Auch nach seinem Rücktritt im Herbst 2022 ist Roger Federer ein gefragter und viel beschäftigter Mann geblieben. Als Werbeträger unzähliger Marken, als Stiftungsrat, als frühere Tennisikone, als Vater von vier Kindern. Am Samstag freute er sich mit seinen beiden Söhnen in der Loge des Basler St. Jakob-Park über eine 4:0-Gala gegen Luzern und den Meistertitel seines FCB. Am Tag darauf wohnte er in Paris auf dem Court Philippe Chatrier einer Ehrung seines früheren Rivalen Rafael Nadal bei.
Es ist ein aufregendes, unbeschwertes Leben, wie er es sich nach mehr als zwei Jahrzehnten im Schaufenster der Weltöffentlichkeit gewünscht hatte. Doch völlig sorgenfrei ist es nicht.
71 Queen Victoria Street, London. An bester Lage, zwischen London Bridge, St. Pauls-Kathedrale und Themse, steht ein schmuckloses Bürogebäude. Hier domiziliert ist Trident 8, die britische Tochtergesellschaft von Team 8 Global.
Seit 2017 veranstaltet das Unternehmen den Laver Cup, einen Teamwettbewerb im Tennis nach Vorbild des Ryder Cups im Golf, bei dem sich ein Team aus Europa mit dem Rest der Welt misst.
Alimentiert wird er vom australischen und amerikanischen Tennisverband und dem früheren Davis-Cup-Spieler und Milliardär, dem Schweiz-Brasilianer Jorge Paulo Lemann. Die Partner und Sponsoren? Sind fast die gleichen wie jene Federers: Rolex, UBS, Mercedes, Moët & Chandon, Uniqlo und On.
Federer ist geistiger Vater und Gesicht des Laver Cups. Er ist sein Vermächtnis ans Tennis, eine Liebeserklärung, die seine Karriere lange überdauern soll.
Es ist kein Zufall, dass er im Herbst 2022 im Rahmen des Laver Cups in London, mit Rivale und Freund Rafael Nadal im Doppel, seinen letzten Auftritt hatte.
Als Federers Karriere zu Ende ging, stand er als Werbeträger im Zenit. Selbst im Jahr nach dem Rücktritt gehörte er gemäss Wirtschaftsmagazin Forbes mit 95 Millionen Dollar Einnahmen zu den bestverdienenden Sportlern der Welt.
Und auch der Laver Cup florierte: 28,4 Millionen Pfund Umsatz, davon 17,5 Millionen aus dem Ticketverkauf. Der Gewinn belief sich auf 3,5 Millionen.
Doch seither hat der Wettbewerb zwei Mal einen Millionenverlust hinnehmen müssen: 2023 in Vancouver waren es 1,8 Millionen Pfund, 2024 weist die Bilanz zwar eine schwarze Null auf, allerdings nur, weil der Verlust von 1,5 Millionen durch «Einnahmen des Unternehmens ausserhalb des Turniers» ausgeglichen wurde. Sprich: Eine Finanzspritze, möglicherweise von Federer persönlich.
Begründet werden die grossen Verluste bei Federers Herzensprojekt mit einem massiven Rückgang beim Ticketverkauf (von 17,5 auf 12,5 Millionen) und beim Merchandising (1,9 auf 1,0 Millionen), was zeigt, wie abhängig der Laver Cup von Roger Federers Strahlkraft ist.
Wobei das Problem weniger bei den Einnahmen als bei den Ausgaben liegt, die zwischen 2021 und 2023 um sieben Millionen gestiegen sind. Grund dafür: Der Wettbewerb findet jedes Jahr anderswo statt. Heisst: Unterschiedlich grosse Stadien mit Auswirkungen auf den Ticketverkauf, variable Kosten bei Aufbau und Betrieb der Infrastruktur.
Vor diesem Hintergrund steht auch die in dieser Woche verkündete Rückkehr nach London im Jahr 2026, in diesem Herbst ist San Francisco Austragungsort. Dort verspricht man sich nicht nur die Rückkehr in die Gewinnzone, sondern eine «historische Profitabilität».
Obwohl man die Abhängigkeit von den Ticketverkäufen als problematisch erkannt hat, sollen die jüngst erlittenen Verluste eben dort abgefedert werden.
Schon in der Vergangenheit sorgten die exorbitanten Preise für Diskussionen. Die teuersten Tickets gingen für rund 4500 Franken weg, die günstigsten für 300 Franken. Zum Vergleich: Bei den US Open, einem Grand-Slam-Turnier, kostet das teuerste Ticket 1500 Franken.
Während die günstigsten Tickets beim Laver Cup 2025 in San Francisco ab 250 Franken zu erstehen sind, zahlen VIP-Gäste bis zu 20'000 Franken für ein Rundum-Sorglos-Paket. Sie nächtigen in einem nicht öffentlich genannten Luxushotel mit «spektakulärer Sicht» auf die Bucht und erhalten im Chase Center Zugang zur exklusiven Lounge.
Heisst konkret: So lange die Einnahmen durch Medienrechte (zuletzt in Berlin 2,2 Millionen Pfund), Merchandising (0,9 Millionen) und Sponsoren (7,6 Millionen) die Abhängigkeit vom Ticketverkauf nicht annähernd auffangen, werden die Zuschauenden zur Kasse gebeten.
Zudem krankt der Laver Cup an einer weiteren Hypothek: Hatten Anhänger 2024 noch Tickets in der Hoffnung gekauft, Rafael Nadal oder Andy Murray ein letztes Mal zu sehen, ist heute schon klar: Künftig wird keiner aus dem Quartett vertreten sein, das dem Männertennis ein Vierteljahrhundert Glanz verlieh. Nadal und Murray traten im vergangenen Jahr zurück, Novak Djokovic, auch schon 38-Jährig, macht einen Bogen um den Wettbewerb.
Sowieso stellt sich die Frage, was der Laver Cup sein will: Auf Tradition kann er noch nicht verweisen, sportlich bleibt sein Wert fraglich. Und wirtschaftlich ist er abhängig von seinem geistigen Vater, Gesicht und Teilhaber: Roger Federer.
Zwar verfügt Trident 8 über Reserven in der Höhe von 15 Millionen Pfund. Dennoch beweist die Rückkehr nach London vor allem eines: Dass Federer nicht gewillt ist, einem defizitären Wettbewerb sein Gesicht zu leihen. (aargauerzeitung.ch)