Mutter.
Oder ein anderer, verkleidet als Zigerbutter: «Ich liebe Ziger und es freut mich, dass den Leuten mein Kostüm gefällt», sagt er im Video.
Und natürlich die vielen Frauen und Männer in farbigen, regionalen Trachten, detailverliebt kombiniert und inklusive Schuhe mit Kantonswappen.
Vergesst Dirndl und Oktoberfest. Das hier ist die Schweiz in ihrer traditionellsten Mode-Extremform.
Gut, dass du mal an die frische Luft kommst 👍
Bitte eindeutschen. 😉